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Ganzkörperverschleierung in DänemarkKonsens in Sachen Burkaverbot

Im dänischen Parlament gibt es eine Mehrheit für den Gesetzesvorstoß der Rechtspopulisten. Als Vorbild gilt das österreiche Verschleierungsverbot.

Eingang einer Kopenhageher Metro-Station Foto: imago / Dean Pictures

Stockholm taz | Eine genaue Statistik gibt es nicht. Aber nach aktuellen Schätzungen soll es in Dänemark eine Handvoll Frauen geben, die den Ganzkörperschleier Burka tragen und etwa 150, die sich mit dem Gesichtsschleier Nikab bekleiden.

Das wird ihnen demnächst verboten sein. Seit Freitag steht fest, dass es im dänischen Parlament eine Mehrheit für ein sogenanntes Burkaverbot gibt. Einem Gesetzesvorstoß der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei schlossen sich neben den Konservativen auch die rechtsliberale Regierungspartei Venstre und die oppositionellen Sozialdemokraten an.

2009 hatte ein solcher Gesetzentwurf auf der Tagesordnung des Folketing gestanden, wurde aber von der damaligen konservativen Regierung zurückgezogen. Es gab Bedenken wegen der Vereinbarkeit mit Verfassung und Europäischer Menschenrechtskonvention.

Seit der Menschenrechtsgerichshof in Straßburg aber Verschleierungsverbote in Frankreich und Belgien abgesegnet hat, wurde die Verbotsdebatte von den Rechtspopulisten wiederbelebt. Umfragen zeigen, dass 62 Prozent der DänInnen ein „Burkaverbot“ gut finden würden.

Österreich als Muster

Juristisch soll das Verbot in ein „Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz“ nach österreichischem Muster gepackt werden. Für kulturell oder traditionell veranlasste Maskierung soll es eine Ausnahmeregelung geben. Das Gesetz ziele auch gar nicht in erster Linie auf eine religiös veranlasste Bekleidung ab, sondern treffe die eigentlich eher „nebenbei“, versucht der Venstre-Fraktionschef Jakob Ellemann-Jensen den eigentlichen Gesetzeszweck zu verschleiern: „Es gilt ja in gleicher Weise auch für Ku-Klux-Klan-Kapuzen und vermummte Fussballhooligans.“

„Heuchelei“ kommentiert die linke Information. Und nicht einmal Ellemann-Jensens Parteifreundin und Ex-Umweltministerin Eva Kjer Hansen vermag solche Argumentation zu überzeugen. Sie kündigte bereits an, entgegen der Parteilinie gegen das Verbotsgesetz stimmen zu wollen: „Ich bin zwar absolut gegen die Burka und finde sie gehört zum frauenfeindlichsten, das es gibt. Ich halte es aber gleichzeitig für falsch, religiöse Fanatiker über unsere Freiheitswerte bestimmen zu lassen.“

Wie sich jemand kleide, sei allein dessen Sache, da habe sich der Staat nicht einzumischen. Und sie fragt: „Was außer einer Masse von Problemen soll ein solches Verbot eigentlich bringen?“

Die BefürworterInnen wollten als handlungskräftig dastehen und den WählerInnen suggerieren, etwas gegen die Integrationsprobleme zu tun, kommentiert die liberale Politiken. Auch wenn man tatsächlich nur reine Symbolpolitik betreibe – womöglich vor allem auf Kosten der betroffenen Frauen. Und das Blatt empfiehlt: „Aufklärung, Offenheit und Chancen statt Verboten, Strafen und Polizeiknüppeln.“

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11 Kommentare

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  • vielleicht überlegen die dän*innen sich das ja noch mal, wenn sie berichte wie diesen http://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5298693/Maskottchen-bestraft_Verhuellungsverbot_In-Wien-musste-ein-Hai lesen.

    wie's aussieht, werden im moment mehr radler*innen mit schal vorm mund angezeigt denn *burkas*.

    woran das wohl liegen mag?

    • @christine rölke-sommer:

      den Österreichern ist gelungen ein an sich sinnvolles Gesetz total zu verhunzen. So ist das eben, wenn Radikale Gesetze erlassen. Ziel ist weniger, ein Problem zu lösen, als vielmehr anderen eins auszuwischen.

  • Keine Toleranz mit den Intoleranten. Das war bisher die Linie. In einer demokratischen Gesellschaft muss Gesicht gezeigt werden.

     

    Der Vollschleier ist keine religiöse, sondern eine traditionelle Kleidung. Diese Tradition schadet unserer Gesellschaft. Das Burka-Verbot sollte daher auch bei uns und überall kommen.

     

    Absurde Argument, Frauen müssten ohne Schleier ganz zuhause bleiben, entlarvt sich als Reflex. Es gibt keine Garantie, Frauen mit Schleier dürften bei Salafisten an die Öffentlichkeit. Vielmehr ist es nur der Einstieg in eine andere Welt.

     

    Nach und nach kommt Sharia-Recht. Noch lässt sich das stoppen.

    • @mdarge:

      Also ich bin für die Vollverschleierung von überzeugten AFD&Co Anhänger_innen. Dann muss ich deren Visagen nicht ertragen ;)

    • @mdarge:

      in einer demokratischen gesellschaft muß pokerface gezeigt werden.

      und demnächst lassen sich etliche leutz die visage unmoperieren, damit das gesichtserkennungsprogramm ihr gesicht als ein unschuldiges erkennt. wallah!

  • Ja, im Grunde handelt es sich hier um ein Kultur- oder Religionsverbot, das eine winzige Minderheit trifft, damit eine Mehrheit sich geringfügig besser fühlen kann.

     

    Erwähnenswert vielleicht, daß die rechtsradikale Dansk Folkeparti bereits bei 20 Prozent liegt. Mit Burkaverbot und Anti-Migrationspolitik macht man die noch stärker, als sie bereits sind. Als Däne schämt man sich. Das sozial-liberale Vorzeigeland Dänemark gibt es nicht mehr. Es sind dort alle Dämme in Richtung Rechtspopulismus gebrochen.

     

    Gut, einen Artikel darüber in der taz zu lesen.

  • Eurozentristische Verachtung von Minderheiten.

    Die Frauen, die angeblich "befreit" werden sollen, werden nun lieber ganz zuhause bleiben.

    Große Gewinner sind dagegen die radikalen Salafisten. Sie werden es nun sehr viel leichter haben, Leute zu rekrutieren. Die schrecklichen Folgen werden die Menschen in Dänemark dann ausbaden müssen.

    Zum Glück lebe ich nicht dort.

    • @Linksman:

      Radikale Salafisten sind auch eine Minderheit.

       

      Soll man jetzt eine Burkapflicht für Frauen einführen, nur um Islamfaschisten nicht zu verärgern?

    • @Linksman:

      Bemerkenswerterweise badet in Dänemark niemand großartig. Die meisten IS-Kämpfer kommen aus dem liberalen Belgien. So manche Verbindung eines Terroristen ging auch nach Belgien, wo jeder machen kann, was er will.

       

      Das spricht gegen ihre These.

    • @Linksman:

      Ewig können diese Frauen sich nicht in ihrem Heim verstecken. Irgendwann muss jeder mal einkaufen oder glauben Sie etwa, dass die Salafisten dies ihren Frauen abnehmen werden?!

       

      Die Vollverschleierung ist eine schwachsinnige Modeerscheinung, die von Fundamentalisten mit falschen Interpretationen gerechtfertigt wird.

       

      Wie würden Sie eigentlich reagieren wenn ein Salafist Ihre Freundin zur Vollverschleierung aufruft?

    • @Linksman:

      Warum wird eigentlich Nudisten verboten, sich nakt in der Öffentlichkeit zu bewegen. Auch so eine Form der Verachtung einer Minderheit.