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Friedrichstraße bleibt autofreiWer will hier schon flanieren?

Kommentar von Claudius Prößer

Die Friedrichstraße bleibt in der Mitte autofrei. Das ist nicht schlecht. Aber richtig durchdacht ist es auch nicht.

Tempo 20 – für viele RadlerInnen auch nur ein Richtwert Foto: dpa

E ins ist klar: Dass ein Abschnitt der Friedrichstraße (ungefähr ein Fünftel, um genau zu sein) weiterhin autofrei bleiben soll, ist eine gute Nachricht für viele Menschen. Das endlose Stop-and-go, das aggressive Blechgedrängel in der engen grauen Schlucht will niemand zurückhaben, der halbwegs bei Verstand ist. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Denn dass die „Flaniermeile“ ein voller Erfolg ist, kann auch nur behaupten, wer lieber nicht so genau hinschaut. Die Kernidee, eine Fußgängerzone mit einer Radstrecke zu verschmelzen, funktioniert einfach nicht. Flanieren ist entspanntes, mäanderndes Schlendern, das geht einfach nicht zusammen mit einem breiten Mittelstreifen, wo Tempo 20 von vielen RadlerInnen auch nur als Richtwert verstanden wird.

Dazu passen die vorläufigen Zahlen, aus denen hervorgeht, dass der Radverkehr in der Friedrichstraße stark zugenommen hat, der Fußverkehr dagegen stagniert. Das kann auch ein Corona-Effekt sein, aber eben nicht nur. Und während der Autoverkehr erfreulich großräumig wegdiffundiert ist, hat er in den Nebenstraßen dann eben doch deutlich zugenommen. Dass die Verkehrsverwaltung hier noch „Konzepte entwickeln“ will, ist gut. Laut Senatorin Günther soll auch der Vorschlag geprüft werden, für den Radverkehr eine „Vorrangroute“ in der Charlottenstraße einzuführen. Offen bleibt dabei, was in diesem Fall aus der Bikelane in der Friedrichstraße würde.

Langweilige Straßenschlucht

Der eigentliche Knackpunkt aber: Trotz allen Schönredens eignet sich die Friedrichstraße gar nicht wirklich zum Flanieren. Man kann Kübelpflanzen und Vitrinen dort aufstellen, soviel man will (Bäume pflanzen geht nicht, wegen der U-Bahn), es bleibt eine Straßenschlucht und eine grottenlangweilige dazu. Das liegt an den horrenden Mieten, die nur Edelboutiquen oder Einzelhandelsketten zahlen können, aber auch daran, dass hier so wenige Menschen wohnen.

Vielleicht wäre es ja schlauer, die Straßen rund um den Gendarmenmarkt von Autos zu befreien. Nicht, dass es hier, gleich nebenan, um ein Vielfaches spannender wäre, aber es gibt mehr Licht und Luft und was fürs Auge. Hoffentlich bleibt nach Günthers Vorfestlegung noch genügend Raum für alternative Ideen.

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Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.
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9 Kommentare

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  • Man hat langsame, laute Autos durch rasende, leise Fahrräder ersetzt. Für Fußgänger ist das leider eher schlechter als besser.

  • Also ich habe kein Geschwindigkeitsmesser an meinem Rad und wenn wir ehrlich sind, werden Geschwindigkeitsbegrenzungen für den Autoverkehr von vielen Autofahrern nur als Empfehlung verstanden. Wer von uns Fahrt denn maximal 50 Inder Stadt, obwohl man in vielen Situationen langsamer fahren müsste?

    • @pesetenpaule:

      Wer konnte denn jemals in der Friedrichstrasse 50 fahren?

  • Dass es in der Friedrichstraße nur Edelboutiquen gibt, stimmt einfach nicht. Es ist nur dümmlicherweise der Teil zur Fußgängerzone gemacht worddn,in dem es nur Edelboutiquen gibt.

    Rund um den Bahnhof Friedrichstraße warten mit Dussmann, Esprit, Douglas oder Buttlers und Rossmann jedoch durchaus Geschäfte für die "Normalbevölkerung". Gleiches gilt in der Mall of Berlin. Möchte man eine Fußgängerzone, wie sie in anderen Städten gut funktioniert, müsste man vom Bahnhof Friedrichstraße bis zur Kreuzung Mohrenstraße und dort zusätzlich den Teil Mohrenstraße bis zum Wilhemplatz und daher bis zur Mall of Berlin zur Fußgängerzone weiterentwickeln.

  • Gut und richtig geschrieben.



    .. es bleibt eine Straßenschlucht und eine grottenlangweilige dazu. ..



    Die Friedrichstraße mit Aufbruchstimmung ??



    www.youtube.com/watch?v=T8Es32Nu3w4



    Das andere Ende-Tacheles- war! viel interessanter.



    Das kleine Kino.

  • Durchdacht ist es schon, da tut man den Planner vermutlich unrecht.

    Es sollte nur nie zu einer Flanierstraße für Fußgänger werden.

    Als erstes wurden Gewächshäuser mit Werbung der Geschäfte aufgestellt, so dass man gleich sehen konnte, worum es geht: Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes.

    Etwas anderes war aber auch nicht zu erwarten, wenn der Senat den Wünschen des anliegenden Einzelhandels folgt.

    Solche Fußgängerzonen sind Ideen aus den 70ern, die heute eigentlich überholt sind.

    Der Radweg quer durch hat es für Fußgänger erst recht nicht gemütlicher gemacht.

    Im Prinzip ist es für Fußgänger nicht mal so sehr viel anders als vorher, denn die müssen sich weiter vor allem auf dem engen Bürgersteig tummeln.

    In der Tat, die Friedrichstr. ist eine hässliche Straßenschlucht, in der keiner wohnt.

    Deshalb ist es auch egal, ob in dieser Schlucht nun Autos fahren oder nicht.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @rero:

      korrekte analyse. gibt es überhaupt eine straße in berlin, durch die man entspannt bummeln kann?

      • @86548 (Profil gelöscht):

        Aber klaro, die Bölsche in Friedrichshagen.



        Vonne S-Bahn bis zum unendlich, weiten Wasser(Müggelsee)!



        Friedrichshagen - Bölschestraße



        www.youtube.com/watch?v=23Med1fBd9I



        ;-)

        • 8G
          86548 (Profil gelöscht)
          @Ringelnatz1:

          guter tipp😀