Gegen Sternchen und Doppelpunkte: Anti-Gender-Ini nimmt erste Hürde
16.000 Unterschriften sammelte die Volksinitiative, die Gendern in der Hamburger Verwaltung verbieten will. Die CDU wurde vom CSD ausgeladen.
Vor dem Rathaus waren zur Übergabe gut 40 Mitstreiter erschienen. Mitinitiatorin Sabine Mertens sagte der taz, es gehe ihrer Initiative nicht darum, etwas zu verbieten, sondern darum, „dass die Regeln eingehalten werden“. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat kürzlich festgestellt, Wortbinnenzeichen wie das Sternchen, der Doppelpunkt oder der Unterstrich gehörten „nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie“, anders als etwa die Konstruktion „Bürger/-innen“.
Mertens kritisiert, das Gendern lasse die Sprache zerfallen und spalte die Gesellschaft. Ihre Initiative setze sich für eine Gemeinschaftssprache ein. Die Sprache müsse auch allgemeine Aussagen ermöglichen, bei denen spezifische Merkmale keine Rolle spielten.
Wenn gegendert werde, diene die Sprache nicht mehr der Verständigung, sondern der Gesinnungsprüfung. „Das ist im Grunde eine permanente Demonstration“, sagt Mertens. Sie erinnere das an Sprachregelungen der DDR wie „antifaschistischer Schutzwall“ für die Mauer. Im Übrigen verbiete es sich, einfach in eine über Jahrhunderte gewachsene Grammatik einzugreifen.
Anti-Gender-Ini: Unterstützung mit Tücken
Dem Argument, durch das Gendern schärfe sich das Bewusstsein für gesellschaftliche Ungerechtigkeit, kann sie nichts abgewinnen. „Das hat den Effekt, dass die Leute eher dicht machen“, sagt sie und verweist auf Umfragen, nach denen die meisten Deutschen das Gendern skeptisch sehen. Diesen Skeptikern hat sich auch die Hamburger CDU angeschlossen. 3.000 Unterschriften haben die Christdemokraten der Initiative beigesteuert.
Diese Unterstützung erwies sich PR-technisch als problematisch, nachdem das Hamburger Abendblatt Mertens mit Aussage, „dass sich normalerweise Männer und Frauen zum jeweils anderen Geschlecht hingezogen fühlen“, zitierte. Alles andere wäre demnach also anormal. Mit aus Sicht von Mertens fatalen Folgen: „Wenn wir nun alle schwul, lesbisch und trans werden sollen, dann ist die Evolution zu Ende.“ CDU-Fraktionschef Dennis Thering erklärte die Aussage im März für inakzeptabel.
Das hinderte die beiden Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph de Vries und Christoph Ploß nicht daran, weiter Unterschriften zu sammeln. Für die Organisatoren des CSD, der unter dem Namen Hamburg Pride läuft, passt das nicht zusammen: Erst wünsche der Landesvorsitzende im CSD-Magazin per Anzeige „Happy Pride“ und melde Interesse an der CSD-Demo an – und dann überreichten de Vries und Ploß mit Medien-Tamtam die Unterschriften „für die homo-und transfeindliche Anti-Gendern-Initiative“.
Dazu komme, dass sich der Landesparteitag gegen das Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen habe. Das von der rot-grün-gelben Bundesregierung geplante Gesetz soll es erleichtern, den Geschlechtseintrag zu ändern. Es soll das in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, das in dem Glauben eingeführt wurde, dass trans Menschen „krank“ seien.
Klare Haltung gefordert
„Wir appellieren an die CDU, sich endlich klar zu positionieren und zu hinterfragen, wofür sie eigentlich steht“, postete Hamburg Pride auf Instagram. Mit ihrem widersprüchlichen Verhalten sei die CDU auf dem CSD am 5. August nicht willkommen. „Der CSD ist eine Demonstration der Akzeptanz und Gleichstellung und wir erwarten, dass nur Organisationen teilnehmen, die diese Werte aktiv vertreten und fördern“, heißt es auf der Plattform.
Die CDU reagierte verschnupft. „Die Intoleranz der Veranstalter des CSD ist bedauerlich“, sagte Fraktionschef Thering der Hamburger Morgenpost. Die Partei hätte sich gerne mit einem Wagen an der Parade beteiligt. Leider ende die Toleranz einiger Mitglieder von Hamburg Pride, sobald es über einzelne Maßnahmen zur Erreichung der gemeinsamen Ziele Meinungsverschiedenheiten gebe.
„Mit derlei Aktionen verspielt man alles, wofür sich die liberalen Kräfte in der CDU einsetzen“, kommentierte der Bürgerschaftsabgeordnete Sandro Kappe. Das sei traurig, aber CDU-Bashing sei eben populär.
Sabine Mertens zeigte sich der taz gegenüber bestürzt über die Ausladung der CDU. „Es trifft mich ins Herz“, sagte sie. „Man kann sich doch für LGBTQI* einsetzen, ohne dass man gendert.“ Politisch ergebe die Ausladung keinen Sinn.
Im nächsten Schritt prüft der Senat die von Mertens und ihren Mitstreitern eingereichten Unterschriften. Kommt die Volksinitiative daraufhin zustande, kann die Bürgerschaft den damit verbundenen Gesetzentwurf beschließen. Tut sie es nicht, führt der Senat auf Antrag ein Volksbegehren durch, das im Erfolgsfall in einen Volksentscheid mündet.
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