piwik no script img

Gefährlicher SUV-BoomWenn der Fahrer schon Neunjährige übersieht

Die Höhe von Neuwagen nimmt laut einer Studie in der EU jährlich um einen halben Zentimeter zu. Das gefährde Passant:innen, sagen die Autor:innen.

Hohe Hauben machen es wahrscheinlicher, Menschen eher unter die Räder geraten Foto: Priyanshu Singh/rtr

Berlin taz | Die durchschnittliche Höhe der Motorhauben von Neuwagen in der EU nimmt jedes Jahr um einen halben Zentimeter zu. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag im Auftrag des Lobbyverbands Transport and Environment (T&E) veröffentlichte Studie. Hohe Motorhauben gefährdeten zunehmend die Verkehrssicherheit, kritisieren die Au­to­r:in­nen und fordern eine EU-weite Höhenbeschränkung für Neuzulassungen ab 2035.

Laut der Studie hat sich die Durchschnittshöhe von 2010 bis 2024 von 76,9 auf 83,8 Zentimeter erhöht. Verantwortlich dafür sei der stark gestiegene Anteil an SUVs unter den Neuwagen.

Je höher die Motorhaube, desto wahrscheinlicher werden schwere Verletzungen bei einer Kollision mit Fußgänger:innen. Liegt der Aufprallpunkt des Fahrzeugs über der Hüfte, kommt es schneller zur Schädigung lebenswichtiger Organe, heißt es in der Studie. Außerdem steige die Wahrscheinlichkeit, dass Fuß­gän­ge­r:in­nen nach einem Frontalaufprall unter das Fahrzeug gelangen und überfahren werden.

Höhere Abgaben für schwere Autos

Bei dem höchsten zugelassenen Auto, dem Pick-up Dodge RAM TRX mit einer Messhöhe von 1,32 Metern, kann der Fahrer ein neunjähriges Kind nicht mehr erkennen, wenn es direkt vor dem Fahrzeug steht, schrei­ben die Autor:innen. Gerade bei Einpark- und Abbiegesituationen stellen die toten Winkel eine wachsende Gefahr dar.

Die für die Verkehrssicherheit optimale Höhe wäre hingegen zwischen 60 und 75 Zentimetern, heißt es. Hier liegt der Aufprallpunkt zumeist auf den Beinen; statt überfahren zu werden, fällt der Angefahrene über die Motorhaube weg am Fahrzeug vorbei.

Aktive Assistenzsysteme wie automatische Notbremsen können die Gefahr zwar reduzieren, aber nie komplett ausschließen. Gerade bei schlechtem Wetter würden viele Systeme nicht zuverlässig funktionieren, so die Autor:innen. Eine gesellschaftliche Notwendigkeit für hohe Autos gebe es dagegen nicht.

Deswegen empfiehlt T&E, bis 2035 eine Obergrenze von 85 Zentimetern einzuführen. So hätte die Industrie ausreichend Zeit. Außerdem sollten Kommunen und Städte auf schwere und hohe Autos höhere Abgaben erheben, etwa bei Parkgebühren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Für die Vertiefung in die Problematik und auch das Verständnis der Notwendigkeit einer gut "gerüsteten" Forensischen Medizin als Disziplin auf der Seite von Opfer und Recht:



    "Here we present a case of a fatal road traffic accident, in which a woman was seen hooked to a sport utility vehicle (SUV) and dragged along a road for some kilometers. Forensic pathologists were called not only to establish cause, manner and time of death, but also to reconstruct the dynamics with particular attention to the potential co-occurrence of failure to provide assistance."



    /



    Quelle



    www.sciencedirect..../S1344622321001279

  • Wir brauchen doch garnicht darüber zu lamentieren.



    Der Abgasskandal hat doch mehr als eindrücklich gezeigt, dass sich die Autoindustrie ALLES rausnehmen kann.

    Das Verkehrsmittel, das in Sachen Unfallhäufigkeit ganz weit oben steht darf ganz unumwunden mit dem Argument der Sicherheit werben.



    Und mit dem Slogan "Spaß am Fahren". Ganz wie vor hundert Jahren.

  • Wenn man den Artikel liest, fragt man sich warum der so ungenau recherchiert ist. Da schreibt jemand einen Artikel ohne auch nur den Hintergrund zu verstehen! Hauptsache SUV bashing.



    Wie kommt man auf die Höhe 85cm? Das Problem mit den Unfällen sind nicht nur SUV sondern in viel höherem Ausmaße , die Lieferwägen für Paketdienste etc. Deren Höhe war schon immer auf dem Niveau von über 85 cm. das Problem ist also nicht das Lieferfahrzeug an sich , sondern der enorm steigende Anstieg der Lieferfahrzeuge und noch mehr ihre jährliche Kilometerleistung. seit 2020 hat sich die Kilometerleistung der Liefer-und Paketdienste vervierfacht. Wenn man also die tödlichen Fussgänger Unfälle mit PKW ins Verhältnis zu den angemeldeten PKW zahlen setzt, sieht man das immer weniger Fussgänger durch PKW getötet werden. Wenn das gleiche Spiel mit Lieferdienstfahrzeuge bis 3.5 to rechnet, sieht man dass die steigende Anzahl auch die Unfälle mit Fußgänger mit Todesfolge steigen lässt. durch die ständig steigende Fahrleistungen steigen die Todesfälle noch stärker. die 85 cm Empfehlung kommt aus dem LKW bis 3,5to. Aber da kann man kein SUV Bashing betreiben. Aber dann fehlt dem Autor ja der Klassenfeind

  • Wenn für die Sicherheit eine Höhe von 60 - 75 cm angebracht ist, dann sollten wir das als Zulassungsbedingung ansehen.

  • Der Vergleich mit dem hierzulande höchst seltenen Pick-up Dodge RAM TRX (unter 100 Fahrzeuge in Deutschland) ist mehr als fragwürdig, zumal es sich nicht um ein SUV handelt, sondern um einen Monster-Pick-up und bezüglich dieses Fahrzeugtyps kann ich auf deutschen Straßen keinen Boom erkennen ...

  • Die Verkehrstoten und Schwerverletzten durch Protzkarren sind scheinbar notwendige Menschenopfer, die dem Götzen Auto gerne dargebracht werden...!

  • Die Menschen werden immer größer, das ist ein positiver Nebeneffekt unserer Entwicklung.



    Die Menschen werden auch immer breiter, das ist ein negativer Nebeneffekt unserer Entwicklung.



    Die Menschen werden immer älter, das ist wiederum ein positiver Nebeneffekt unserer Entwicklung.



    Größere Menschen brauchen mehr lichte Höhe, dickere Menschen mehr Raum generell und ältere Menschen eine komfortable Einstiegshöhe um mit zunehmenden Alter ihre Mobilität beizubehalten.



    Also wachsen die Autos mit ihren Benutzern🤷‍♂️



    Wir leben im 21. Jahrhundert. Wir brauchen keine Beschränkung für Motorhaubenhöhen. LKWs fahren längst mit Rundumsensoren, Kameras. Das funktioniert bestens.



    Auch Autos haben längst Parksensoren und Rückfahrkameras und die neueren Modelle parken selbstständig ein und haben Frontkameras für automatisches Bremsen und zur Erkennung von Geschwindigkeitsbegrenzungen🤷‍♂️👍



    Es ist wahrlich kein Hexenwerk Autos wie LKW mit elektronischen Rundumhelfern auszustatten. Selbst die Mehrkosten sind überschaubar, da für die bestehende Technik Kameras längst verbaut werden.



    Sensoren am besten gepaart mit automatischem Bremsen muss das Ziel sein, nicht ein paar Zentimeter weniger Motorhaube.

    • @Farang:

      Sie können die Fahrphysik nicht überlisten.



      Bremsen kann man nur wenn noch genügend Zeit ist.

      Anderenfalls muss man den Schaden minimieren.



      Den Gesamtschaden natürlich. Also innen und außen.

      Aber der Autoindustrie geht es natürlich nicht um Schadensminimerung (bestes Beispiel sind die "Stoßfänger") sondern um Umsatzmaximierung.

      Zu Lasten.von uns allen.

    • @Farang:

      Genau weil Elektronik niemals Fehler macht. Weiß jeder der von elektronischen Geräten umgeben ist, einmal gekauft funktionieren sie immer einwandfrei .

    • @Farang:

      "Also wachsen die Autos mit ihren Benutzern"

      Das ist ein schlechtes Argument und stimmt nicht einmal. Die meisten SUVs haben weniger Innenraumvolumen als ein Kombi.

      • @fourorty:

        "Also wachsen die Autos mit dem Ego ihrer Benutzer."

        So wir dein Schuh d'raus.

  • Der Punkt ist eben, daß die- oder derjenige, die oder der unter die Räder kommt, allenfalls mal zur Familie gehörte, aber nur unter ganz besonders dummen Umständen die- oder derjenige war, die bzw. der hinter dem Lenkrad säße - und schließlich bestimmte, welche Karre her mußte, um die Nachbarn vor Neid erblassen zu lassen.

    • @dtx:

      So weit denkt kein Autofahrer, das sieht man ja schon an der Gurtpflicht, noch immer sind es mindestens 5% die ihn nicht anlegen, bei den toten PKW Insassen stellen diese Gurtmuffel aber 25%. Die denken nur an die eigene Bequemlichkeit und nicht an ihre Hinterbliebenen.

  • Unfassbarer Wahnsinn!



    Und potentielle Tötungsmaschinen für alle die sich nur einen Kleinwagen, insbesondere oft auch junge Menschen bzw. Fahranfänger, leisten können.........

  • Die Maße generell nehmen in allen Dimensionen zu.

    Höhe selbstverständlich, dann die Breite, welche bereits vereinzelt 2,40m erreicht (z.B. ein Ford Super Duty), die Länge mit dem Radstands eines Sprinters, ein Dodge Ram 1500 erreicht bis zu 7,50m Länge bei 5,20m Radstand. Den Fahrern in Deutschland interessiert es übrigens nicht, wenn inklusive Zuladung das Gewicht dieser Monster 3,5 Tonnen bald überschreitet. Fahren ohne Fahrerlaubnis ist Volkssport.

    Ein Linienbus ist auf 2,55m beschränkt, aber PKWs dürfen wohl breiter und breiter werden. Ich bin immernoch der Meinung, dass auch andere Arten von Fahrzeugen breiter werden dürfen, und zwar jene für den ÖPNV.

  • Weswegen empfiehlt T&E, bis 2035 eine Obergrenze von 85 Zentimetern einzuführen?



    Wo doch die optimale Höhe bei maximal 75 cm ist?

    • @R.I.P.:

      "if bonnet height in vehicles produced after a certain date was limited to 85 cm, it would help protect almost all females and offer at least some protection for children from the age at which most will be walking independently. Put another way, the more the height of the bonnet exceeds 85 cm, the more adults and children are at greater risk"

      hat man wohl als akzeptablen Kompromiss gesehen.