Friedensnobelpreis 2022: Ein Zeichen gegen Krieg und Diktatur
Der Friedensnobelpreis geht an Ales Bjaljazki aus Belarus, die russische Organisation Memorial und die ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties.
Die Preisträger repräsentierten die Zivilgesellschaft in ihren Ländern und hätten einen „außergewöhnlichen Beitrag“ geleistet, um Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch zu dokumentieren, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, in ihrer Begründung.
Empfohlener externer Inhalt
Friedensnobelpreis 2022
Memorial ist Ende 2021 in Russland verboten worden. Gegründet wurde die Organisation 1986, kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Eines der bekanntesten Gründungsmitglieder war der Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow. Ihr ursprüngliches Ziel war, dass die Opfer des kommunistischen Regimes in der Sowjetunion nicht in Vergessenheit geraten. Die russische Organisation werde für ihr Engagement gegen Militarismus und für ihren Einsatz für Menschenrechte ausgezeichnet, sagte Reiss-Andersen.
Preisträger Bjaljazki sitzt in Haft
Bjaljazki war für seine Arbeit bereits 2020 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Schon seit Mitte der 1980er Jahre war der Literaturwissenschaftler als Verteidiger der Menschenrechte aktiv. Er setzte sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein und gründete 1996 zur Unterstützung politischer Gefangener und ihrer Familien das Menschenrechtszentrum „Viasna“ in Minsk, das zu einer der führenden Nichtregierungsorganisationen des Landes wurde.
Im Juli 2021 wurde Bjaljazki wegen des Vorwurfs des Steuerbetrugs inhaftiert, seither sitzt er im Gefängnis. Reiss-Andersen forderte die Behörden in dem autoritär regierten Land auf, ihn freizulassen. „Wir hoffen inständig, dass das geschehen wird und dass er nach Oslo kommen kann, um seine Ehrung entgegenzunehmen“, sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees.
Engagement für mehr Demokratie in der Ukraine
Auch die ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties war erst vor wenigen Wochen mit dem alternativen Nobelpreis 2022 ausgezeichnet worden. Die 2007 gegründete Organisation will Menschenrechte, Demokratie und Solidarität in der Ukraine und Eurasien fördern. 2013 erlangte sie größere Bekanntheit, als sie während der gewaltsamen Niederschlagung der Euromaidan-Proteste Menschenrechtsverletzungen dokumentierte und Rechtshilfe leistete. Sie setzt sich für den Beitritt der Ukraine zum Internationalen Strafgerichtshof ein.
Mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte Reiss-Andersen, der Preis sei „nicht an Präsident Putin gerichtet“, auch nicht an seinem Geburtstag. Allerdings unterdrücke seine „autoritäre“ Regierung Menschenrechtsaktivisten.
Die Frau des belarussischen Preisträgers Bjaljazki, Natalja Pintschuk, sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie sei „überwältigt von ihren Gefühlen“ und „dankbar“.
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter von einer „Anerkennung für alle Belarussen, die für Freiheit und Demokratie kämpfen“.
Konflikte verhindern, Missstände beheben
Schon im Vorfeld der Verleihung hatten Experten vermutet, dass das Komitee mit dem Preis entweder ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine oder für den Klimaschutz setzen wird. Mit der Ehrung der Menschenrechtler setzt das Nobelkomitee eine Tradition fort, jene Gruppen und Aktivisten zu ehren, die versuchen, Konflikte zu verhindern, Missstände zu beheben und Menschenrechte zu schützen.
Insgesamt gingen laut dem Nobelkomitee 343 Nominierungen ein, davon 251 für Personen und 92 für Organisationen. Die Namen werden traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten.
Der Friedensnobelpreis wurde von dem schwedischen Industriellen und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833–1896) gestiftet. Der Friedensnobelpreis wird als einziger der Nobelpreise nicht im schwedischen Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo verliehen.
Dotiert sind alle Nobelpreise in diesem Jahr erneut mit zehn Millionen schwedischen Kronen (knapp 920.000 Euro) pro Kategorie. Überreicht werden sie traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter Nobel.
Diese Woche wurden in Stockholm bereits die Nobelpreise für Medizin, Physik, Chemie und Literatur verkündet. Am Montag folgt die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften.
Im vergangenen Jahr waren die Journalisten Maria Ressa von den Philippinen und Dmitri Muratow aus Russland mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen