piwik no script img

Führungswechsel bei US-DemokratenNancy Pelosi tritt ab

2007 wurde die Demokratin die erste Frau an der Spitze des US-Repräsentantenhauses. Jetzt gibt die 82-jährige Nancy Pelosi alle Führungspositionen ab.

Unvergessen: 2020 zerriss Nancy Pelosi demonstrativ den Text von Trumps Rede zur Lage der Nation Foto: Jonathan Ernst/rtr

Washington ap/afp |Es ist das Ende einer Ära: Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, gibt nach den Zwischenwahlen die Führung über die Demokratische Partei in der Kongresskammer ab. In einer emotionalen Rede vor den Abgeordneten in Washington sagte die 82-Jährige am Donnerstag, der Zeitpunkt sei gekommen, dass „eine neue Generation“ die Fraktion der Demokraten anführe. Sie werde deswegen nicht zu einer Wiederwahl für eine Führungsposition antreten, aber Abgeordnete bleiben.

Pelosi ließ in ihrer Rede ihre politische Karriere Revue passieren, von ihrem ersten Besuch im Kapitol mit ihrem Vater, der ebenfalls Abgeordneter war, bis zu ihrer Arbeit als Vorsitzende mit einer ganzen Reihe von Präsidenten. „Jeden Tag stehe ich ehrfürchtig vor dem erhabenen Wunder, das die amerikanische Demokratie ist“, sagte sie.

Ihren kurzfristig anberaumten Auftritt verfolgten im Plenum viele demokratische Abgeordnete, auch der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, gestellte sich dazu. Als Pelosi fertig war, umringten sie ihre Kollegen, umarmten und küssten sie. Auch etliche Republikaner waren zugegen, darunter neu gewählte Volksvertreter. Kevin McCarthy, Chef der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus, kam nicht, später sagte er Reportern, dass er „leider beschäftigt“ gewesen sei. Im neuen Kongress will McCarthy ab Januar der Nachfolger von Pelosi werden.

Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, würdigte die Verdienste der scheidenden Vorsitzenden der großen Kongresskammer hingegen. Sie seien sich zwar über die Jahre oft und vehement uneins gewesen, doch habe er aus erster Hand die Tiefe und Intensität ihres Einsatzes für den öffentlichen Dienst erleben dürfen, schrieb McConnell. „Es besteht kein Zweifel daran, dass der Einfluss der wichtigen und bahnbrechenden Karriere von Sprecherin Pelosi lange nachhallen wird.“

Die erste weibliche Vorsitzende des Repräsentantenhauses

Präsident Joe Biden lobte Pelosis Amtsführung. „Die Geschichte wird zeigen, dass sie die wichtigste Repräsentantenhausvorsitzende unserer Geschichte war“, sagte er.

Pelosi war 2007 als erste Frau der Geschichte Vorsitzende des Repräsentantenhauses – auf Englisch „Speaker of the House“ – geworden und hatte das dritthöchste politische Amt in den USA seit 2019 zum zweiten Mal inne. Sie gehört der Kongresskammer seit 35 Jahren an und führt die Demokraten dort seit knapp 20 Jahren.

In einem Interview mit Reportern sagte Pelosi nach ihrer Rede, dass sie sich aus dem Nachfolgerennen um die Fraktionsführung ebenfalls heraushalten und keinen Kandidaten unterstützen werde. Sie werde im künftigen Kongress auch in keinen Ausschüssen sitzen.

Der Angriff auf ihren Ehemann habe sie zwar dazu gebracht, „nochmal darüber nachzudenken, ob ich doch bleibe“, erklärte Pelosi. Doch habe sie sich letztlich entschieden, beiseite zu treten. „Offen gestanden bin ich persönlich schon seit einer Weile bereit gewesen, zu gehen. Weil es Dinge gibt, die ich tun möchte. Ich tanze gerne, ich singe gerne. Da draußen gibt es ein Leben, nicht wahr?“

Gegenspielerin Trumps, Hassfigur der Rechten

Pelosi ist bekannt als herausragende Taktiererin, die die Fraktion der Demokraten mit viel Geschick führt und die unterschiedlichen Flügel zusammenhält. Sie spielte unter anderem eine wichtige Rolle bei der Verabschiedung der Gesundheitsreform des damaligen US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2010.

Während der Präsidentschaft des Republikaners Donald Trump (2017 bis 2021) war die fünffache Mutter und gläubige Katholikin die wichtigste innenpolitische Gegenspielerin des Rechtspopulisten. Unter ihrem Vorsitz leitete die Abgeordnetenkammer gleich zwei Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ein. Unvergessen auch, wie Pelosi 2020 nach einer Rede Trumps zur Lage der Nation im Kongress demonstrativ eine Kopie des Redetexts zerriss.

Pelosi ist seit langem aber auch eine Hassfigur für viele Rechte in den USA, die sie als als Inkarnation einer abgehobenen linken Elite ansehen. Auf schockierende Weise sichtbar wurde das bei dem brutalen Angriff auf Pelosis Ehemann Paul Ende Oktober im Haus des Paares in San Francisco. Der Angreifer, der den 82-Jährigen mit einem Hammer schwer verletzte, hatte es auf Nancy Pelosi abgesehen.

Als Nachfolger Pelosis an der Spitze der Demokraten-Fraktion wird der Abgeordnete Hakeem Jeffries gehandelt. Der 52-Jährige wäre der erste Afroamerikaner der Geschichte, der eine der Parteien in einer Kongresskammer anführt. Im neuen Repräsentantenhaus wäre er Minderheitsführer. Jeffries würdigte Pelosi am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter als „G.O.A.T“ (Greatest Of All Time, Größte aller Zeiten). „Danke für alles, was du für Amerika getan hast.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Für mich ist sie Frau The-public-option-is-off-the-table, gleich zu Beginn von Obamas Präsidentschaft, um zu verhindern, dass überhaupt über die Möglichkeit einer sozialen Krankenversicherung geredet wird. Auch gut im dealmaking im Hintergrund mit den Interessen des Geldadels und Mitverhinderin von für die Mehrheit akzeptableren Präsidentschaftskandidat:innen als H. Clinton. Sorry, für mich war sie immer die Vertreterin des Status Quo.