Fußballer salutieren Erdoğans Armee: Krieg in der Kreisklasse
Nicht nur Profis erweisen mit militärischem Gruß der türkischen Armee die Ehre. Auch unten in den deutschen Amateurligen wird salutiert.
Der Einmarsch der türkischen Armee in die Kurdengebiete Nordsyriens bewegt weiter die Fußballwelt. Die einen nehmen die große Fußballwelt in den Blick, andere haben damit zu tun, den Alltag in den unteren Ligen nicht zum Kriegsschauplatz werden zu lassen. Der Krieg, den die Türkei gegen die Kurdenmiliz YPG führt, hat die Champions League ebenso erreicht wie die Kreisligen in Deutschland.
Auf deutschen Bezirkssportanlagen salutieren türkischstämmige Spieler und grüßen die Armee ihres Herkunftslandes, und Aleksander Čeferin, der Präsident der Europäischen Fußballunion Uefa, muss sich fragen lassen, ob Istanbul wirklich der geeignete Austragungsort für das Finale der laufenden Saison in der Champions League im Mai des kommenden Jahres ist.
Italiens Sportminister Vincenzo Spadafora hat Čeferin einen Brief geschrieben, in dem er darum bittet, „zu prüfen, ob es nicht unangemessen ist, das für den 30. Mai geplante Finale in Istanbul zu belassen“. Via Instagram hat er den Brief öffentlich gemacht, in dem er auf die Haltung der Europäischen Union aufmerksam macht, welche die Militäraktion verurteilt hat. Er wünscht sich in diesem Sinne eine „mutige Entscheidung“, damit „der europäische Fußball beweisen kann, dass Sport ein Instrument des Friedens ist“.
Derweil kursiert in Belgien ein Foto, das Kinder einer Nachwuchsmannschaft in der Kabine zeigt, die in die Kamera salutieren. Der Türkse FC aus Beringen muss nun mit Ermittlungen durch Voetbal Vlaanderen rechnen, den für den Klub zuständigen Regionalverband in Belgien.
Salut aus Niederbayern
Auch in unteren Ligen in Deutschland ist am vergangenen Wochenende salutiert worden. Über einen Fall aus Bayern hat die Mittelbayerische Zeitung berichtet. Spieler des A-Klasse-Vereins Türkspor Mainburg im niederbayerischen Landkreis Kelheim hatten sich am Spielfeldrand in Reih und Glied zum Salut aufgebaut.
Der Bayerische Fußballverband hat sich des Falls schon angenommen und warnt die Amateure, die im Verbandsgebiet kicken, ausdrücklich davor, das Verhalten, das türkische Nationalspieler nach dem Spielen in der EM-Qualifikation gegen Albanien und Frankreich an den Tag gelegt hatten, nachzuahmen. In einer Mitteilung, die der Verband auf seiner Website veröffentlicht hat, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, „dass der BFV ein solches provozierendes Verhalten nicht toleriert und jeder einzelne Fall zur Anzeige vor dem Sportgericht gebracht wird“.
Politisch motivierte Provokationen könnten gemäß Paragraf 47a der Rechts- und Verfahrensordnung bestraft werden. Der Verband spricht von „empfindlichen Strafen“, die Klubs und Spielern drohen.Im genannten Paragrafen heißt es: „Eines unsportlichen Verhaltens macht sich insbesondere schuldig, wer sich politisch extremistisch, obszön anstößig oder provokativ beleidigend verhält.“
Und: „Ein besonders schwerer Fall der Unsportlichkeit liegt vor, wenn die Menschenwürde einer Person oder einer Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen in Bezug auf Hautfarbe, Sprache, Religion, Geschlecht oder sexuelle Orientierung oder Herkunft verletzt wird oder wer sich auf andere Weise rassisch und/oder menschenverachtend verhält.“ Ob der militärische Salut demnach wirklich zu bestrafen ist, müssten Sportgerichte klären. So weit soll es möglichst nicht kommen. Auch deshalb sind die Klubs ausdrücklich gewarnt worden.
Sportgerichte tagen
Erste Urteile könnte es im Westen der Republik bald geben. Drei Klubs aus dem Kreis Recklinghausen in Nordrhein-Westfalen müssen sich vor dem Verbandsgericht verantworten, nachdem Spieler die rechte Hand an die Schläfe gelegt hatten. Wie der WDR berichtet, handelt es sich um die SG Hillen, um Genclikspor Recklinghausen und die zweite Mannschaft der DTSG Herten. Sie müssen mit Geldstrafen rechnen. Dazu könnten beteiligte Spieler gesperrt werden. Der Kreisvorsitzende Hans-Otto Matthey erhofft sich davon eine abschreckende Wirkung. „Wir müssen klar zeigen, dass wir so etwas nicht akzeptieren“, sagte er.
Kein Verständnis für Kritik an salutierenden Landsleuten hat naturgemäß der türkische Sportminister Mehmet Kasapoğlu. Er verteidigte die Auftritte türkischer Nationalspieler, indem er ein Foto des französischen Angreifers Antoine Griezmann präsentierte. Darauf ist zu sehen, wie der Fußballer bei einem Empfang für die gerade gekürten Weltmeister in Paris vor dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron salutiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein