Gelöschte Daten wieder da?: Immer neue Fragen zu Zellenbrand

Angeblich gelöschte Daten zu dem in einer Zelle verbrannten Amad Ahmad sollen wieder aufgetaucht sein. Anwälte gehen von Verschleierung aus.

NRW-Innenminister Herbert Reul auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf

Steht im Fall Amad Ahmad in der Kritik: NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) Foto: Federico Gamberini, dpa

BOCHUM taz | Im Fall des monatelang zu Unrecht inhaftierten und in seiner Zelle in der JVA Kleve verbrannten Kurden Amad Ahmad haben Anwälte mit massiver Skepsis und heftiger Kritik auf Erklärungen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) reagiert, dass für die Aufklärung entscheidende Daten doch nicht verschwunden seien.

Entweder gebe es beim LKA „niemanden, der in der Lage ist, einen Datensatz aufzurufen“, schreiben die Anwälte Sven Tamer Forst und Eberhard Reinecke, die die Familie des Toten vertreten. Oder die Informationen wurden in der ViVA-Datenbank der nordrhein-westfälischen Polizei „tatsächlich gelöscht“, danach aber „auf irgendeine Art und Weise rekonstruiert“. Dann aber sei „die Integrität des Datensatzes in keiner Weise sichergestellt“.

Für die Aufklärung des Falls, um die sich auch ein Untersuchungsausschuss des Landtags bemüht, könnte das massive Folgen haben – schließlich werfen Forst und Reinecke Reuls Beamten vor, „im ganzen Verfahren nicht mit dem Ziel agiert zu haben, die Wahrheit herauszufinden“. Stattdessen solle verhindert werden, „dass konkrete Verantwortlichkeiten in der Polizei aufgeklärt“ werden.

Auch die IT-Expertin Annette Brückner, welche die Anwälte unterstützt, sagt: „Am Protokoll über die Bearbeitung des Datensatzes ist manipuliert worden.“ Damit könne derzeit nicht nachvollzogen werden, wer die Daten zu Amad Ahmad mit Informationen über einen per Haftbefehl gesuchten Mann aus Mali vermischt und damit dafür gesorgt hat, dass der vor dem syrischen Assad-Regime Geflohene mehr als drei Monate in Haft saß.

Innenminister Reul vollzieht Kehrtwende

Für Aufregung hatte deshalb ein aufgetauchtes Schreiben des LKA an die ermittelnde Staatsanwaltschaft Kleve gesorgt. „Bei der Vorbereitung der Berichterstattung habe ich festgestellt, dass Daten des Personendatensatzes des […] im Landesbestand ViVA gelöscht wurden“, heißt es darin schon mit Datum vom 21. Januar 2021. Auch in der Bundespolizeidatenbank INPOL sei „der Datenbestand“ über Ahmad gelöscht. „Das ist auch aus unserer Sicht bedauerlich, weil dies Nährboden für Verschwörungstheorien der Opposition ist“, erklärte selbst der Obmann der CDU-Regierungsfraktion im Untersuchungsausschuss, Oliver Kehrl.

Innenminister Reul aber vollzog am Mittwochabend vor Pfingsten eine überraschende Kehrtwende. Zumindest in der NRW-Datenbank ViVA seien alle Informationen zu Amad Ahmad noch vorhanden, erklärte Reul in einer Fragestunde des Landtags. Am Donnerstagabend stand der CDU-Mann auch dem U-Ausschuss Rede und Antwort – auf Beschluss von CDU und FDP allerdings in nichtöffentlicher Sitzung. Aufgrund eines Löschmoratoriums seines Ministeriums seien die Daten gesichert, so Reul. Nur „im Auskunftsteil“ der ViVA-Datenbank seien sie nicht mehr sichtbar gewesen, habe das LKA in einer „zweiten Stellungnahme korrigiert oder richtiggestellt“.

Opposition findet Vorgang „sehr ärgerlich“

Vertretern der Opposition aber liegt diese zweite Stellungnahme noch nicht vor. „Sehr ärgerlich“ sei, dass Reul die Abgeordneten tagelang nicht informiert habe, sagt SPD-Fraktionsvize Sven Wolf. Das sorge erneut für „viel Verunsicherung“. Auch der grüne Abgeordnete Stefan Engstfeld findet Reuls Vorgehen „sehr merkwürdig“. Offenbar wisse der Minister schon seit Februar, dass die Daten doch nicht gelöscht sein sollen – und habe den Untersuchungsausschuss, die Staatsanwaltschaft und die Öffentlichkeit trotzdem nicht informiert.

Auch die Zusicherung des Christdemokraten, der Untersuchungsausschuss verfüge über alle nötigen Informationen, betrachtet Engstfeld mittlerweile skeptisch. „Was für den Untersuchungsausschuss relevant ist, beurteilt am Ende Reuls Ministerium.“ Die Anwälte Forst und Reinecke gehen noch einen Schritt weiter: Sie fordern, „Sachverständige und Polizeidienststellen aus anderen Bundesländern“ zu beteiligen – denn die unterlägen „nicht der politischen Weisung des Innenministeriums NRW“.

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