piwik no script img

Fußballnationalmannschaft der FrauenEinfach feiern!

Der 10:0-Erfolg der deutschen Fußballerinnen gegen Montenegro sagt wenig aus. Dafür spricht man im DFB-Team gern über die neue Innenverteidigerin.

Hat Spaß an ihrer neuen Rolle: Lena Oberdorf (Mitte) zeigt sich kompromisslos im Zweikampf Foto: imago images/DeFodi

Kassel taz | Applaus, Applaus! Nach gut einer Stunde war das Spiel für Giulia Gwinn vorbei. Die Arbeit der 20-jährigen Außenspielerin vom FC Bayern München war getan. Es stand 8:0 für die deutsche Fußballnationalmannschaft in diesem ersten Qualifikationsspiel für die Fußball-EM 2021. Die Gegnerinnen aus Montenegro konnten nicht wirklich mithalten an diesem heißen Mittag in Kassel.

Den 6.200 Zuschauern war das egal. Sie wollten einfach feiern. Zur schlechtesten Fußballzeit um 12.30 Uhr waren sie gekommen. Die übertragende ARD hatte keinen anderen Platz für dieses Fußballspiel gefunden und den DFB gebeten, doch mittags zu spielen. Nach der großen WM in Frankreich hatte sich der deutsche Fußball der Frauen gleich wieder ganz klein machen lassen.

Und doch war etwas geblieben von der WM-Stimmung. Giulia Gwinn, eine der Gewinnerinnen des Turniers, die vor dem Anpfiff ihre Auszeichnung als beste Nachwuchsspielerin der WM entgegengenommen hatte, wurde mit donnerndem Applaus verabschiedet, als sie ausgewechselt wurde. An ihrer anständigen, aber unauffälligen Leistung dürfte das nicht gelegen haben. Es war die WM, bei der sie sich ins Bewusstsein der Frauenfußballöffentlichkeit katapultiert hat.

Es war dann eben doch nicht alles schlecht in Frankreich. Das betonte auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und sprach nach dem Spiel davon, dass zu spüren sei, wie positiv die Entwicklung der Mannschaft doch in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde.

Am Ende stand es 10:0 für die Deutschen, die wissen werden, dass das Spiel selbst nicht allzu viele Rückschlüsse zulässt auf die internationale Konkurrenzfähigkeit des Teams – „bei allem Respekt“, wie Kapitänin und Dreifachtorschützin Alexandra Popp nach dem Spiel ebenso sagte wie Innenverteidigerin Sara Doorsoun. Was man über den Auftritt gegen das Gästeteam, das sich im ganzen Spiel keine fünf Mal über die Mittellinie getraut hat, sonst noch sagen kann? Martina Voss-Tecklenburg brachte es so auf den Punkt: Man habe Montenegro „respektvoll“ besiegt.

Der „Prozess“

Sie hat nach dem Spiel, wie sie es so oft tut, von dem „Prozess“ gesprochen, in dem sich das Nationalteam befinde, und davon, dass das WM-Turnier für die Entwicklung der Mannschaft, das mit dem Viertelfinalaus gegen Schweden doch recht früh zu Ende gegangen war, vielleicht zu früh gekommen ist.

Zu dem Prozess gehört gewiss die Integration der jungen Spielerinnen. Giulia Gwinn ist längst fester Bestandteil des Teams. Die 18-jährige Stürmerin Klara Bühl vom SC Freiburg durfte sich gegen Montenegro 90 Minuten im Sturm austoben und sich ihre ersten zwei Länderspieltore gutschreiben lassen. Und dann ist da noch die 17-jährige Lena Oberdorf von der SGS Essen. „Obi“, wie Voss-Tecklenburg sie nennt, soll für einen Platz in der Innenverteidigung aufgebaut werden. „Die Rolle gefällt mir gut“, meinte die Schülerin nach dem Spiel.

Kapitänin Popp hatte auf Fragen nach den Problemen bei der WM absolut keinen Bock

Das war ihr durchaus anzusehen. Nach ein paar frühen Fehlern im Passspiel fand sie schnell Sicherheit, machte Ansagen an ihrer Vorderfrauen und übernahm die Rolle der Spieleröffnerin. Der Auftritt und vor allem die Zukunft von „Obi“ waren das ganz große Thema nach dem Spiel. In Essen spielt sie meistens auf der Sechs vor der Abwehr. Doch ihr Vereinstrainer Markus Högner wolle sie, vor allem wenn schwere Gegnerinnen kommen, in der Innenverteidigung aufstellen, meinte Martina Voss-Tecklenburg.

In Zusammenarbeit mit dem Klub wird da an einer Spielerin für die Innenverteidigung der Zukunft gebastelt. An einer 17-Jährigen soll schon bald der deutsche Fußball genesen. Es waren interessante Einblicke in den Prozess, den die Bundestrainerin an diesem Tag in Kassel gegeben hat.

Andere Einblicke in das Team wurden verwehrt. Darüber, warum die Mannschaft bei der WM nicht immer funktioniert hat, würde man schon gerne mehr wissen. Doch Kapitänin Alexandra Popp hatte auf Fragen danach „absolut keinen Bock“. Die Andeutungen, die sie selbst und auch die Bundestrainerin nach dem Turnier gemacht haben, lassen darauf schließen, dass es für etliche Spielerinnen schwer gewesen ist, ihre Rolle im Team zu akzeptieren.

Die Vergangenheit bleibt ausgespart

„Ich habe unter Silvia Neid auch nicht immer gespielt“, meinte die Kapitänin in Anspielung auf Voss-Tecklenburgs Vorvorgängerin als Bundestrainerin. Dann war aber auch schon wieder Schluss und sie wollte wieder über das Spiel gegen Montenegro sprechen, über das es, „bei allem Respekt“, nun wirklich nicht viel zu sagen gibt.

Am Dienstag schon steht das nächste EM-Qualifikationsspiel an. In Lwiw treffen die Deutschen auf die Ukraine (16 Uhr, ZDF), den wahrscheinlich schwersten Gegner in der Gruppe I, in der die weiteren Gegner Irland und Griechenland sein werden. Über die Ukrainerinnen ist nicht allzu viel bekannt. Sie waren noch nie dabei, wenn ein großes Turnier angepfiffen wurde.

„Die haben drei, vier gute Spielerinnen“, meinte die Bundestrainerin. In Schweden wissen sie das. Der WM-Dritte hat in der Qualifikation für das Weltturnier mit 0:1 in der Ukrai­ne verloren. Das ist erst gut ein Jahr her.

Lena Oberdorf, die bei der WM so viel Spaß an Zweikämpfen hatte, wird dann zeigen können, wie weit sie als Innenverteidigerin schon ist. „Die werden ja sicher auch mal nach vorne spielen“, sagte sie.

Nein, die Partie gegen Montenegro war wirklich kein Gradmesser. Die gegen die Ukrai­ne könnte einer werden. Danach weiß die Bundestrainerin gewiss mehr über den Stand des Prozesses.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!