piwik no script img

Fridays for FutureMehr Macht als gedacht

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Im Superwahljahr 2021 werden die jungen Kli­ma-­Ak­ti­vis­t*i­nnen zu einem entscheidenden Faktor. Da geht es um Stimmen und weniger um Zahlen bei Demos.

Keine Mega-Demo wegen Corona, dennoch bleibt Fridays for Future die erfolgreichste soziale Bewegung Foto: Hannibal Hanschke/reuters

W enn Fridays for Future jetzt zum nächsten weltweiten Klimastreik ruft, droht der Frust überall: Wegen Corona gibt es weder große Demonstrationen noch beeindruckende Bilder für Fernsehen und Instagram. Weltweit hat sich die Klimapolitik noch nicht grundlegend verbessert. Und ihre Gegner, die schon immer meinten, die süßen Kleinen sollten diese Materie „den Profis überlassen“, höhnen, die Bewegung sei zum Stillstand gekommen.

Sie freuen sich zu früh. Denn Fridays for Future ist die erfolgreichste soziale Bewegung, die dieses Land seit Jahrzehnten gesehen hat. Und ihre Macht wirkt, weil ihre Forderungen auf breite Zustimmung stoßen. Die Jugend hat jedes Recht, sich gegen das Ende ihrer Zukunft zu wehren. Dazu fordert sie von der Politk etwas eigentlich Banales: sich an die eigenen Verträge zu halten und die wissenschaftlichen Realitäten zu akzeptieren. Die Fridays haben klug Alliierte gefunden, ihr Führungspersonal ist professionell und hat – anders als die „Profis“ – in zwei Jahren Dauerstress keine strategischen Fehler gemacht.

Während die verwöhnten Millionäre des Profi-Fußballs Corona-Privilegien beanspruchen, brauchen die jungen Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen in der Pandemie keine Vorzugsbehandlung und sind dennoch systemrelevant. Ihr Einfluss ist groß, auch wenn sie sich selbst oft als machtlos empfinden. Vor zwei Jahren haben sie die „grüne Welle“ bei den EU-Wahlen mit ausgelöst. Sie geben in der medialen Öffentlichkeit den Meldungen vom galoppierenden Klimawandel ein Gesicht. Sie sitzen nicht nur in Talkshows, sondern auch bei den Ent­schei­de­r*in­nen in Politik und Wirtschaft am Frühstückstisch. Wer schon mal mit dauergenervten Teenagern (zumal im Lockdown) zusammengelebt hat, kennt den Einfluss solcher Konstellationen.

All das spielt den Fridays und ihrem Anliegen in die Hände. Im Superwahljahr 2021 werden sie zu einem entscheidenden Faktor. Da geht es um Wahlen, weniger um Zahlen bei Demos. Woran liegt es wohl, dass plötzlich alle vernunftbegabten Parteien behaupten, Klimaschutz stehe im Zentrum ihrer Anstrengungen? Dass sich gerade 29 Unions-Abgeordnete für mehr Klimaschutz und höhere CO2-Preise ausgesprochen haben? Dass die Grünen einen bislang einmaligen Höhenflug hinlegen?

Die Klima-Listen haben wenige Stimmen bekommen, helfen aber, das Thema durch konstanten Druck in der Debatte zu halten. Die Strategie „Immer weiter nerven“ bewegt etwas, selbst in einem so schwerfälligen Land wie Deutschland.

Nicht genug, das ist schon klar. Aber daran werden uns die Fridays bei nächster Gelegenheit wieder nachdrücklich erinnern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • @ROLF B.:

    Sie machen einen entscheidenden Fehler: sie greifen sich etwas heraus, was (eindeutig!) schiefgegangen ist und übergehen alles, was dank der 68er Generation an wichtigem Wandel geschehen ist.

    Abgesehen davon, dass es eine Ohrfeige an den Mut und den Einsatz der Menschen damals ist, auch an die, die sich treu geblieben sind, stattzu Joschkern, verkennt es die Tatsache, dass man bei jedem Unterfangen eben auch Rückschläge einstecken muss.

    Auf dem Sofa zu sitzen und zu nörgeln "klappt ja eh' nicht"... lassen wir es.

    Nein, die FfFies müssen es selber ausprobieren. Ich habe den Eindruck, dass sie in vielem klüger sind als "wir damals" (ja, ich auch ein alter Sack) -- und wenn Sie genau hingucken werden Sie erstaunt feststellen, dass sie auch vieles dessen mitgenommen und verbessert haben, was damals aufgebaut wurde.

    Sie verdienen Respekt, Begeisterung, Ermutigung -- und Unterstützung.

    Und sie haben auch das verdammte Recht, manche Dinge falsch zu machen (zu viele dürfen's nicht sein, dazu reicht die Zeit einfach nicht, was auch an uns alten Säcken liegt!)

  • @ROLF B.:

    Beides. Für Fundamentalopposition haben wir, haben vor allem die Kids keine Zeit.

    Man muss in die Parlamente, man muss aber auch draussen Druck machen.

    Die sind schlauer als es uns Oldies erscheinen mag.

    • @tomás zerolo:

      Interessant!: Um 12.30 Uhr stellt Rolf B. in seinem Beitrag die soziale Frage und kritisiert dass FfF diese nicht mit berücksichtigt.



      Nun gut, würde ich sagen, das erwarte ich auch von einer Mittelstandsbewegung auch nicht. Dazu leben die in zu warmen Nestern, als das es ihnen wirklich ein Anliegen sein könnte. Dies gilt natürlich auch für die Grünen.



      Um 15.23 Uhr antworten Sie und postulieren die Kids hätten dafür keine Zeit.



      Bei aller Sympathie für FfF die ich hege und sie auch unterstütze, aber Sie bestätigen halt leider die mit Recht angemahnte Ignoranz des politisierten Mittelstands gegenüber den Ärmeren und Schwächeren in unserer Gesellschaft.

    • @tomás zerolo:

      Meine Generation der 68er wollte auch in die Institutionen. Heraus kam z.B. ein Joschka Fischer, der den ersten Angriffskrieg Deutschlands nach 1945 skrupellos mit verantwortete.



      Mein Vater, Wehrmachtssoldat, kein Nazi, hatte mir prophezeit, dass meine Generation wieder Krieg führen würde gegen die alten Feinde.

      Ich erwarte in keiner Weise, dass der "Marsch durch die Institutionen" heute anders verlaufen würde. Zu verlockend sind die Aussichten, für Systemtreue gut belohnt zu werden.



      Das spricht allerdings nicht dagegen, dass die Jungen schlauer sind als die Oldies. Sie haben das System besser durchschaut und stellen sich zum eigenen Vorteil besser darauf ein.

  • Der Einfluss von FfF auf einige Parteien ist unbestritten. Sehr unbehaglich fühle ich mich dabei, dass einige Protagonisten gleichzeitig Mitglied der Grünen sind und teilweise mit einem Bundestagsmandat "belohnt" werden sollen. Außerdem sehe ich FfF nich als Interessenvertretung für sozial Schwache in diesem Land, da diese Menschen mit dem geringsten CO2 Fußabdruck die CO2 Steuer am härtesten trifft. In einer Gesellschaft, die von neoliberalen Ideen getrieben immer mehr die soziale Frage zugunsten neokonservativer Lösungen verdrängt, erwarte ich nichts Gutes. Beweis für meine Einschätzung sind die Grünen in BW. Da ist nichts wirklichherausragend ökologisch oder klimafreundlich. Im Gegenteil.

  • Das Problem ist die einseitige Fixierung auf das Klima-Thema. Ein globalerer Ansatz wäre besser; also wenn FFF sich mit dem komplizierten Zusammenspiel der Themen Klimaschutz, Biodiversitäts- und Naturschutz und den Wirtschaftsmechanismen, welche den beiden Erstgenannten entgegenstehen. Klimaschutz ist nämlich nicht automatisch Artenschutz und die grüne Wirtschaft bringt unseren Planeten ebenso in Bedrängnis, wenn nicht am derzeit einzig erfolgreichen Wachstumsmodell geschraubt wird. Würde all dieses berücksichtigt, würde ich sehr gerne sehen, dass der Einfluss von FFF noch viel größer wird.

    • @Axel Donning:

      Ja klar @AXEL DONNING, das Klimaproblem, als wissenschaftlich evident, als industriell verursacht, hat ja gigantische negative Folgen für Ökologie, für das Artensterben, für die



      "Bewohnbarkeit" unserer begrenzten Welt (unbegrenztes Wachstum gibt es nicht!). FFF131 fordert ja UMDENKEN!



      FFF 'darf m. E.' auch verstanden werden als ein Aufschrei der bedrohten globalen



      Natur und Lebensbedingungen, gegen die Dummheiten menschlicher Zivilisation..!.. wobei die Begründung von FFF (als auch XR, Greenpeace etc) weit über die Praxis politischer Werte und Normen von Industrie und Ökonomie (und deren Moralbewusstseins) hinausgeht..

  • "War das nicht irgendwann einmal eigentlich so gedacht - Als Volksvertretung?"

    Genau das könnte das Problem sein.



    Lobbyismus hin oder her, das Volk wird von den Gewählten vertreten.

    Es gibt halt nicht ein vernünftiges WIR und ein unvernünftiges DIE.

    • @fly:

      Ich finde es tatsächlich immer sehr ulkig, wenn "die Wirtschaft" für den CO2 Ausstoß verantwortlich gemacht wird. Ganz so, als würden die das CO2 einfach so zum Spaß rausblasen und nicht etwa um Produkte herzustellen, die jeder - auch Klimaschützer - konsumiert.

      • @Sylkoia Sal:

        Wenn ein Unternehmen auf Umweltauflagen verzichten kann, um damit Profit zu generieren oder den Verkaufspreis zu drücken wird es das tun. Tut es das nicht, wird ss von Markt gedrängt oder verliert soweit an bedeutsamkeit, dass es nur noch einen marginalen Unterschied macht. Stagniert Unsere Wirtschaft oder kommt sie ja in eine Rezession, bricht das System in sich zusammen, wir haben wirtschaftskrise und Ökologische Probleme Wandern in die Bedeutungslosigkeit weil sich Leute eher dafür interessieren, ob sie die nächste Miete zahlen können. Hier zu sagen, die mittel und Unterschicht sollte lieber mehr fair trade konsumieren oder halt mal verzichten würde fff das elitistisch denken verleihen, für das es schon häufig genug kritisiert wird. ;>

      • 9G
        97760 (Profil gelöscht)
        @Sylkoia Sal:

        Was ist daran ulkig. Würden Sie auch meiner Auffassung widersprechen?: "SUV, das sind diese elefantösen Autos, gibt es nur, weil es erlaubt ist diese zu produzieren bzw zu importieren". Kritiker antworten gerne: " najaaaaaa, die Käufer haben auch einen gewissen Anteil daran", oder " die Tatsache der Existenz von solchen Autos ist darin begündet, daß es demokratisch in der Gesellschaft ausgehandelt wurde". Plastikstrohhalme und Tüten will jedenfalls niemand mehr.

  • "Ihr Einfluss ist groß, auch wenn sie sich selbst oft als machtlos empfinden". Machtlos als Einzelne vielleicht, aber bei der Entscheidung, was aus dieser unserer Erde wird, wird sich hoffentlich bei den Wahlergebnissen zeigen. Nur so kann es klappen: Die Witschaftslobby abwählen und Politik zu "unserem" machen. War das nicht irgendwann einmal eigentlich so gedacht - Als Volksvertretung?

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Ach ja, ich wusste es, es geht den "Jungen" nicht um Lösungen, sondern um Bundestagsmandate ...

    Mensch sieht es ja bei den einschlägigen Parteien ...