CDU vom CSD ausgeladen: Früher war alles schlechter
Die CDU darf bei der Parade zum Christopher Street Day nicht mitmachen. Richtig? Oder muss die Partei dabei sein, weil sie einst viel finsterer war?
In den queeren Communitys war das die Meldung des Tages: Der Berliner CSD e. V. schließt die Regierungspartei von der Teilnahme an der Parade von Lesben, Schwulen und anderen Nichtheterosexuellen Ende Juni aus. Und zwar ausdrücklich nur, so Robert Kastl, Geschäftsführer des Vereins, der die Demonstration seit gut zehn Jahren inhaltlich wie logistisch organisiert, „die CDU – nicht die LSU“, also die Homoabteilung dieser Partei.
Die LSU darf auf dem Christopher-Street-Day-Umzug am 22. Juni also einen eigenen Wagen führen, die Gesamtpartei jedoch nicht. Der Grund ist simpel: Man wolle, sagt Kastl, der LSU als einem Teil der queeren Community die Selbstrepräsentation erlauben, einer Partei wie der CDU als solcher hingegen nicht. Denn, so sagte es der Geschäftsführer, das Homodepartment der Konservativen kämpfe um eine nichthomophobe Partei, die CDU selbst sei jedoch nicht satisfaktionsfähig.
Aber hat sich diese Partei unter Kanzlerin Angela Merkel nicht von einer gewissen exklusiv-hetero-bekennenden Partei zu einer Organisation gewandelt, in der eine Politikerin wie Erika Steinbach nur noch ein Standing als Exotin genießt? Kastl sagt: „Man kann Parteien nicht dauernd daran messen, dass sie früher ganz finster waren und es nun etwas weniger sind.“
Die Statements von Politikern wie CDU-Fraktionschef Volker Kauder und anderen haben die Organisatoren bewogen, die CDU auszuladen. Die Gunst des Paradenpublikums bekomme nur, wer sich grundsätzlich zu einer Politik der Sexual Diversity bekenne. Die CDU also nicht.
Verstörte Community
Die politische Community ist nun verstört – und am meisten der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD). Der protestierte gegen die Entscheidung, weil die CDU als verfassungtragende Partei gerade in der Parade motiviert werden könne, die letzten Schritte auf Homosexuelle zuzugehen.
Der strategische Modus ist ein klassischer: Gehe auf den Gegner zu, rede ihn schöner, als er ist – und verführe ihn so, deine eigenen Ziele zu übernehmen. Das ist üblich bei Vereinen, die sich strikt mit allen gut stellen wollen – in der Friedensbewegung appellierte die Deutsche Kommunistische Partei auch ständig an die CDU, sich für Abrüstung einzusetzen. Oder in puncto LSVD: Dieser belobigte kürzlich noch den Berliner Bischof Woelki für eine Äußerung, wonach dieser, sinngemäß, Homosexuelle auch für okaye Menschen hält.
Diese als boshaft zu interpretierende Ausladung ist nur zu begrüßen: Die Geste erinnert daran, dass Vertreter der CDU gern in Homokontexten wahlkämpfen, aber konkret politisch vor der Heteromajorität in ihrer Partei kuschen – jedenfalls meist. Nie war der Berliner CSD e. V. politischer. Gut so!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier