Gekipptes Vorkaufsrecht bei Immobilien: Schmerzhafte Schelle
Das Bundesverwaltungsgericht hat das kommunale Vorkaufsrecht für Immobilien in Innenstadtlagen gekippt – und damit Mieter*innen weiter geschwächt.
E inen Umzug in Berlin oder München kann man sich eigentlich nur noch ab einem Richtergehalt leisten. Vielleicht lässt sich so erklären, warum das Bundesverwaltungsgericht das kommunale Vorkaufsrecht faktisch gekippt hat – und damit eine der letzten wirksamen Schutzmaßnahmen für Mieter*innen in von Wohnungsnot geplagten Städten abgeschafft hat. In der kurzen Begründung des Gerichts dazu heißt es lediglich, dass man einem Investor nicht automatisch unterstellen könne, dass dieser künftig gegen soziale Standards handeln wird. Wie realitätsfern kann man eigentlich sein?
Natürlich kaufen Immobilienunternehmen Häuser in Innenstadtlagen mit der Aussicht auf saftige Rendite. Und im konkret verhandelten Fall gibt es dafür sogar unmissverständliche Belege. Die Käufer*innen hatten niemals die Absicht, den Wohnraum im Sinne des Milieuschutzes und damit der Mieter*innen zu bewirtschaften: Eine Verpflichtung auf soziale Ziele lehnte die klagende Wohnungsfirma ausdrücklich ab, indem sie sich weigerte, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Erst dann dürfen Kommunen, Gemeinden und Bezirke überhaupt das Vorkaufsrecht ziehen.
Nach dem Leipziger Urteil müssen Städte und Mieter*innen der Verdrängung weiter tatenlos zuschauen. Nach dem im April vom Verfassungsgericht gekippten Berliner Mietendeckel ist das die nächste schmerzhafte Schelle für Menschen ohne Immobilieneigentum und mit Durchschnittseinkommen.
Entsprechend schockiert äußerten sich Politiker*innen aus Landes- und Kommunalpolitik, die viel Zeit und Energie in eine sozial gerechtere Wohnungspolitik stecken. Ihre Fassungslosigkeit ist Ausdruck ihrer beschnittenen Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort. Und für Mieter*innen bleibt es folgenlos, dass sie progressive Parteien in kommunale Verwaltungen oder Parlamente gewählt haben, wenn diese angesichts der drängendsten sozialen Frage unserer Zeit ohnmächtig sind und wirksame Regelungen auf der Bundesebene weiter blockiert werden – bisher von der CDU, bald wohl von der FDP.
Der Berliner Mietendeckel scheiterte ebenfalls auf Bundesebene, obwohl er angesichts der Wohnungsnot im Bundesland eine demokratische Mehrheit hat. Das ist dysfunktionaler Föderalismus. Inwiefern mit der FDP in einer Ampelkoalition eine Reform des Baugesetzes oder wirksamer Mieter*innenschutz machbar sein soll, ist angesichts dieser Bund-Länder-Schieflage überaus fraglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid