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Gedenkdemo für Maria B.Ermittlungen eingestellt

Vor sechs Monaten wurde Maria B. von Polizist:innen in Berlin-Friedrichshain erschossen. Eine Demo verlangt trotz Einstellung des Verfahrens Aufklärung.

Vor dem Wohnhaus in Friedrichshain wo Maria erschossen wurde sind Blumen und Kerzen niedergelegt Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Exakt ein halbes Jahr ist es her, dass Maria B. in Friedrichshain von Polizisten in ihrer Wohnung erschossen wurde. Am Freitag soll eine Gedenkdemo am Boxhagener Platz um 17 Uhr an den Tod der 33-Jährigen erinnern. „Gemeinsam wollen wir der Opfer tödlicher Polizeigewalt gedenken“, heißt es in einem Demo-Aufruf zum „Anlass der Ermordung von Maria B. durch die Polizei“.

Maria B. war eine von vielen wohl psychisch erkrankten Personen, die von der Polizei erschossen wurde. Häufig stellen sich in diesen Fällen Fragen, inwiefern die Polizei deeskalierender hätte vorgehen müssen – zu Anklagen gegen Beamt:innen kommt es dennoch in den wenigsten Fällen.

Die Ermittlungen gegen die beteiligten vier Polizisten sind laut Staatsanwaltschaft mittlerweile eingestellt. Offene Fragen bleiben für die Demonstrierenden dennoch viele: Vor allem linke Initiativen bezeichneten den Tod der 33-Jährigen als Mord.

Ihr Mitbewohner hatte in der Nacht zum 24. Januar die Polizei gerufen, weil B. aggressiv gewesen sei und ihn mit einem Küchenmesser bedroht habe. Als die Polizei eintraf, hatte B. sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Obwohl sich Maria B. im psychischen Ausnahmezustand befunden haben soll, hat die Polizei keinen psychiatrischen Notdienst gerufen.

„Situationen regeln, ohne dass Menschen sterben müssen“

Vier bewaffnete Beamte sollen direkt ihre Tür aufgebrochen und Maria B. erschossen haben, als diese mit einem Messer in ihrem Zimmer stand und sich damit auf die Polizisten zubewegt haben soll. B. soll polizeibekannt gewesen sein, unter psychischen Problemen und multipler Sklerose gelitten haben. Sie wog wohl weniger als 50 Kilogramm. Maria B. war wohl auch in der linken Szene aktiv, in ihrem Flur sollen Antifa-Flaggen gehangen haben.

Im Demoaufruf heißt es, dass viele Berufsgruppen regelmäßig mit Messern konfrontiert seien: „Sozialarbeiter:innen, Pfleger:innen, Tür­­steher:innen. Diese Menschen haben nicht die Möglichkeit und (...) den Willen ihr Gegenüber zu erschießen.“ Trotzdem seien diese in der Lage, solche „Situationen zu regeln, ohne dass Menschen dabei sterben müssen“. Zudem gebe es in Berlin sozialpsychiatrische Dienste, welche die Polizei dazu hätte rufen können, um die Situation zu entschärfen.

Laut Staatsanwaltschaft wurden die Ermittlungen bereits im Februar wieder eingestellt. Die vier beschuldigten Polizist:innen hätten in Notwehr gehandelt. Die vorsätzliche Schussabgabe sei gerechtfertigt gewesen. Erkenntnisse zu psychischen oder physischen Vorerkrankungen oder Drogeneinfluss hätte es nicht gegeben. Rechtsmittel könnten gegen die Einstellung des Verfahrens nicht mehr eingelegt werden.

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16 Kommentare

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  • Das Problem ist, dass die Polizei den Auftrag hat das Gewaltmonopol durchzusetzen. Das wird so interpretiert, dass sie jede Person, die sie antrifft besiegen muss. Entweder man bleibt "ruhig" wehrt sich also nicht oder man wird zur Kapitulation gezwungen.

  • Den Zusammenhang zur "linke Szene" und Antifa sehe ich da nicht. Das ist konstruiert. Vielleicht war sie auch Briefmarkensammlerin oder Bienenzüchterin.



    Der Zusammenhang wurde auch nicht dargelegt. Diese Erwähnung halte ich also für überflüssig.

    Asmus Finzen, Professor für Sozialpsychiatrie, und Wissenschaftspublizist ( de.wikipedia.org/wiki/Asmus_Finzen) hat solche Vorfälle wie die im Artikel beschrieben unabhängig von der Hautfarbe untersucht.

    Er kommt in einem lesenswerten Artikel zum Problem zu dem Schluss ( www.finzen.de/pdf-...olizeischuesse.pdf ), dass "Polizisten [...] im Umgang mit „normalen“ Kriminellen, auch Gewaltkriminellen, geschult" sind, nicht aber im Umgang mit gestörten Menschen.

    Sie sind geschult im Verhalten mit nicht psychisch gestörten Menschen. "Wenn sie sich Menschen gegenüber sehen, die sich verhalten wie psychisch gestörte Menschen, ist an der Situation plötzlich nichts mehr normal. [...] Er [der Täter] wird von seiner inneren psychosebedingten Fehlwahrnehmung der Realität getrieben, sich zur Wehr zu setzen; da greift er zu einem „Verteidigungswerkzeug“, das zur Hand ist – fast immer einem Messer, eher selten einem Hammer mit einer Axt. Weil er von seiner Verfolgungsangst, seinem Wahn oder seinen Halluzinationen getrieben ist, kann er bei der Konfrontation mit der Polizei auch nicht reagieren wie ein „gewöhnlicher“ Straftäter. Er ist von Panik gelähmt; und je mehr Einsatzkräfte anrücken, und je näher sie ihn kommen, desto furchtbarer wird die Situation für ihn – und desto gefährlicher für ihn und seine Kontrahenten."

    Finzen fordert daher in solchen Situationen, "weil der psychisch kranke Mensch in dieser Situation nicht besonnen handeln kann" mehr Besonnenheit von Seiten der Einsatzkräfte.



    Es muss eine bessere Schulung von Polizisten für den Umgang mit solchen Situationen erfolgen.

    Es muss eine bessere Schulung von Polizisten für den Umgang mit solchen Situationen erfolgen.

    • 0G
      09968 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      'Den Zusammenhang zur "linke Szene" und Antifa sehe ich da nicht. Das ist konstruiert.'

      Na da kann ich Dir etwas Durchblick verschaffen: Wenn vier Polizisten zu so einem Einsatz im Flur an Antifa-Fahnen (oder linken Postern o.ä.) vorbei gehen, haben die i.d.R. ein klares Feindbild vor Augen.



      Und dann steht da jemand mit nem Messer in der Hand da... sorry, aber meine umfangreiche Lebenserfahrung sagt mir, dass die Beamten nicht mehr in der Lage sind, ihren Feindbildern widersprechende Informationen aufzunehmen, wie z.B. dass die Person eine nur 45 kg leichte Frau in einem abgeriegelten Zimmer ist.

      Die Erwähnung ist also keineswegs überflüssig sondern weist auf ein entscheidendes Detail zur Beurteilung hin.

      Es ist genau dieses unreflektierte Agieren mit Feindbildern, in dem Rassismus oder Misogynie verankert sind. Die Lösung kann also nicht "bessere Schulung" sein. Ein Lösung wäre eine kritische Selbstreflektion, ggf. eine Psychoanalyse für Leute, denen man so viel Macht (als einzige, Gewalt ausüber zu dürfen) überantwortet.

      • @09968 (Profil gelöscht):

        "Na da kann ich Dir etwas Durchblick verschaffen: Wenn vier Polizisten zu so einem Einsatz im Flur an Antifa-Fahnen (oder linken Postern o.ä.) vorbei gehen, haben die i.d.R. ein klares Feindbild vor Augen."

        Ich denke, da haben Sie vor allem ihr Feindbild beschrieben.

        Haben Sie den Artikel von Finzen gelesen? Diese Fälle passieren immer bei Messerattacken. Die taz ist voll von solchen Berichten. Antifafahnen werden da und auch sonst wo nicht als gemeinsames Merkmal genannt. Ergo hat es auch in der Beschreibung des Falles nichts verloren. Gruppenbezogene Vorurteile sind kein Argument.

        Und für mysogyn halte ich ihre Einschätzung, dass 45 kg schweren Frauen mit einem Messer nichts zuzutrauen ist. Das Gewicht war nicht das Problem.

  • "Laut Staatsanwaltschaft wurden die Ermittlungen bereits im Februar wieder eingestellt"

    Immer und immer wieder: Deckel druff.

    Das ist das Problem. Nicht die Polizist*innen, die vor Ort waren, und die vermutlich heute noch (wenn sie keine kaltschnäuzige Soziopathen sind, wovon ich nicht ausgehe) leiden.

    Dass das Combo Polizei/Staatsanwaltschaft aber nicht bereit ist, in sich zu gehen und nachzufragen "was ist schiefgelaufen?", zum Schutz der Menschen da draussen -- aber auch zum Schutz der eigenen Beamt*innen -- das kotzt mich an.

  • Wie oft hat man, in den vergangenen Jahren, davon gelesen, dass die Polizei einen psychisch kranken “Gefährder“ erschossen hat? Häufiger Vorwurf: Die psychisch Kranken verhielten sich gegenüber der Polizei nicht rational. Erst Mitte dieses Monats wurde ein Psychiatrie-Patient in Bad Schussenried (Ba.-Wü.) von der Polizei erschossen.

  • Ich bin niemand, der das übliche Bullen-Bashing gutheißt, aber dieser Fall macht mich fassungslos.



    Wenn der Bericht stimmt, war die Frau bis zum Aufbrechen der Tür allein in ihrem Zimmer und hat niemanden gefährdet außer sich selbst.



    Wie schlecht müssen denn diese Polizisten ausgebildet sein, wenn keiner von vier Beamten auf die Idee kommt, Hilfe anzufordern. Ob das dann ein Psychologe oder das SEK gewesen wäre ist einerlei.



    Und wenn dann die Situation eskaliert durch die Unfähigkeit der Beamten, wieso schaffen es vier Beamte nicht, eine schmächtige Frau zu entwaffnen.



    Gibt es keine anderen Waffen als Pistolen, wie Taser oder Schlagstöcke ?



    Gibt es keine stichsichere Schutzkleidung ?



    Und ist die Schießausbildung so schlecht, daß von vier Beamten keiner fähig ist, einen nichttödlichen Schuß zur Ausschaltung einer Gefahr abzugeben.

    Ich schätze mal, das Verfahren wurde so schnell eingestellt, nicht um die betroffenen Polizisten zu schützen, sondern um die Polizeiführung und damit die politische Führung, die für den Ausbildungs- und Ausstattungszustand der Polizei verantwortlich ist, zu schützen.

    • @Don Geraldo:

      " ... sondern um die Polizeiführung und damit die politische Führung, die für den Ausbildungs- und Ausstattungszustand der Polizei verantwortlich ist, zu schützen."

      Für "Ausbildungs- und Ausstattungszustand " oder Personalmangel ist nicht die Polizeiführung verantwortlich.



      Es sind vor allem finanzielle Mängel also staatliche Stellen (in Berlin aktuell die RRG-Regierung) verantwortlich.

      Ich vermute aber mal, dass eine Aufstockung der Gelder für die Polizei dort gerade nicht angesagt ist. www.focus.de/polit...r_id_10167734.html

    • 0G
      04970 (Profil gelöscht)
      @Don Geraldo:

      Kommentar entfernt, bitte verzichten Sie auf pauschale Unterstellungen. Danke, die Moderation

      • 0G
        04970 (Profil gelöscht)
        @04970 (Profil gelöscht):

        Der entfernte Kommentar enthielt keine pauschale Unterstellung.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Don Geraldo:

      "Und wenn dann die Situation eskaliert durch die Unfähigkeit der Beamten, wieso schaffen es vier Beamte nicht, eine schmächtige Frau zu entwaffnen."

      Ein scharfes Küchenmesser ist eine letale Waffe und es gibt keinen garantierten "Griff" um jmd. zu entwaffnen. Ein Restrisiko besteht bei jeder Ausbildung. Eigenschutz geht vor. Filme lügen ;-)

      "Gibt es keine anderen Waffen als Pistolen, wie Taser oder Schlagstöcke ?"

      Nur der Taser wäre eine sichere Alternative, ist allerdings nicht für die Polizei zugelassen. Die GdP versucht meines Wissens die Taser zur Standard-Ausrüstung zu kriegen. Hier steht die Gefahr des übertriebenen bzw. leichtfertigen Einsatzes im Raum.

      "Gibt es keine stichsichere Schutzkleidung ?"

      Nicht für Gesicht/Hals/Oberschenkel. Außer die CRC Ausrüstung (bzw. Demo-Rüstung der Polizei). Die ist evtl. nicht Standardmäßig im Fahrzeug. Nicht jeder hat ne Kettenrüstung zuhause.

      "Und ist die Schießausbildung so schlecht, daß von vier Beamten keiner fähig ist, einen nichttödlichen Schuß zur Ausschaltung einer Gefahr abzugeben."

      Jeder Schuss kann tödlich sein. Insbesondere auf kurze Distanz bei einer mglw. unterernährten Person in einer psychischen Belastungssituation, die sich unvorhergesehen bewegt. Je nachdem wo die Frau getroffen wurde (Kopfschuss bspw. wäre eine Tötungsabsicht, Torso evtl. nicht)

      Das durch die geschlossene Tür ein Kontakt- und Deeskalationsversuch sinnvoller wäre, ist unbestritten. Das wäre die richtige Reaktion gewesen. Hier war KEINE Gefahr in Verzug. Die Polizisten sollten für derartige Situation dringend besser geschult werden.