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Fußball-Bundesliga zum EinschlafenNegation des großen Träumens

Alina Schwermer
Kommentar von Alina Schwermer

Klubs wie Mainz und Augsburg sind die Gewinner der Fußball-Bundesliga. Leider ist das ein Symptom der Langeweile.

Bayern-Langeweile gegen Mainzer Weltklasse, findet man zumindest in Mainz Foto: Arne Dedert/dpa

S o viel wurde über Werder Bremen gesprochen, über das Chaos bei Schalke 04 und den BVB, der immer noch der Hybris erliegt, ernster Konkurrent der Bayern zu sein, dass zwei Erfolgsgeschichten kaum Erwähnung fanden. Der FC Augsburg feierte am Samstag das zehnjährige Bestehen in der Männer-Bundesliga. Und Mainz 05 feierte mit einem Seitenhieb auf den FC Bayern („8x Deutscher Meister? Langweilig!“) den elften Klassenerhalt in Folge.

Mainz und Augsburg sind in der Liga das, was man gesellschaftlich wohl den Mittelstand nennen würde. Eine Kaste derer, zu denen die Paderborns gerne aufschließen würden und zu denen die Wolfsburgs bloß nicht gehören wollen. Klubs, von denen man am Stammtisch sagt: „Ach, die gibt’s auch noch.“ Der letzte Kitt zwischen Paderborn und München. Und es ist interessant, dass gerade diese beiden Klubs den HSV im Oberhaus überlebt haben, dass sie die Krise trotz geringerer Mittel wohl sicherer überstehen als Schalke 04. Eine neue Art von Vereinsdenken siegt.

Zu Beginn der Krise sagte Augsburgs Präsident Klaus Hofmann: „Wir haben vernünftige Kostenstrukturen, und im Gegensatz zu anderen Vereinen können wir mit diesen Strukturen auch überleben, falls die Saison aus irgendwelchen Gründen nicht mehr zu Ende gespielt würde.“ Er kritisierte Klubs mit Hunderten Millionen Euro Umsatz, die ihre GeschäftsstellenmitarbeiterInnen in Kurzarbeit schicken („Ich fühle mich wie in einem falschen Film“), forderte Strukturreformen.

Gewiss ist Augsburg strukturell keine Antithese zur Bundesliga. Hofmann kam nach einer Millionenspende beim FCA in Rang und Würden, und 99,39 Prozent der Kapitalanteile sind an die Hofmann Investoren GmbH veräußert. Es ist ein Mäzenatenmodell, wie so viele in der Liga. Aber keines, das davon träumt, in die Champions League zu kommen. Die offenkundig nachhaltige, auf Rücklagen basierte Form des Wirtschaftens hat vor größeren Ausschlägen bewahrt. Meist solide, pragmatisch, ein bisschen öde, zukunftsgewandt: im deutschen Kader der letzten U21-EM stellte nach SZ-Angaben die meisten Spieler, ja, Augsburg.

Verstanden, was die Bundesliga fordert

Mainz 05 wiederum ist ein Verein, der vielleicht noch früher und eindrücklicher verstanden hat, was die Bundesliga fordert, besser als die taumelnden Kolosse Stuttgart und Hamburg. Als erster Verein erklärte Mainz sich für klimaneutral, ließ seinen CO2-Fußabdruck berechnen und reduzierte Emissionen. Das mit der Klimaneutralität war zwar wissenschaftlich Blödsinn, weil viele Faktoren nicht berechnet wurden, aber die Absicht blieb hängen. Mainz war es auch, das zuletzt Aufmerksamkeit erregte mit der klugen Reaktion auf das rassistische Kündigungsschreiben eines Fans. Und was sagt es nicht alles, dass von den derzeit renommiertesten Trainern der Welt zwei ihren großen Durchbruch bei Mainz 05 schafften?

Es gibt eine Kehrseite am Erfolg dieses fleißigen Mittelstands, das ist die Negation des großen Träumens. Dessen, was Werder, Schalke und den HSV stürzen ließ. Nicht der Kartoffelsuppen-Realismus an sich ist kritikwürdig, sondern die Tatsache, dass für Klubs eines gewissen Budgets nur dieser noch erfolgversprechend scheint. So ungleich ist die Bundesliga geworden. Hertha könnte sich als Nächstes einreihen unter die gefallenen Ikarusse. Es überlebt, wer, wie der SC Freiburg, durchhält, zehn Jahre nichts anderes auszurufen als den Nicht-Abstieg.

Die Umwälzungen haben noch gar nicht begonnen

Die Zeit der traumtänzerischen Zukunftswetten geht mit Corona trotz Windhorst zu Ende. Der achte Titel des FC Bayern hat eine Sollbruchstelle offenbart, die sich ohne Superliga oder tiefgreifende Reformen nicht mehr kitten lässt. Wer meint, die Liga habe das Gröbste überstanden, irrt: Die durch Corona beschleunigten Umwälzungen haben noch gar nicht richtig begonnen. Es sind schon viele Systeme an fehlender Perspektive des Mittelstands zerbrochen.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de
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1 Kommentar

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  • Was nun, fehlende Perspektive für den langweiligen Mittelstandsfußball oder siegt dieses Segment gerade? Wer Langeweile beklagt, ist nicht mit Herz bei der Sache, das ist meine Meinung. Wer sich mit einem Verein identifiziert, wird jeden Spieltag verfolgen und mitfiebern, auch wenn es "nur" Mainz, Augsburg oder Freiburg sind. Wer nur "Brot und Spiele" sehen möchte und pure Unterhaltung (aber bloß nicht langweilig, gell), trägt letztendlich dazu bei, dass in Europa (und woanders auch) nur noch ein knappes Dutzend Milliardärsvereine sich die Top-Superstars für Irrsinnssummen hin und her verkaufen und immer die gleichen in den internationalen Wettbewerben die Finalrunden ausspielen. Nur, mit wem identifiziere ich mich dann? Will ich das überhaupt? Oder suche ich halt nur Spektakel? Bei allem Respekt vor herausragendem Können einzelner Weltstars ist es nicht dieses Schauspiel, was für mich den Fußball spannend macht, sondern dass die Määnzer (jetzt kann ich mich ja offenbaren :) die Klasse gehalten haben.



    Inwiefern in einer internationalisierten und kapitalisierten Sportwelt eine Identifikation mit "deinem" Verein noch möglich ist, das ist eine andere und sehr spannende Frage. Es gibt übrigens auch im erstklassigen Profifußball Clubs, die das sehr eigen angehen und sich sebst territorial beschränken bei der Zusammenstellung ihrer Mannschaft, z.B der baskische Club Athletic Bilbao, nichtsdestotrotz regiert auch dort das Geld die (Fußball-)Welt.