Friedrich Merz und der CDU-Parteitag: Desaströse Nullplanung
Das mehrmalige Verschieben des Parteitags fördert den Eindruck, der Anti-Merz-Flügel spiele mit gezinkten Karten. Das ist ein Schaden für die Demokratie.
![Friedrich Merz läuft an dem Logo der CDU vorbei Friedrich Merz läuft an dem Logo der CDU vorbei](https://taz.de/picture/4462850/14/Merz-CDU-Vorsitz-Parteitag-1.jpeg)
F riedrich Merz hat recht. Der Möchtegern-CDU-Vorsitzende, der seit der erneuten Verschiebung des Parteitags wie Rumpelstilzchen durch die Hauptstadt wütet, sich in einem Interview nach dem anderen über das „Establishment“ in seiner Partei empört, trifft einen wunden Punkt. Die erneute Absage des Parteitags wegen Corona lässt die CDU unvorstellbar alt aussehen.
Erst Ende Oktober fällt der Partei auf, dass ein Massenevent Anfang Dezember in Coronazeiten nicht optimal, auf keinen Fall aber opportun ist. Das hätte man – wenn man in den letzten Monaten auch nur eine einzige Prognose über die zweite Coronawelle gelesen hätte – auch schon im April ahnen können. Und einen Plan B vorbereiten müssen.
Doch was beschließt die CDU? Ja, nun, mal gucken, wie es im Dezember aussieht. Oder im Januar. Und dann schaun wir mal. Ob. Oder ob nicht. Oder so. Ach, wir wissen doch auch nicht.
Im Ernst jetzt?
Kein Skat-Treffen im Sauerland, sondern der CDU-Parteitag
Man muss es noch mal betonen: Es geht hier nicht um ein Treffen einiger Skatbrüder irgendwo im Sauerland, sondern um die Wahl des Vorstands der Partei, die die Regierung führt. Der ganz nebenbei auch das Krisenmanagement in der Coronapandemie obliegt. Eine vertrauensbildende Maßnahme in „die da oben“ jedenfalls sieht anders aus.
Dabei predigt die CDU doch immer gern ihren Glauben in die Technik. Doch jetzt sieht sie keine Chance, eine Online-Abstimmung im Zeitalter der Digitalisierung zu organisieren? Und das zehn Jahre nachdem die Piraten der etablierten Politik zeigten, dass es da ein Neuland namens Internet gibt?
Es mag sein, dass es schwierig ist, eine Onlineabstimmung so zu organisieren, dass sie rechtssicher das Wahlgeheimnis garantiert. Weil verschlafen wurde, so etwas technisch voranzutreiben. Weil verpennt wurde, die Gesetzeslage zu ändern. Aber dann wäre der auch von Merz vorgeschlagene digitale Parteitag mit anschließender Briefwahl das Mindeste, was eine verantwortungvolle Parteiführung hätte vorbereiten müssen.
Der Wüterich Merz
Deren desaströse Nullplanung öffnet dem Wüterich Merz nun Tür und Tor. Er darf lauthals eine Verschwörung der Parteimächtigen gegen ihn beklagen und sich als aufrecht kämpfender Querkopf präsentieren. Dabei ist es selbstverständlich das gute Recht der Merz-Kritiker, dass sie Bündnisse schließen und Strategien ausbaldowern, um seine Wahl zum CDU-Vorsitzenden zu verhindern. Das ist nichts Unfeines, es gehört zum demokratischen Prozess.
Aber seit der Parteitag zum Verschiebebahnhof degradiert wurde, kann der Eindruck entstehen, dass der Anti-Merz-Flügel mit gezinkten Karten spielt. Ganz egal, ob es stimmt oder nicht. Und das ist fatal, weit über das Gewurstel in der CDU hinaus. Denn hier wird das Vertrauen in die Grundregeln der Demokratie zum Abriss freigegeben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören