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Gedenken an NS-Opfer im Osten EuropasEin Mahnmal, das kaum einer will

Die Linksfraktion fordert in Berlin ein zentrales Mahnmal für Opfer des NS-Vernichtungskrieges im Osten. Die anderen Parteien sind unentschlossen.

Jan Korte (Archivfoto): „Die Kriegsverbrechen im Osten waren keine Überschreitung“ Foto: dpa

Berlin taz | Die Linksfraktion möchte in Berlin ein zentrales Mahnmal für Opfer des NS-Vernichtungskrieges im Osten errichten, zudem ein Dokumentationszentrum über den rassistischen Terror der Nazis von Polen bis Russland.

Jan Korte (Linkspartei) begründete dieses Projekt am Donnerstag im Bundestag: Die Kriegsverbrechen im Osten waren keine Überschreitung, sondern der Kern des Krieges der Nazis, dessen Ziel die Versklavung der slawischen Völker war. Zugleich sind die Opfer, von den drei Millionen Rotarmisten, die als Kriegsgefangene der Wehrmacht starben, bis zu den Hungertoten der Blockade in Leningrad, im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent, sagte Korte.

Elisabeth Motschmann (CDU) nannte die Millionen Toten des „Rassenkrieges“ eine „hart betroffene Gruppe“. Vor spärlich besetztem Auditorium warnte sie vor „zunehmendem Antisemitismus“. Das hatte mit dem Antrag der Linkspartei, der auf vergessene nichtjüdische Opfer zielt, wenig zu tun. Der Antrag berge, so Motschmann, die Gefahr, „Opfergruppen zu hierarchisieren“. Dabei ist es eher andersherum. Millionen nichtjüdischer Opfer des NS-Krieges stehen in der Hierarchie des öffentlichen Bewusstseins ganz unten. Der Linkspartei-Antrag versucht dies zu ändern.

Marianne Schieder, bayerische Sozialdemokratin, plädierte dafür, sich wenig beachteten Opfergruppen wie Kriminellen und Zeugen Jehovas zuzuwenden und ihrer in einer Wanderausstellung zu gedenken. Die Tatsache, dass von Griechenland bis zum Baltikum systematisch getötet wurde, müsse in Erinnerung bleiben. Die Idee der Linksfraktion überzeuge sie nicht, warum, das war Schieders Rede nicht zu entnehmen.

Leichte Skepsis bis Standard-Argument

Etwas begründeter klang die Skepsis bei Helge Lindh (SPD), der zweifelte, ob ein Mahnmal für alle NS-Opfer in Osteuropa nicht „das Lebensraumdenken der Täter übernimmt“. Ähnlich argumentierte der Grüne Erhard Grundl, der es für falsch hält, polnischer, ukrainischer, russischer und baltischer Opfern mit Blick auf aktuelle Konflikte gemeinsam zu gedenken. Korte widersprach dem energisch: Ein solches Mahnmal würde Ethnisierungen der Opfer ja gerade vermeiden.

Marc Jongen (AfD) führte abermals vor, warum die Rechtspopulisten erinnerungspolitisch nicht ernst zu nehmen sind. Der Antrag der Linkspartei sei heuchlerisch, weil „die deutschen Opfer“ nicht erwähnt würden – das Standard-Argument der deutschen Rechten, um sich das Thema vom Leib zu halten. Die Linkspartei wolle zudem kommenden Generationen in Deutschland „ein tiefes Schuldbewusstsein einpflanzen“, damit, so die leicht paranoide Wendung, Deutschland „offenes Siedlungsgebiet für Mi­granten werden kann“.

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20 Kommentare

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  • In der DDR, UdSSR, nach 1989 PDS, heute Linkspartei war das Gedenken an die Vernichtung Millionen kriegsgefangener Rotarmisten durch die Deutsche Wehrmacht als Vollziehender Gewalt in erobert besetzten Gebieten der UdSR lange ein Tabu. Denn wer sich in Kriegsgefangenschaft begab, galt der siegreichen Rotarmee als Verräter. Auffällig: Das Nürnberger Kriegsverbrecher Tribunal 1946/47 blieb frei von Anklagen gegen den Generalstab Deutscher Wehrmacht als kriegsverbrecherischer Vereinigung, die strategisch begründet, die Vernichtung von Millionen Rotarmisten, 1 Million Bürger*nnen, Kinder in Leningrad zu verantworten hatte.

    Aus dem geheim mIlitärischen Widerstand der Abwehr Wilhelm Canaris, Hans von Dohnanyi, Dietrich Bonhoeffer, Martin Niemöller gegen Hitler, Gruppe um Hitler Attentäter Oberst Stauffenberg, gibt es in Nachlässen keinen Hinweis auf Unterstützung offensiv öffentlichen Aufrufs "Weißer Rose" Geschwister Scholl 1943 gegen Kriegsverbrechen Deutscher Wehrmacht durch Aushungern Millionen kriegsgefangener Rotarmisten oder deren Auslieferung an die SS zur Zwangsarbeit "Vernichtung durch Arbeit" in KZs. Ganz im Gegenteil.



    Noch 2007 meint späterer Bundespräsident Joachim Gauck als Moderator wiedereröffneten Ausstellung "Verbrechen Deutscher Wehrmacht" Hamburger Institut Sozialforschung (HIS) auf meine Frage, warum Generalstab nicht zur verbrecherischen Vereinigung erkärt wird: "Och nee"



    Insofern stößt Jan Kortes Antrag im Bundestag dieser Opfergruppe ein Mahnmal in Berlin zu errichten auf Packeis Kalten Krieges, unter dem das Bewusstsein der Völkergemeinschaft hinsichtlich menschenwürdigen Umgangs mit Politischen und Kriegsgefangenen bis heute eingefroren schlummert, s. Guantanamo, CIA Geheingefängnisse ivon Pakistan, Afghanistan, Sudan bis Polen in nach Nine Eleven01. Man spricht in asymmetrischen Kriegen, in denen kaum noch Gefangene gemacht werden, wenn, nicht mehr von Kriegsgefangenen sondern interniert sich selber rechtlos stellenden Kämpfern.

    • @Joachim Petrick:

      "In der DDR, UdSSR, nach 1989 PDS, heute Linkspartei war das Gedenken an die Vernichtung Millionen kriegsgefangener Rotarmisten durch die Deutsche Wehrmacht als Vollziehender Gewalt in erobert besetzten Gebieten der UdSR lange ein Tabu."

      Das ist schlicht falsch. Ich habe mindestens ein Dutzend Bücher aus der DDR in denen diese Verbrechen angeprangert werden.

      "Das Nürnberger Kriegsverbrecher Tribunal 1946/47 blieb frei von Anklagen gegen den Generalstab Deutscher Wehrmacht als kriegsverbrecherischer Vereinigung, die strategisch begründet, die Vernichtung von Millionen Rotarmisten, 1 Million Bürger*nnen, Kinder in Leningrad zu verantworten hatte."

      Auch falsch. Anklageschrift lesen.

      "Aus dem geheim mIlitärischen Widerstand der Abwehr Wilhelm Canaris..."

      Canaris war kein Widerstandskämpfer.

      Sie sollten dringend mal zur Geschichte recherchieren, bevor Sie zum Rundumschlag ansetzen.

      Mit Gauck haben Sie allerdings Recht. Dem sind die Verbrechen der Wehrmacht im Osten mindestens egal.

  • Wer mal einen Eindruck davin bekommen möchte, wie auch jenseits der Kämpfe an den Fronten, in den besetzten Gebieten, besonders im Osten, gezielt und systematisch eine Vernichtungspolitik gegen die Zivilbevölkerung betrieben wurde: Christian Gerlach: "Kalkulierte Morde".

  • So ganz ist es noch nicht verinnerlicht, dass der 2. Weltkrieg als deutscher Angriffskrieg schon ein Verbrechen war und noch viel mehr und gerade im Osten als geplanter und durchgeführter Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung. In diesem Sinne war war dann eben auch jede Beteiligung an diesem Krieg verbrecherisch und ich vermute, dass dieser Gedanke derjenige ist, der Widerstand erzeugt.

  • Die an jedem 27. Januar durchgeführte GEDENKSTUNDE ZUM TAG DES GEDENKENS AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS, die auch in der taz verkürzt als "Holocaust Gedenkstunde" bezeichnet wird, zeigt m.E. das Problem der Reduzierung der Nazi Verbrechen, die insbesondere auch die Menschen in Osteuropa betrafen. Ich vermute, dass der Widerstand gegen ein entsprechendes Mahnmal auch etwas mit der Restitution des Russland Feindbildes zu tun hat.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Man erinnere sich an alle Menschen, die durch Nationalsozialisten als "Untermenschen" bezeichnet, behandelt und, wenn greifbar, vernichtet wurden.



    Um zu verstehen, was Rassismus bewirkt, ist es wichtig, diese letzte, damals bereits massenhaft vollzogene Konsequenz zu kennen. Mit geschichtlicher Kenntnis ist jedes aktuelle Denken in die gleiche Richtungen zu bewerten - auch von jedem für sich selbst.



    Jeder Erinnerungsort jenseits der aktuell angestrebten, reinen Konsumöffentlichkeiten ist wichtig.

  • Gegen ein solches Mahnmal würde ja grundsätzlich nichts sprechen. Ich frage mich aber schon, wie es wohl aussehen würde. Hoffentlich nicht so betont unaufdringlich und unauffällig wie es für die deutsche Mahnmal-Kultur typisch zu sein scheint. Kürzlich war ich zum ersten Mal in meinem Leben in Berlin und habe dort unter anderem das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas besucht. Sicher kann man argumentieren, dass dessen äusserst zurückhaltende Gestaltung mit dem runden Wasserbecken würdevoll sei und zur Besinnung anrege. Aber das Leid, der Schmerz der Opfer kommt darin meines Erachtens überhaupt nicht zum Ausdruck. Ein Mahnmal sollte doch kein unverbindliches Teichlein sein, an dem man besinnlich vorbeiläuft, sondern die Betrachtenden treffen; unangenehm, auch schmerzhaft zu betrachten sein. Dazu braucht es meines Erachtens, auch wenn es nicht dem Zeitgeschmack entsprechen mag, wohl eine Portion Naturalismus - wie sie Alfred Hrdlicka in seinem "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus" in Wien eingebracht hat, oder Schang Hutter in seiner stärker abstrahierten und doch mit ihrer im Eisenwürfel gefangenen Menschengestalt unmittelbar treffenden "Shoah"-Skulptur.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Also ich kann erst einmal nicht sehen, was gegen diesen Vorschlag sprechen sollte.

    Es geht ja nicht um eine Hierarchisierung der Opfer, sondern um das Gedanken an Opfer, derer bisher nicht gedacht wurde.

    Dem Holocaust ist aufgrund seiner Einzigartigkeit und als wichtigster Bestandteil des Nationalsozialismus meines Erachtens so zu gedenken wie bisher.

  • Elisabeth Motschmann (CDU) nannte die Millionen Toten des „Rassenkrieges“ eine „hart betroffene Gruppe“.

    Wenn man bedenkt, dass die Nazis wesentlich mehr Slawen, als Juden ermordet haben, fragt man sich, was Frau Motschmann wirklich über den Holocaust denkt. Das Gleiche wie Herr Gauland?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Was soll die rhetorische Frage, die sich nicht auf Fakten stützt. Können Sie Motschmans Warnung zur Hierachisierung von Opfergruppen nicht annehmen? Was denken Sie wirklich über den Holocaust?

      • @Rudolf Fissner:

        "Können Sie Motschmans Warnung zur Hierachisierung von Opfergruppen nicht annehmen?"

        Nein. Verharmlosungen kann ich nicht ausstehen. Weder beim Holocaust, noch bei anderen Opfern es Vernichtungsfeldzuges der Nazis.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Ich weiss nicht warum es gerade jetzt hochkommt. Will die Linke im Hinblick auf 30 Jahre Wiedervereinigung von SED-Verbrechen ablenken?

    Sonst, ist es aus meine Sicht einen diskutierbaren Idee wenn ich auch zu der Meinung von Frau Lindh der SPD tendiere.

    • @87233 (Profil gelöscht):

      "Ich weiss nicht warum es gerade jetzt hochkommt. "

      Traurig. Haben Sie nicht mitbekommen, dass sich das Ende der Hungerblockode gegen Leningrad zum 75. Mal jährt? Allein diese hat ca. 1.000.000 in D vergessene Opfer gefordert.

      • 8G
        87233 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        LoL. Müssen wir auf eine Jubiläum warten um einen Zeichen zu setzen?



        Warum nicht beim 70. Mal? Oder 60. Mal?????

        • @87233 (Profil gelöscht):

          Müssen wir nicht. Aber es ist ein guter Anlass, um auf ein Jahrzehnte altes Versäumnis hinzuweisen.

          PS: LoL ist in diesem Zusammenhang absolut unangebracht. Oder ist das Ihre allgemeine Einstellung zu toten Russen?

    • @87233 (Profil gelöscht):

      Klingt eher wie eine AfD Verteidigung.

      Die DDR war genauso wie die NS Zeit. Millionen Menschen im KZ, unzählige Menschen in der Gaskammer ...

      Ich weiß nicht warum man die DDR mit der NS Zeit gleichzetzen muss, ausser natürlich man will Nazideutschland verharmlosen.

      Auch sehe ich zurzeit keine Diskussion über die SED verbrechen, von der man ablenken könnte.

      Naja aber Totschlagargumente brauchen keine Begründung.

      • 8G
        87233 (Profil gelöscht)
        @Sascha:

        Ho ho ho. Wann hat die Linke sich jemals mit die SED-Verbrechen auseinandergesetzt?



        Fehlanzeige.



        Der Hauptgrund warum die AFD in Ost-Deutschland so stark geworden ist, ist dass es viel zu wenig dort überhaupt mit der Vergangenheit auseinandergesetzt wurde.



        Es ist die SED zu verdanken dass es eine AFD gibt wie sie heut dasteht, und die Linke macht einfach weiter wie gehabt?

        • @87233 (Profil gelöscht):

          Sie verallgemeinern instrumentativ. Es gibt nicht „die Linke“. Es gibt DIE LINKE, SPD, Grüne und diverse andere.



          Die Auseinandersetzung mit der DDR Vergangenheit ist gegegen, von links der AfD bis in die Linkspartei hinein.

        • @87233 (Profil gelöscht):

          Die größte Wählerzahl für die AfD rekrutierte sich in Bayern.



          Dank SED?



          LOL

          • @Trabantus:

            Die größte Wählerzahl relativ oder absolut? ;-)

            BTT(!): Ich fände ein solches Mahnmal gut. Wichtig ist natürlich, WIE es ausgestaltet und begründet wird und WIE auch eine entsprechende Wanderausstellung präsentiert würde. Aber darüber kann man ja reden.