Gefahrengebiete werden verkleinert: Nur noch halbe Gefahr
Hamburgs Polizei reduziert die Kontrollzonen räumlich und zeitlich. Die Opposition will sie ganz kippen, Bürgermeister Scholz verteidigt sie.
HAMBURG taz | In weiten Teilen Hamburgs können BürgerInnen sich wieder unbehelligt auf die Straße wagen. Die Hamburger Polizei hat am gestrigen Donnerstag das vor einer Woche verhängte großflächige Gefahrengebiet in etwa halbiert. Verdachtsunabhängige Kontrollen unbescholtener BürgerInnen dürfen jetzt nur noch zwischen 18 und 6 Uhr im Umfeld der drei Polizeikommissariate 15, 16 und 21 im Schanzenviertel, auf St. Pauli und in Altona-Altstadt stattfinden (siehe Karte).
Allerdings sind auch die neuen Grenzen großzügig geschnitten: Das gesamte Schulterblatt um die Rote Flora sowie fast die ganze Reeperbahn rund um den zentralen Spielbudenplatz stehen weiterhin unter verschärfter Kontrolle der Polizei. Sie werde aber auch im ehemaligen Gefahrengebiet „verschärfte Präsenzmaßnahmen fortsetzen“ und die Lage „kontinuierlich bewerten“ kündigte die Polizei am Nachmittag an.
Das Gefahrengebiet war als Reaktion auf schwere Krawalle seit in den vergangenen drei Wochen eingerichtet worden. Dadurch sei es gelungen, schwere Straftaten zu unterbinden, teilte die Polizei mit. Bei Kontrollen wurden Feuerwerkskörper, Schlagwerkzeuge und Vermummungsgegenstände sichergestellt. Mehr als 800 Menschen waren überprüft worden, etwa 190 Aufenthaltsverbote ausgesprochen und 13 Platzverweise erteilt. Zudem wurden fünf Menschen vorläufig festgenommen und 65 in Gewahrsam genommen.
Zuletzt war es in den Nächten zu Mittwoch und Donnerstag zu mehreren spontanen Aufzügen gekommen. An die 1.000 Menschen aus dem linken Spektrum demonstrierten gegen das Gefahrengebiet. Ein Passant sei von einem Stein getroffen worden, ein weiterer Stein sei gegen ein Fahrzeug der Polizei geflogen, zudem gab es vereinzelte Böllerwürfe. 17 Personen wurden in Gewahrsam genommen.
Scholz hät Entscheidung der Polizei für richtig
Start: Das am 3. Januar verfügte Gefahrengebiet in Hamburg war das größte seiner Art in Deutschland.
Rechtsgrundlage: Seit 2005 dürfen solche Gebiete eingerichtet und dort alle Bürger verdachtsunabhängig kontrolliert werden.
Befugnis: Im Gesetzestext heißt es: „Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur Verhütung der Straftaten erforderlich ist.“
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hatte die Einrichtung des Gefahrengebietes noch am Donnerstag in der Bild-Zeitung verteidigt. „Ich halte die Entscheidung der Polizei für richtig“, sagte er. Der Staat müsse für die Sicherheit der Bürger sorgen. Die Notwendigkeit der Maßnahme werde aber täglich überprüft, sie könne beschränkt oder aufgehoben werden, so Scholz. Grüne, FDP und Linke hingegen haben das Vorgehen kritisiert und als „unverhältnismäßig“ bezeichnet.
Die Grünen wollen das Gefahrengebiet im Parlament kippen. In einem am Donnerstag vorgelegten Antrag für die Bürgerschaftssitzung am 22. und 23. Januar fordern sie, die Verbotszone sofort aufzuheben. „Für das von uns geforderte Bündnis gegen Gewalt ist die Errichtung des Gefahrengebietes kontraproduktiv“, betonte der grüne Fraktionschef Jens Kerstan. „Wir brauchen weder Sonderzonen und noch martialische Töne.“ Nach Ansicht der grünen Innenexpertin Antje Möller „fehlt auch für die drei neuen Gefahrengebiete die Begründung einer konkreten Bedrohungslage“. Das Thema bleibe für die Grünen „selbstverständlich aktuell“.
Das Zurückrudern der Polizei sei „ein Erfolg des kreativen Protests in Hamburg und der vernichtenden Kritik aus dem ganzen Bundesgebiet“, glaubt die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider. „So eine exzessive und unkontrollierbare Maßnahme darf sich nie wiederholen.“
Auf eine Mehrheit in der Bürgerschaft dürfen die Kritiker allerdings kaum hoffen. Es ist damit zu rechnen, dass SPD und CDU diesen Antrag mit breiter Mehrheit ablehnen werden.
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