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Gasumlage und SchuldenbremseKonfuse Signale der Ampel

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Hier eine neue Gassteuer, dort eine Steuersenkung: die Bundesregierung produziert Wirrwarr. Über wachsenden Groll darf sie sich nicht wundern.

Uniper-Zentrale in Düsseldorf: Die Ampel sendet konfuse Signale Foto: Federico Gambarini/dpa

D ie Verstaatlichung von Uniper ist die entscheidende Wende in der Debatte um die Energiepreise. Denn die Gründe für die Gasumlage haben sich damit in Luft aufgelöst – auch wenn Finanzminister Christian Lindner das nicht wahrhaben will und Wirtschaftsminister Robert Habeck ein bisschen daran festhält.

Die Umlage sollte Gaslieferanten wie Uniper vor dem Bankrott retten. Dieses Argument hat sich mit der Verstaatlichung erledigt. De facto ist die Gasumlage, die 34 Milliarden Euro bringen soll, und in eineinhalb Woche eingeführt wird, nun eine Zusatzsteuer, mit welcher der Staat seine Verluste finanziert. Das ist verfassungsrechtlich fragwürdig – und politisch konfus. Gleichzeitig senkt die Ampel die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent. Hier faktisch eine neue Gassteuer, dort eine Senkung – die Regierung produziert ein Wirrwarr von sich widersprechenden Signalen und halbgaren Instrumenten. Sie darf sich über wachsenden Groll nicht wundern.

In der Krise wäre verlässliche Führung gefragt. Das Krisenmanagement der Ampel hingegen wirkt konfus. Die Regierung setzte auf eine Gasumlage, die einseitig Gaskunden für die Energiepreise zahlen lässt, Geringverdiener extrem belastet und anfangs handwerklich so mies gearbeitet war, dass auch profitable Konzerne davon profitiert hätten. Sogar nach der Uniper-Verstaatlichung ist die Ampel nicht in der Lage, die Gasumlage zu beerdigen und schnell einen Gaspreisdeckel ­vorzulegen.

Das größte Hindernis für eine ratio­nale, effektive Bekämpfung der Krise sitzt in der Regierung selbst – und zwar in einer Schlüsselposition: im Finanzministerium. Lindner erweckt den Eindruck, alles in Schutt und Asche fallen zu lassen, wenn nur die Schuldenbremse bleibt. Denn ohne Gasumlage muss ja der Staat zahlen – und das darf nicht sein. Vielleicht sind Lindners kryptische Einlassungen die Vorbereitung für seinen Abschied von der Schuldenbremse. 2023. In Trippelschritten und in Zeitlupe. Zeit aber ist ein Luxus, den diese Regierung nicht hat.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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11 Kommentare

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  • Aus FDP-Sicht logisch, Belastungen für die Verbraucher und Steuersenkungen für die reichen. Läuft.

  • Naja, das sind halt alles Schönwetterkapitäne. Solange die See ruhig ist, und die Matrosen tun was sie sollen klappt alles irgendwie. Aber wenn ein Sturm kommt und Sachverstand und Führungskraft notwendig werden, dann läuft das Schiff halt aus dem Ruder. Habeck ist ein Dampfplauderer ohne Substanz der nur reden aber nicht handeln kann, Lindner ebenfalls, Baerbock hält sich zurück denn wer wenig macht, macht kaum Fehler usw.

  • Die FDP - insbesondere der Finanzminister - betreiben konsequenteste Klientelpolitik!



    - Tankrabatt : nutzt hauptsächlich den Gutverdienern !



    - geplante Steuer"entlastung" : Wird wiederum hauptsächlich den Gutverdienern nutzen !



    - Schuldenbremse : Geldmaschine für die - bekanntermaßen meist teureren - privaten Investitionsmaßnahmen !



    (FDP-Mantra: Privat vor Staat ! ...um jeden Preis!)



    PS: Die Sanktionen gegen Russland wurden "nicht !" von den Gasheizungs-Haushalten beschlossen, die daraus resultierenden explodierenden Gaspreise wären also ehrlicherweise Gemeinschaftskosten !!!



    In der Koalition wackelt von Anfang an der Schwanz mit dem Hund !!!

  • Das konfuse Handeln lässt sich mit den von vorne bis hinten nicht passenden wirtschafts-, steuer- und finanzpolitischen Rechtsrahmen und -verordnungen erklären, die schon ohne Krise regelmäßig politische Zielkonflikte offengelegt und ideologischen Streit ausgelöst haben. So langsam wird selbst den Chefideologen des Neoliberalismus deutlich, dass die Liberalisierung der Märkte nur unter Laborbedingungen funktioniert. Trotzdem wird daran festgehalten, weil es für sie selbstverständlich ist, dass jenseits des Labors immer jemand für die Irrtümer aufkommen und zahlen muss, damit das neoliberale Kartenhaus nicht komplett zusammenbricht.



    Die Schuldenbremse ist das optimale neoliberale Instrument, die Staatsausgaben dadurch zu reduzieren und zu begrenzen, dass möglichst jedes Staatseigentum privatisiert wird, woran private Investoren Interesse haben. Die gewinnträchtigen Teile des Eigentums der Bürger:innen müssen ihnen entrissen und in das Portfolio privater Investoren und Spekulanten umverteilt werden; bis zur nächsten (Krise) Rettungsrunde. Kaum dass Uniper verstaatlicht ist, verweist die FDP darauf, dass das Unternehmen wieder reprivatisiert werden wird.



    Energie, Gesundheits- und Bildungswesen, soziale Sicherungssysteme, Verkehrsinfrastrukturen ... gehören nicht in private Hände. Nicht nur, weil sie jährlich steigende Gewinnerwartungen haben. Sektoren der Daseinsvorsorge müssen aber keine Gewinne machen. Und falls sie doch anfallen, kommen sie den Bürger:innen zugute, die sie schließlich mit ihren Steuergeldern finanziert haben. Über Generationen hinweg!

  • Wenn Lindner beim Umdenken nur halb so viel Gas geben würde, wie mit seinem Porsche ...

    ... könnten wir rechtzeitig die Abkehr von der Schuldenbremse erleben.

  • Einer von diesem Kaliber wäre vielleicht hilfreich, von Makroökonomie versteht er wirklich etwas:



    //



    taz.de/Aussenminis...-Asmussen/!628556/



    //



    Was seit Jahrzehnten schon als Problem adressiert wurde: Viele Gesetzentwürfe werden in privaten Kanzleien vorgefertigt, da fehlt dann die Erfahrung ad hoc.

    • @Martin Rees:

      Von Lobbyismus zugunsten des grossen Finanzkapitals allerdings noch mehr:



      lobbypedia.de/wiki/J%C3%B6rg_Asmussen

      Und aus Wiki: Als mittelmäßig und nicht für hohe Aufgaben geeignet wurde einst Jörg Asmussen von seinem Vorgesetzten Heiner Flassbeck 1998 eingestuft.

      • @Yossarian:

        Klar doch, es war nicht die Person, sondern der Durchblick gemeint. Politisch kann man über seine Einstellung streiten, aber eine Karriere hat er dann doch trotz der angeführten Beurteilung gemacht.



        //



        www.tagesspiegel.d...chten-6345463.html

  • Viel schlimmer als das Verhalten der FDP (was hat man sich von denen schon erhofft) finde ich das verhalten der Grünen. Habeck wirk konfus. Von Baerbocks feministischer Außenpolitik ist nichts mehr zu sehen (bsp. Armenien), es werden Rüstungsgüter in Krisengebiete geliefert, und die Energiepolitik ist wie oben treffend beschrieben im besten Fall konfus.

    • @Sybille Bergi:

      Vielleicht ist Habeck auch einfach nur überfordert -- was aber angesichts der Situation normal ist. Der Rest der Bande verweigert ja geradezu die Arbeit. Oder sabotiert.



      Offenbar haben da auch in der Koalition mehr Gefallen daran, einen politischen Kontrahenten strampeln zu sehen als gemeinsam Probleme zu lösen. Lindner, Scholz: Job verfehlt. Da wäre der Rausschmiss eigentlich die Lösung.

      • @Libuzzi:

        Ich gebe ihnen Recht, Scholz auch unter aller Sau.