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Gasumlage ohne MehrwertsteuerLindner bittet um Hilfe

Der Finanzminister fordert die EU-Kommission auf, die Gasumlage von der Mehrwertsteuer zu befreien. Sonst gebe es keine Akzeptanz in der Bevölkerung.

Bei einer zu hohen Gasumlage könnte leicht die sogenannte Volksseele kochen Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Berlin rtr/taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner bittet die EU-Kommission um Erlaubnis, bei der neuen Gas­­umlage auf die Mehrwertsteuer verzichten zu können.

„Die Mehrwertsteuer auf von der Regierung verhängte Abgaben treibt die Preise nach oben und stößt auf zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung, besonders jetzt in der außergewöhnlichen Situation“, heißt es in einem Brief des FDP-Chefs an EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Lindner ergänzte, die Akzeptanz der Bevölkerung sei entscheidend.

Der Finanzminister hatte zuletzt gesagt, er wolle – wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) – keine Mehrwertsteuer auf die ab Oktober greifende Gasumlage erheben. Aber die Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU lasse das nicht zu. Gentiloni solle den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Möglichkeit geben, für eine begrenzte Zeit bei Energieabgaben die Mehrwertsteuer nicht erheben zu müssen, forderte Lindner nun.

Russland nutze Energie als Waffe und sei „kein verlässlicher Lieferant von Energie“, so der Minister. Seit Mitte Juni seien wichtige Gaslieferungen eingeschränkt. Deutsche Gasimporteure müssten deswegen hohe Sonderkosten stemmen, um aus anderen Quellen Gas zu beziehen und ihre Kunden noch bedienen zu können. Daraus ergäben sich hohe Verluste und das Risiko, dass systemrelevante Konzerne zusammenbrechen könnten.

Am Montag wird Höhe der Umlage bekannt

Die Bundesregierung hat deswegen eine Gasumlage beschlossen, deren genaue Höhe an diesem Montag veröffentlicht werden soll. Angekündigt ist eine Höhe zwischen 1,5 und 5 Cent je Kilowattstunde für Endverbraucher. Für einen vierköpfigen Haushalt könnte dies Zusatzkosten von bis zu 1.000 Euro im Jahr bedeuten – zusätzlich zu bereits erfolgten Preiserhöhungen.

Der Energiekonzern Shell kündigte am Sonntag an, kein Geld aus der geplanten Umlage einfordern zu wollen. Wie die Sprecherin von Shell Deutschland, Cornelia Wolber, am Sonntag mitteilte, registrierte sich das Unternehmen gar nicht erst für entsprechende Zahlungen und wird folglich auch darauf verzichten, diese in Anspruch zu nehmen. Das ZDF hatte zuvor berichtet.

Auch der Energiekonzern RWE will zunächst darauf verzichten. „RWE ist ein finanzstarkes und robustes Unternehmen. Wir erwägen daher, bis auf Weiteres darauf zu verzichten, unsere Verluste aus der Gasersatzbeschaffung für diese Umlage geltend zu machen“, hatte RWE-Vorstandschef Markus Krebber am Donnerstag in Essen gesagt.

Immerhin: Trotz deutlich reduzierter Lieferungen aus Russland sind die deutschen Gasspeicher wieder zu gut 75 Prozent gefüllt. Nach neuesten vorläufigen Daten der europäischen Gasspeicherbetreiber vom Samstagabend lag der Füllstand am Freitagmorgen bei 75,43 Prozent. Damit wurde das erste Speicherziel einer neuen Verordnung gut zwei Wochen früher als vorgeschrieben erreicht. Der Füllstand wird stets mit Verzögerung gemeldet.

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9 Kommentare

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  • "....Sonst gebe es keine Akzeptanz in der Bevölkerung"

    Als ob die Akzeptanz in der Bevölkerung die EU oder die Regierenden jucken würde. Also ich akzeptiere die Umlage NICHT -ob mit oder ohne MwSt

  • Bei der Gelegenheit sei der Hinweis darauf erlaubt, dass aktuell weitere Bundeswehr-Heimatschutz-Regimenter erichtet werden.

    Hat ja sicher nichts hiermit zu tun, ist aber vielleicht doch von Interesse ...

    www1.wdr.de/nachri...-muenster-100.html

  • Mir läuft schon wieder das Wasser vor Lachen die Wangen herab.

    Für wie dumm hält dieser Lindner uns eigendlich ?

    Wäre ja wohl ein Einfaches die Auszahlung an die Bedürftigen [also jetzt die Versager-Energiekonzerne und nicht die darbenden Bürger] um den USt-Steuer-Anteil zu vermindern [also quasi nur den Netto-Betrag auszuzahlen]

    Man könnte sicher auch wie beim Honig einen "Spezialsteuersatz" verhängen. [z.B. 0,1%]

    Aber viel wichtiger wäre, die Zahlungen vorbehaltlich einer späteren Wirtschaftsprüfung zu leisten.

    Wenn also Boni gezahlt werden oder Dividende wird der entsprechende Betrag zurückgefordert.



    Er dient ja schließlich zum Überleben und nicht zur Wohlstandsförderung.

    Aber was red' ich hier. Der liebe Lindner hat das ja sicher in den Gesetzestexten berücksichtigt, nicht wahr ?

  • Nicht nur Geringverdienende und RentnerInnen würde damit nicht geholfen - bis zu einem Drittel der Haushalte hat keine Finanzpolster, um die gestiegenen Energiekosten aufzufangen.



    www.nd-aktuell.de/...ringverdiener.html

    LINKE fordert Wintergeld:

    " Zur Abfederung der hohen Energiepreise und der Inflation hat Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ein staatliches »Wintergeld« vorgeschlagen. Es brauche »ein einmaliges Wintergeld gegen Inflation und explodierende Heizkosten: 1.500 Euro pro Haushalt plus 600 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied«, sagte Bartsch der Rheinischen Post (Sonnabend). Finanziert werden könne das durch eine Übergewinnsteuer und den »Einstieg in eine große Steuerreform«"



    www.jungewelt.de/a...intergeld-vor.html

    • @Brot&Rosen:

      Schon im Juni forderte

      "Die Chefin des SPD-Arbeitnehmerflügels, Cansel Kiziltepe, (...) wegen möglicher weiterer Gaspreisanstiege einen staatlichen Gaspreisdeckel für Privathaushalte. “Weder beim Wohnen noch bei der Energieversorgung können die Menschen etwas für die gestiegenen Preise”, sagte die Staatssekretärin im Bundesbauministerium"



      www.bsaktuell.de/d...reisdeckel/320367/

      Auch DGB und LINKE fordern den Gaspreisdeckel - der Rest der SPD und Grüne sperren sich immer noch.

      Mittlerweile fordert die LINKE auch noch einen Strompreisdeckel.



      www.berliner-zeitu...isdeckel-li.254393

  • Ist das jetzt die neue seriöse Finanzpolitik? Eine Umlage erheben, die nur funktioniert, wenn man gleichzeitig eine Steuer aussetzt?

  • Wenn Herr Lindner kreativ denken würde, dann hätte er die Gasumlage einfach anders konzipieren können: Der Verbraucher zahlt 16,7% weniger Umlage (inkl MWSt) und der Bund legt auf die Einnahmen aus der Umlage 20% aus (Mehrwert-)Steuereinnahmen dazu. So bliebe das Gesamtvolumen der Gasumlage gleich, der Bund «verzichtet» indirekt auf die MWSt, die aber zuvor korrekt und EU-konform erhoben wurde und für die Verbraucher würde es um ein sechstel günstiger, genau wie ohne MWSt.

  • RS
    Ria Sauter

    Es wird auch ohne MwSt. keine Akzeptanz da sein.



    Wie kann man mit solchen Personen in einer Regierung bleiben?



    Er verteidigt seine Gespräche mit dem Porscheboss während der Regierungsbildung.



    Jetzt gibt er den Retter des Volkes.



    Was oder wer blickt diesem Mann.morgens im Spiegel entgegen?

    • @Ria Sauter:

      ja, ich denke auch so. Die Frage ist, welche Leute finden er toll und warum. Welche Basis hat er noch?