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Geleakte Dokumente zum G7-PolizeieinsatzCodewort Zauneidechse

Kurz vor dem G7-Gipfel tauchen Polizeidokumente vom Einsatz 2015 auf. Mit Codewörtern für den Ernstfall und wie mit Protesten umzugehen ist.

Friedlicher Sternmarsch von Garmisch aus zum G7-Gipfel nach Elmau im Juni 2015 Foto: Christian Mang

Berlin taz | Es war nur ein kurzer Beitrag, der am Wochenende auf dem linken Onlineportal Indymedia erschien. „Vertrauliche Dokumente zum G7-Gipfel aufgetaucht“, hieß es dort. Gemeint war der von 2015 im bayrischen Elmau. Es gehe um Einsatzhandbücher, Sicherheitsbereiche, Protokollstrecken und „viele Polizeitaktiken“. Dann folgten Links zu den internen Polizeidokumenten, die insgesamt mehrere Hundert Seiten umfassten.

Tatsächlich bestreiten Sicherheitsbehörden nicht, dass die veröffentlichen Dokumente authentisch sind. Für sie kommt der Leak zur Unzeit: In wenigen Tagen, am Sonntag, startet der nächste G7-Gipfel erneut im Fünf-Sterne-Luxusressort in Elmau. Und wieder wird es einen Polizeigroßeinsatz geben, mit höchsten Sicherheitsstufen und 18.000 Einsatzkräften.

Wer hinter dem Leak steckt, ist bisher unbekannt. Auch weiß man nicht, wie die Polizeidokumente erlangt werden konnten. Diese umfassen detaillierte Informationen zum Polizeigroßeinsatz 2015 in Elmau – der sich in ähnlicher Weise am kommenden Wochenende wiederholen dürfte. Benannt werden vorgesehene Zahlen der Einsatzkräfte, auch Namen der Einsatzführer samt Handynummern oder Funkkanäle. Aufgeführt wird, wie Sperrzonen vor allem rund um das Tagungshotel Elmau mit „lückenloser Kontrolle“ gesichert werden sollen. Oder mit welchen Erkennungsworten die Polizei einen Anschlagsfall ausrufen würde („Schneesturm“) oder mit welchem Code sich Zivilkräfte zu erkennen geben sollen („Zauneidechse“).

Vor allem aber drehen sich die Dokumente darum, wie mit Gegenprotesten umzugehen ist. Es bestehe eine „hohe abstrakte Gefährdung“ des Gipfels, wird in den Unterlagen gewarnt. Bürgerliche und autonome Proteste könnten sich vermischen. Zu rechnen sei mit Sachbeschädigungen und Brandstiftungen, mit Blockaden von Zufahrtswegen, Störungen von Veranstaltungen und „gewaltsamen Auseinandersetzungen von Demonstranten mit der Polizei“. Gewaltbereite Störer sollten deshalb „frühzeitig identifiziert“ und Gewahrsamnahmen für sie geprüft werden. Gesucht werden solle auch nach Erd- und Baumdepots. Gesondert aufgeführt wird, wie mit Flashmobs umzugehen ist, mit Protestclowns (erst ausschließen, wenn sie Störungen verursachten) oder mit Sprengstofffunden.

Joachim Hermann reagiert gelassen

Insgesamt werden die Polizeikräfte in den Dokumenten allerdings angewiesen, kommunikativ und „deeskalativ“ aufzutreten. Denn: Es werde eine „nahezu allgegenwärtige Dokumentation polizeilicher Maßnahmen“ durch Medien und private Handyvideos geben. Dazu erfolgen praktische Hinweise, etwa ein Verbot von privaten Handys, ein Rauchverbot im innersten Sicherheitsbereich und auch die besondere Beachtung des Naturschutzes.

Die Schreckensszenarien von 2015 lösten sich am Ende in Luft auf: Die Teilnehmerzahlen an den damaligen Protesten blieben überschaubar, bis auf eine kurze Straßenblockade blieb alles im angemeldeten Rahmen, Gewalt gab es nicht. Und auch diesmal sind größere und militante Proteste nicht zu erwarten.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reagierte gelassen auf die geleakten Polizeidokumente. Die Polizei werde diesmal sicher vieles ähnlich wie 2015 machen – „aber auch vieles anders“, erklärte er. Für den aktuellen Einsatz sei der Leak „nicht kritisch“. Am Montag wollte sich zudem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Eindruck von den Sicherheitsmaßnahmen vor Ort machen. Auch sie wird wohl Fragen zu dem Polizeidaten-Leak beantworten müssen.

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10 Kommentare

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  • Taucht in den Dokumenten tatsächlich die Kausalbeziehung zwischen erwarteter medialer Beobachtung und Anweisung zum deeskalativen Verhalten auf?

  • 3G
    32051 (Profil gelöscht)

    Womit die Linksextremisten, die das auf Indymedia hochgeladen haben, unfreiwillig belegt haben, dass es eben keine "besondere Willkür" gegen sie gibt.



    Auch wenn sie das gerne in ihr Narrativ eingepflegt hätten..

    Solang die Gegendemos friedlich bleiben, bleiben es auch die Behörden.

    Eigentlich ein fairer Deal.

    • @32051 (Profil gelöscht):

      So sieht's aus.

      Wer mit Sturmhaube, Wechselkleidung und verklebten Fingern anreist, ist halt von vornherein auf Stress aus. Der sollte von der breiten Masse an Demonstranten Instant rausgeworfen werden. Verstörend, dass dies iwie nie passiert.

      • @Wonneproppen:

        Damit sind die 18000 Polizisten gemeint, oder? Wer sich die mal ansieht weiß, WER hier auf Gewalt aus ist.

        Mal zu den Kosten: die Polizisten sind übrigens schon seit Anfang Juni da (war zufällig im Urlaub in der Nähe). Jemand eine Ahnung, was dieser vierwöchige Urlaub uns Steuerzahler kostet?

        • 3G
          32051 (Profil gelöscht)
          @Jalella:

          Die Polizei hat ein Gewaltmonopol. Linksextremisten haben keines. Benehmen Sie sich, und alles ist Gut. Ende der Diskussion.

        • @Jalella:

          Ohne linksextreme Gewalttäter a la G20, Rote Flora, Frankfurt EZB oder Leipzig Connewitz wären wieviele Polizisten nötig? 20 zum Verkehr umleiten?

          Brennen doch jetzt schon Polizeiwagen in München.

      • @Wonneproppen:

        Wer im Sommer bei über 30°C Wechselkleidung dabei hat schwitzt auch vielleicht einfach...

        • @Andreas Maschler:

          Und mit den Steinen im Rucksack trainiert er nur den Rücken und die Sturmhaube ist zum Virenschutz. Schon klar.

  • Geht doch ganz klar auf das Konto von Angela Merkel. und Entourage. Sie hat es auch blendend geschafft, dass die Medien sie kaum konstruktiv, kenntnisreich, korrekt, konkret kritisiert haben. Sonst sähe die Welt heute anders aus und Putin hätte nicht Abermilliarden von Deutschland zu seiner Hochrüstung bekommen. Da wäre nachhaltiger, vorausschauender, weniger naiv und blauäugig gehandelt worden. Nur ein Beispiel: Ihre Entschuldigungsorgie kurz vor Ostern letztes Jahr war eine subtile Lüge, ohne dass diese von den Medien als solche sofort erkannt worden wäre. Noch ein bisschen Nachhilfe: Es saßen die MPs mit Merkel zusammen und haben eine "Ruhepause" über Ostern beschlossen, die dann zurückgenommen wurde. Es ist eine grandiose Lüge, wenn eine Person meint, die Schuld für alle auf sich nehmen zu müssen. Umso verlogener, da Merkel nur noch wenige Monate im Amt war, also nichts mehr zu verlieren hatte, was offensichtlich viele Schreibende so nicht erkennen konnten.

    • @Sarg Kuss Möder:

      Merkel hat zum G20 hunderte Polizisten verletzt und dutzende Autos der kleinen Bürger abgefackelt?