Friedensdemo 2023: Krieg stiftet Unfrieden
Der DGB und Die Linke nehmen nicht am Hamburger Ostermarsch teil. Dem Veranstalter werfen sie zu wenig Abgrenzung von Putins Politik und Rechts vor.
Der Gewerkschafterin ist anzumerken, dass ihre diese Entscheidung nicht leichtgefallen ist. Das Hamburger Forum ist eine Institution der Friedensbewegung mit Wurzeln in den 1980er-Jahren. Die „Dachorganisation von Friedensinitiativen und -organisationen“ prägte viele Linke in Vereinen, Initiativen, Parteien und Gewerkschaften. Den Marsch „für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung“ an der Elbe verantwortet es seit Jahrzehnten.
Im aktuellen Aufruf heißt es: „Es ist höchste Zeit, den Weg der Eskalation in den dritten Weltkrieg zu verlassen.“ Die Probleme der Welt verlangten Kooperation statt Konfrontation: Hunger und Armut, Artensterben, Klimakrise … all dies könne die Menschheit nur gemeinsam lösen. „Mit jedem Tag, den der Krieg in der Ukraine länger dauert, kommen mehr Menschen ums Leben, werden verletzt oder traumatisiert“, heißt es weiter.
Die Bundesregierung müsse sich daher für einen sofortigen Waffenstillstand einsetzen, um Friedensverhandlungen zu ermöglichen, und sie dürfe keine Waffen an kriegführende Staaten liefern. Im Februar und März befassten sich Veranstaltungen des Forums mit der Frage, wer vom Ukraine-Krieg profitiere und dem „Nato-Krieg in der Ukraine als Motor der Rechtsentwicklung in Deutschland“.
Falscher Zungenschlag
Die Tonlage des Forums bewog auch Die Linke, nicht zum Ostermarsch mit aufzurufen. „In der Bewertung der Ursache des Krieges wird besonders die Osterweiterung der Nato letztlich doch betont“, sagt der Linken-Geschäftsführer Christoph Timann. Der „russische Imperialismus“ als Kriegsursache werde dagegen nicht so sehr als ein Problem wahrgenommen, sagt Timann –nicht ohne zu betonen, dass die Linke die Forderungen des Forums, Friedensverhandlungen zu führen und Waffenlieferungen zu stoppen, teile.
Der Disput entzündet sich aber nicht allein an der Frage, wer den Krieg in der Ukraine verantwortet, sondern auch daran, mit welchen Kräften für den Frieden demonstriert wird. Bei der Kundgebung „Aufstehen für den Frieden“ in Berlin, verantwortet von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer, wurde nicht zum ersten Mal über die Beteiligung von Rechten und Rechtsextremen auf Friedenskundgebungen gestritten.
In Hamburg störte dieser „fahrlässige Umgang mit Rechten“ beim Forum Die Linke schon früher. Timann möchte bei der Kritik aber nicht missverstanden werden: „Das Forum selbst ist nicht rechtsextrem, es ist aber rechts offen“, sagt er.
Schon nach dem dezentralen bundesweiten Aktionstag der Friedensbewegung am 1. Oktober hielt das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBGR) dem HF vor, die rechts-esoterische Partei „Die Basis“ offiziell begrüßt zu haben und den extrem rechten Youtuber Elijah Tabere erlaubt zu haben, alle Reden zu filmen.
Auch ein angekündigter Redner bei dem Ostermarsch des HF erregt Anstoß. Beim Marsch ab 12.30 Uhr von der Reeperbahn zum Fischmarkt soll Peter Brandt sprechen. Das HBGR wirft dem Forum vor, die rechten Positionen des SPD-Mitglieds zu ignorieren. Der Sohn von Ex-Kanzler Willy Brandt hat seine Ansichten zur Linken und zur Nation auch in extrem-rechten Publikationen von der Jungen Freiheit (JF) bis Wir selbst dargelegt.
In dem 1996 erschienenen Standardwerk „Faschismus und Neofaschismus“ hat Reinhard Opitz bereits mehrfach auf Brandt hingewiesen, auch weil der Kritisierte erklärt hatte, dass die Vertreibung der Deutschen aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße durch „nichts zu rechtfertigen“ sei.
In der Jungen Freiheit mahnte Brandt 2010 an, dass versucht werden müsse, mit der „deutschen Neurose“ in Bezug auf die Nation vernünftig umzugehen. Die Rede vom „Tätervolk“ sei destruktiv. Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit müsse „gegenüber den damals beteiligten ‚normalen Deutschen‘ sensibel“ geführt werden.
Das HBGR erinnert zudem daran, dass Brandt kritiklos das Wirken des neurechten Publizisten Wolfgang Venohr würdigte, der freiwillig in die SS-Division Leibstandarte Adolf Hitler eingetreten war. 2009 schrieb Brandt in dem rechtsextremen Magazin Compact „Gegen die Finanzdiktatur“.
Kriegsverbrechen relativiert
In einer Rezension des Buches „Versuch das Unverzeihliche zu verstehen“ von Edelbert Richter hinterfragt Brandt 2020 kaum die geschichtsrevisionistischen Positionen des Autors. Damit zieht Brandt die deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg in Zweifel.
Brand relativiert auch die deutschen Kriegsverbrechen, indem er nach der „Legitimität britisch-amerikanischer Flächenbombardements“ fragt und er widerspricht nicht Richters Relativierung des Holocaust, indem er schreibt: „einen großen, vielfach nicht beachteten Stellenwert“ spreche Richter „dem angelsächsischen Vorbild zu: der Kolonialisierung der halben Welt“.
2020 trat Brandt bei der bei der rechten Hamburger „Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock“ auf. Felix Krebs vom HBGR findet: „Ein geschichtsrevisionistischer Redner, der einen unverbesserlichen SS-Freiwilligen als gradlinig lobt, in Publikationen der extremen Rechten veröffentlicht und bei rechten, schlagenden Verbindungen auftritt, hat bei einer Friedensdemonstration nichts zu suchen“.
Auf die Kritik an Brandt geht das HF nicht ein. Auf Nachfrage verwies der Sprecher Markus Gunkel bloß auf einen von Brandt mit initiierten Aufruf, in dem ein „schneller Waffenstillstand“ angemahnt wird, um den „russischen Angriffskrieg zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen zu finden“.
Die Linke lädt mit weiteren Organisationen am Ostermontag zu einem „Friedensfest“ auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz ein, Beginn 15 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Kurdische Gebiete unter Beschuss
Stoppt die Angriffe Erdoğans auf die Kurden in Syrien!