piwik no script img

Fridays for Future-Demo in Berlin„Resignation in Feuer verwandeln“

Fast 20.000 Menschen ziehen laut Veranstalter beim Klimastreik durch Berlin. Sie fordern von der Politik ein rascheres Handeln gegen die Klimakrise.

Lautstarker Protest: Teilnehmende an der FFF-Demo am Freitag in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | „Aus stummem Protest wird eine Horde“, singt Robin Schmid auf der Bühne am Invalidenpark in Mitte. Vor ihm steht bereits eine solche Horde: Mehrere tausend Menschen sind am Freitagmittag zum 12. globalen Klimastreik von Fridays For Future in Berlin gekommen. Viele tragen wehende Flaggen und bunt bemalte Pappschilder, um unter dem Motto „#TomorrowIsTooLate“ für Klimagerechtigkeit zu demonstrieren – und dem Sänger der Band „Provinz“ zu lauschen.

Anschließend zieht die Menge mit lauten Sprechchören durch das Regierungsviertel. Die Veranstalter nannten am Ende die Zahl von 18.000 Teilnehmenden – trotz eisiger Temperaturen. Die Polizei sprach von einem regen Zustrom und mehreren Tausend Teilnehmer:innen.

Zu Beginn des mehrstündigen Protestes werden vor allem Reden gehalten. Neben der deutschen Indie-Pop-Band Provinz und anderen Künst­le­r:in­nen unterstützen auch Prominente wie Luisa Neubauer und der Klimaforscher Stefan Rahmsdorf den Klimastreik mit Beiträgen.

Neubauer kritisierte vor allem die Bundespolitik. Aus ihrer Sicht handle diese nicht ausreichend, um den Klimawandel zu bekämpfen. „Die Ampel wollte früher eine Fortschritts-Koalition sein. Heute ist sie höchstens eine Stillstands-Koalition.“ Wer aber stillstehe, während sich die Krisen überschlagen, der taumele rückwärts, sagte sie. Insgesamt besonders viel Kritik ernteten die Grünen für mangelnde Standhaftigkeit gegenüber der Räumung des Ortes Lützerath durch den Kohlebetreiber RWE im Januar.

„Wir sind hier um zu zeigen, wie wütend wir sind“, ruft eine der Mo­de­ra­to­r:in­nen von der Bühne. Manchmal fühle sich die Klimakrise niederschmetternd an, wenn Hitzesommer auf Hitzesommer folge und trotzdem mehr neue Autobahnen als Windräder gebaut würden. „Aber wir sind heute hier, weil wir diese Resignation in Feuer verwandeln wollen“, sagt sie unter dem Applaus der Demonstrierenden.

Unter die Teilnehmenden mischen sich auch Freiwillige der Initiative Klimaneustart Berlin. Sie versorgen in pinkfarbenen Warnwesten die Menge mit Flyern und rufen dazu auf, beim Volksentscheid 2030 Berlin klimaneutral am 26. März mit Ja zu stimmen. Zur Abstimmung steht ein Gesetz, das das Land Berlin verpflichten würde, viel mehr in Klimaschutz zu investieren. Damit könne man das abstrakte Thema Klimagerechtigkeit konkret machen, betont eine Sprecherin der Initiative auf der Bühne.

Kritik an der Politik

Eine Schülerin, die selbst bei Fridays for Future in Berlin die Streiks mitorganisiert, verdeutlicht: „Wir sind hier, weil die Politik schon seit längerer Zeit etwas falsch macht.“ Ab 1,5 Grad Erderwärmung verselbständige sich die Krise. „Egal, was wir dann machen, es wird immer schlimmer.“

Die umstrittenen Aktionen der Gruppe Letzte Generation, die an diesem Tag mit einem Info-Stand vertreten ist, sieht die 13-Jährige zwiespältig: „Ich würde nicht sagen, dass wir von FFF überhaupt nicht dahinter stehen. Allerdings gibt es teilweise Aktionen, die wir nicht vertreten wollen.“

Es war wieder voll an diesem Freitag Foto: dpa

Bei den Teilnehmenden des Klimastreiks handelt es sich längst nicht mehr nur um Schüler:innen. Ein bunt gemischtes Publikum hat sich an diesem Freitag versammelt: Neben Jugendlichen mit gefärbten Haaren, exzentrischer Kleidung und Glitzer auf den Wangen schließen sich auch Familienväter und Se­nio­r:in­nen den Sprechchören an.

Ein Paar aus Thüringen ist extra für die Veranstaltung nach Berlin gereist. Es ist bereits der dritte Klimastreik für die beiden. „Wenn wir am Abend zurück fahren, müssen wir Familie und Freunden erst mal erklären, warum wir heute hier waren“, erzählt die 46-Jährige, die ursprünglich aus Berlin kommt. Bei ihr hätten die Klimaproteste tatsächlich ein Umdenken ausgelöst. Die Bewegung habe dazu beigetragen, dass Thema Klimaschutz auf die Agenda zu bringen.

Jetzt müssten aber Maßnahmen folgen, um Klimaschutz politisch umzusetzen. „Die jungen Leute sind die letzte Generation, die noch wirklich aktiv etwas ändern kann“, betont ihr Mann. Unterstützung zu zeigen ist für beide daher besonders wichtig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Immerhin 18.000.

    Der WWF sagt bundesweit 280.000.

    Auch wenn es nur die Hälfte ist,



    die jungen, empathischen, euphorischen Deutschen haben deutlich mehr Leute auf die Beine bekommen als die alten, grauen, verstockten Deutschen eine Woche vorher.

    Sie sind eben die Zukunft.

  • Meine Fragen:



    1) Kann mir mal jemand sagen was genau jetzt sofort zu tun ist, wer es tut, wen es betrifft und wie, wer es bezahlt und wie wir sicherstellen, dass dabei nicht das ganze System zusammenbricht?



    2) Kann mir mal jemand sagen was der Arbeitnehmer und Pendler auf dem Land tun soll, der kein Geld für ein neues Auto hat und keinen ÖPNV vor Ort?



    3) Kann mir mal jemand sagen, wie genannter Arbeitnehmer sich eine neue Heizung leisten können soll, wie der die steigenden Energiepreise zahlen soll?



    4) Kann mir mal jemand sagen woher all der Strom kommen soll, der Benzin, Diesel, Heizöl und Gas ablösen soll?

    Ganz sicher müssen wir handeln, doch ich kann nirgends genauer lesen wann,wie,wo,was geschehen muss und wie Klein Otto das bezahlen können soll.



    Ich würde gerne mal exakte Detailforderungen sehen statt immer nur "Es gibt nur eine Erde".

    • @Rudi Hamm:

      "Kann mir mal jemand sagen?....", ist eine rhetorische Frage, auf die keine befriedigende Antwort gegeben werden kann.



      Wenn Sie es nicht wissen wollen, warum fragen Sie dann?

      "Ich würde gerne mal exakte Detailforderungen sehen statt immer nur "Es gibt nur eine Erde"."



      So wie letzte Generation sie bereithält?



      Ich denke nicht, dass FFF Detaillösungen vorstellen muss.



      Davon gibt es für jeden Geschmack reichlich, bei anderen Organisationen.

      Klein Otto wird sich noch mächtig umgucken, wenn er weiter auf Blockade setzt.



      Bisher wird noch nicht thematisiert, wer die Maßnahmen bezahlen soll, die nötig werden, um z.B. Lebensmittel zu produzieren, wenn es trockener wird?

      Bis es soweit ist, wäre es doch richtig, zumindest drauf zu setzen, unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden.



      Niemand MUSS den ganzen Planeten im Blick haben. Wer nicht für eine bessere Welt für alle eintreten mag, sollte nicht aus Trotz seine Zukunft aufs Spiel setzen.

      Klein Otto wünscht sich, besser in der Politik vertreten zu werden, akzeptiert aber die globalen Zusammenhänge nicht?



      Ein gefundenes Fressen für politische Gruppen, die vorgeben, die Interessen des klein Ottos zu vertreten, indem sie ihm zu Munde reden.

      Ich persönlich glaube nicht mehr daran, dass der Klimawandel gestoppt werden kann. Trotzdem muss der Schaden so klein wie möglich gehalten werden.

      Klein Otto wird sein weniges Geld genommen. So oder so.



      Und auch Vermögende werden ihr Geld verlieren, wenn der Wohlstand allgemein sinkt.



      Das System funktioniert, indem viele Menschen die Produkte kaufen, die wenige reich machen.



      Bisher ist es gutgegangen. Jetzt stößt es für alle spürbar an seine Grenzen, weil die Erde endlich ist.



      Zu rufen, "Es gibt nur eine Erde" ist deshalb eine zentraler Punkt.

      • @Onkel Heinz:

        Danke für die lange Antwort, ich weiß aber immer noch nicht, welche Dingen nun konkret getan werden müssen.

        • @Rudi Hamm:

          Vor allem, das Problem endlich anzuerkennen, scheint mir.



          Meinetwegen gerne auch nur aus Eigeninteresse und nicht als von Umweltspinnern herangetragener moralischer Anspruch sehen

          Der Alltag vieler Leute ließe es nicht zu, Gewohnheiten zu ändern, weil das Leben dann zu anstrengend wird,



          könnte man meinen, wenn sie sich etwa über die „Klima Kleber“ oder „Grüne“ aufregen.



          Ich habe aber den Eindruck Menschen sehen ihre gesellschaftliche Leistung in Frage gestellt, wenn sie Kritik als Moralkeule auffassen (und auch wollen) und blockieren deshalb nötige Veränderungen.

          Vernünftig ist das nicht, wenn es dazu führt zu glauben, sich mit einem Thema nicht befassen zu müssen.



          Von daher werden sich alle nun viel größeren Problemen stellen müssen:

          Statt ein paar kostengünstigen Klimaschutzmaßnahmen nun:

          - Erhalt der Biodiversität



          - Hochwasserschutz



          - Küstenschutz



          - Gesundheitsschutz (Hitze, vermehrt neue Krankheiten)



          - Sicherung der Nahrungsmittelversorgung



          - Klimaangepasster Anbau in der Landwirtschaft



          - Klimaangepasster Erhalt der Wälder



          - Vermehrte Einwanderung



          - Arbeitslosigkeit und Armutsbekämpfung
 incl. Verteilungskämpfe

          ...habe ich noch was vergessen?

          Es wird also in Zukunft noch reichlich Anlass zum Jammern geben. 
AfD und vielleicht eine Wagenknechtpartei werden die Sorgen der Bremse-Bürger bereitwillig aufnehmen und noch für viel Unheil sorgen. Ebenso die FDP, wenn sie ideologisch in den 80ern hängengeblieben ist und über ein Selbstverständnis als politischer Arm der Wirtschaft und Bessserverdienenden nicht hinauszukommen scheint.



          Wer nicht eingesteht, dass einfache Maßnahmen wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung oder ein kostengünstiges Bahnticket zumindest kurzfristig richtig ist, handelt ideologisch begründet und nicht zum Wohle aller.

          Was konkret tun?

          - Umstellung auf pflanzliche Nahrungsmittel, Insekten



          (mal dran gewöhnen)

          - eigenen Energieverbrauch senken



          - Nahrung selbst anbauen



          - Nahrungvorrat anlegen



          - Energie selbst erzeugen und speichern