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Freiwilligeneinsatz im Ukraine-KonfliktMaria Berlinska zieht in den Krieg

Eine Frau studiert jüdische Geschichte und organisiert Festivals mit feministischen Bands. Dann meldet sie sich freiwillig für den Krieg. Warum?

Maria Berlinska an der Front in Awdijiwka. Neben ihr sitzt der Kommandant der Stellung Foto: Olena Maksimenko

Kiew/Awdijiwka taz | Am Abend eines heißen Juli-Tages, als am Fuße des Hügels die Kalaschnikows knattern, sucht Maria Berlinska nach dem Wind. Sie stapft durch das hüfthohe sommertrockene Gras, hält den rechten Arm hoch, spürt nach Regungen in der Luft, geht weiter den Hügel hinauf, und die Soldaten, die für sie eine große Holzkiste schleppen, laufen hinter ihr her wie Küken einer Henne. Maria Berlinska bleibt nicht mehr viel Zeit. Den ganzen Tag war der Wind zu stark, bald wird die Sonne untergehen. Auf das hier hat sich Berlinska seit Wochen vorbereitet, sie wurde erwartet, hier an der Front. Heute wird sie ihre Drohne fliegen lassen.

Maria Berlinska, 28 Jahre alt, erkundet für die ukrainische Armee, wo der Feind steht. Der Feind, das sind die Truppen, die für die von keinem Staat der Welt anerkannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk kämpfen, zwei von Russland unterstützte Zipfel Land im Osten der Ukraine. Berlinska steht in Awdijiwka, einem der am schwersten umkämpften Orte an der Front, die in der Diplomatensprache „Kontaktlinie“ heißt. Awdijiwka liegt etwa 13 Kilometer nördlich von Donezk und wird von der ukrainischen Armee kontrolliert. Mit ihrer Drohne, einem kleinen Flugzeug aus Styropor, will Maria Berlinska auskundschaften, was ukrainische Soldaten am Boden nicht sehen. Von wo kommen die Mörsergranaten der anderen? Haben sich feindliche Kämpfer irgendwo dort drüben in einer Grube versteckt?

Maria Berlinska trägt ein T-Shirt und eine Hose mit Flecktarnmuster, aber sie ist keine Soldatin. Seit anderthalb Jahren fährt sie freiwillig und ohne dafür Geld zu bekommen an die Front, immer wieder für ein paar Wochen. Sie ist Teil einer ukrainischen Freiwilligenbewegung. Ein Rechtsanwalt aus Odessa sammelt Geld und kauft damit Autos, die er dann der Armee schenkt. Ukrainisch-orthodoxe Christen in Deutschland stellen in ihrer Kirche eine Spendenbox für die Armee auf. Ein Mann, der eigentlich in Warschau Management studiert, kehrt in sein Land zurückkehrt und meldet sich freiwillig als Soldat.

Genaue Zahlen oder verlässliche Schätzungen zu den freiwilligen Soldaten hat das Verteidigungsministerium in Kiew nicht. Präsident Petro Poroschenko sagte vor einem Jahr, seit dem Frühjahr 2014 hätten 35.000 Kriegsfreiwillige auf der ukrainischen Seite gekämpft. Von insgesamt 210.000 Soldaten, die mobilisiert wurden. Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Deutschland, hat einmal gesagt, ohne die freiwilligen Kämpfer hätte die Armee seines Landes den Krieg im Osten längst verloren. Dass der Staat auf die Freiwilligen zählt, ist also klar.

Warum dieser Krieg?

Konfliktparteien: Im Osten der Ukraine kämpft die ukrainische Armee gegen Separatisten und russische Soldaten. Es geht um die Gebiete um Donezk und Luhansk, die, ohne internationale Anerkennung, als Volksrepubliken proklamiert wurden.

Hintergrund: Der ukrainische Präsident Janukowytsch ließ im November 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der EU platzen. Zehntausende demonstrierten. Janukowytsch floh nach Russland. Vor allem im Osten des Landes protestierten Menschen gegen die Entwicklung. Es gibt Belege, dass die russische Regierung einige Aktionen steuerte. Im April 2014 startete Kiew eine „Antiterroraktion“ in der Ostukraine. Im März annektierte Russland nach einem Referendum die Halbinsel Krim.

Friedensverhandlungen: Eine Kontaktgruppe aus Ukraine, Russland und OSZE hat mehrere Waffenstillstände ausgehandelt, der neueste trat im September in Kraft. Die OSZE stellt immer wieder Verstöße fest.

Aber warum geht jemand wie Maria Berlinska freiwillig in den Krieg?

„Ich will niemanden töten. Und ich weiß auch, dass in diesem Krieg keiner von denen sterben wird, die ihn angefangen haben“, sagt Berlinska. „Aber Gewalt lässt sich nicht mit Büchern und Blumen aufhalten.“ Zwei Monate bevor sie auf einem Hügel an der Front ihre Drohne steigen lassen wird, sitzt sie auf dem Küchenboden ihrer Wohnung in Kiew. Sie teilt sie sich mit einem Mann, der im Wirtschaftsministerium arbeitet. Durch das Balkonfenster scheint die Maisonne, Berlinska trägt einen Strickpullover mit Eisbären darauf, hockt auf einer Decke und umklammert eine Tasse Tee. Sie sei gerade an der Front gewesen, sagt sie, bald fahre sie wieder hin. Um ihre Augen ziehen sich Schatten, ihre Stimme klingt rau.

Warum machen Sie das?

„Ich möchte das, was Putin und seine Leute die russische Welt nennen, nicht in Kiew haben. Deshalb muss ich helfen, sie im Donbass aufzuhalten.“

Was ist das, die russische Welt?

„Totale Kontrolle, Homophobie, es ist eine Welt, in der es nur um Macht geht.“

Ist Russland böse?

„Unsinn. Ein Teil meiner Vorfahren kommt aus Russland, Russen haben meine kugelsichere Weste bezahlt. Es leben gute Menschen dort. Aber Wladimir Putin hat ihren Staat gekapert.“

Maria Berlinska steuert ihre Drohne auf einem Hügel nahe Awdijiwka. Alle schauen ihr zu Foto: Olena Maksimenko

Sie könnten Ihr Land verlassen.

„Und dann? Einen aggressiven Diktator kann man nicht damit zufriedenstellen, dass man vor ihm zurückweicht. Heute sind wir dran, morgen ein anderes Land in Europa.“

Wenn Maria Berlinska eine Ansage machen will, öffnet sie die Lippen nur so weit, wie es unbedingt nötig ist, als wären ihre Mundwinkel blockiert.

Ihre Eltern kommen aus der Ostukraine, aber sie wohnen seit Langem im Westen des Landes. Maria Berlinska lebt als Kind in einem Dorf nahe dem Ort Kamjanez-Podilskyj, 400 Kilometer südwestlich von Kiew. Eine alte Stadt, gegründet im 12. Jahrhundert, einst bewohnt von Juden, Polen, Ukrainern und Armeniern. Die Deutschen töteten hier im Zweiten Weltkrieg über 20.000 Juden. Berlinska wächst bei Eltern und Großeltern auf, sie sagt, ihre Verbindung zu ihrem Land rühre aus dieser Zeit, aus den Geschichten und Liedern der Kindheit. Langsam entsteht ihre Liebe zu Literatur – Gedichten von Schadan und Goethe, Büchern von Dante, Tschechow und Salinger.

Nach dem Abitur studiert sie jüdische Geschichte in Kiew, an einer der ältesten Universitäten des Landes. Nebenbei organisiert sie Festivals mit, holt feministische Bands in ihre Heimatstadt. Dann beginnt der Maidan, die Revolution zwischen November 2013 und Februar 2014, die den Präsidenten Janukowytsch ins Exil treibt.

Maria Berlinska dreht sich zu den Soldaten um, zeigt mit der rechten Hand ins Gras. Hier sollen sie die Kiste abstellen. Berlinska klappt den Deckel hoch, eine Tragfläche liegt dort, eine zweite daneben, darunter der Rumpf des Flugzeugs. Einer der Männer nimmt die Teile heraus. Maria Berlinska ist die Pilotin, er der Operator. Er hilft ihr, die Drohne zu starten, kümmert sich um technische Schwierigkeiten. Jetzt steckt er die Tragflächen in die Seiten des Flugzeugrumpfes. Die Drohne ist fertig.

Im Februar 2014, dem vierten Monat des Protests, eskaliert die Gewalt auf dem Maidan in Kiew. Heckenschützen schießen auf Demonstranten. Über einhundert Menschen sterben, auch viele Polizisten. Maria Berlinska ist auf dem Platz.

Seitdem lebe sie von Frühling zu Frühling, sagt Maria Berlinska. Sie mache keine Pläne mehr. Das Leben könne jederzeit vorbei sein.

Der Operator wirft die Drohne in die Luft wie ein Kind einen Papierflieger Foto: Olena Maksimenko

In diesen Monaten sieht Maria Berlinska, wie Fremde ihr Essen teilen, wie freiwillige Sanitäter Wunden verbinden. Das Maidan-Prinzip: Jeder fasst mit an.

Lange hätten die Menschen in der Ukraine versucht, sich so gut wie möglich durchzuschlagen, was auch bedeute, wegzusehen, wenn anderen Ungerechtigkeiten passieren. Erst der Maidan, sagt Maria Berlinska, habe den Leuten das Gefühl gegeben, es könne einen anderen Weg durchs Leben geben als den, zu versuchen, sich gegenseitig auszutricksen. Eine Alternative zu den offiziellen kaputten Strukturen. Zu einem Staat, in dem sich Minister genauso bestechen lassen wie Polizisten.

Maria Berlinska kämpft nicht nur gegen die Armee der Separatisten und Russen im Osten, sie kämpft auch darum, welches Land die Ukraine einmal sein wird. Sie ist Teil einer Bewegung, die größer ist als die Unterstützer des Militärs. Im Wissenschaftsministerium schreibt eine Quantenphysikerin ehrenamtlich Papiere für eine Bildungsreform, in Kiew organisiert eine Regisseurin Weihnachtsfeiern für Binnenflüchtlinge. Viele Volontäre, wie sie in der Ukraine genannt werden, sehen sich als bessere Parallelgesellschaft.

Im Frühjahr 2014, bald nach dem Ende der Revolution, brechen die ersten Kämpfe zwischen ukrainischen Soldaten und Separatisten im Osten der Ukraine aus. Schnell gibt es Hinweise, dass die russische Regierung die Spannungen im Donbass schüre. Im Juni 2014 tauchen auf einmal Panzer bei den Gegnern der ukrainischen Regierung auf, ab August verlieren ihre Truppen an Boden.

In diesen Wochen sitzt Berlinska in ihrer Wohnung und liest ständig neue, widersprüchliche Meldungen über die Kämpfe in der Ostukraine. Alles erscheint ihr möglich. Die russische Armee könnte bald in Kiew stehen, die ukrainische Armee den Donbass zurückerobern, ein dritter Weltkrieg ausbrechen. Klar ist: Hunderte Ukrainer sterben. Sie raucht Kette, kann nachts nicht schlafen, spricht viel mit Freunden. Sollte sie kämpfen?

Sie ruft bei verschiedenen Einheiten an. Die wollen sie nicht, weil sie eine Frau ist. So kommt sie zum Bataillon Aidar, einem Freiwilligenverband. Dessen Männer und Frauen gehen schlecht ausgerüstet an die Front, manche haben nur Jagdgewehre oder keine Waffen. Sie nehmen sich, was getötete Freunde und Feinde zurücklassen. Für viele Ukrainer sind sie Helden.

Beim Bataillon brauchten sie jemanden, der Drohnen fliegen kann, der aufklärt, wie sich die feindlichen Soldaten bewegen. Berlinska lernt, Copter zu steuern, kleine Maschinen mit vier, sechs oder acht Rotoren, die relativ einfach zu bedienen sind.

In Russland leben gute Menschen. Aber Wladimir Putin hat ihren Staat gekapert

Maria Berlinska

Am 1. September 2015 kommt sie an der Front an, tags darauf fährt sie nach Schtschastja, auf Russisch heißt das „Glück“. Dort hört sie den Krieg zum ersten Mal. Die Kalaschnikows klingen, als würde jemand auf Blech trommeln. „Ich hatte Angst, weil es wirklich fürchterlich ist im Krieg, ich wollte wegfahren und niemals zurückkommen. Zugleich schämte ich mich, weil ich solche Angst hatte und weil ich nicht früher gekommen war.“

Maria Berlinska will nicht töten. Aber sie tut es

Maria Berlinska fliegt Copter-Drohnen, sie liebt das Gefühl, die kleinen Maschinen in der Luft zu kontrollieren. Zum ersten Mal denkt sie daran, einen Flugschein zu machen, wenn der Krieg vorbei ist.

Auf dem Maidan hat sie gelernt, dass Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können. In den Wochen des Kriegsanfangs hat sie entschieden, dass sie sich nicht raushalten will. Die ersten Tage an der Front zeigen ihr, wie viel Angst sie hat, aber sie zeigen ihr auch etwas anderes: Sie hat Spaß an der Macht über den Himmel.

Sie bittet ihre Kommandeure darum, nicht direkt Menschen töten zu müssen. Sie trifft ein Arrangement, in dem ihr Wunsch, andere nicht selbst zu verletzen, der Wille, ihr Land zu beschützen, und der Spaß am Fliegen einen Platz haben.

„Ich würde mein Gewehr benutzen, wenn jemand mich angreift, wenn ich muss.“ Ihr gefällt die Rolle als Aufklärerin, die ihren Soldaten beim Überleben hilft. „Aber mir ist absolut klar, dass Aufklärung auch eine andere Seite hat“, sagt sie. „Ein Teil meiner Aufgabe ist es, Menschen zu töten.“

Maria Berlinska will gut sein in dem, was sie macht. Copter, die sie bei ihrem ersten Einsatz geflogen hat, können nicht sehr hoch und nicht sehr lange in der Luft sein. Aber es gibt Drohnen, die das können, sie sehen aus wie Miniaturflugzeuge. Die will Berlinska steuern können.

Die Drohne thront auf einem dreibeinigen Campinghocker. Sie sieht aus wie eines dieser rundlichen Flugzeuge aus Donald-Duck-Comics. Maria Berlinska hockt im Schneidersitz vor einem aufgeklappten Koffer, in den ein Computer eingebaut ist. Der Bildschirm zeigt, was die Kamera an der Spitze der Drohne sieht. Im Moment ist es der Bauch ihres Kollegen. Der Computer soll jetzt erkennen, wo sich die Drohne befindet, aber die Verbindung klappt nicht. Berlinskas Kollege, der Operator, hält die Drohne an den Flügeln und läuft ein paar Schritte zurück. Stopp, stopp, stopp, ruft Maria Berlinska. Am Fuße des Hügels, hinter den Bäumen, schießen sie wieder.

Dmitri Starostin hat Maria Berlinska beigebracht, wie man eine Flugzeugdrohne fließt Foto: Olena Makarenko

Dmitri Starostin hat Maria Berlinska beigebracht, wie man so ein kleines Flugzeug steuert. Im Herbst vor zwei Jahren war das, auf einer Wiese am Rand von Kiew hinter einer alten Druckerei und einer Tankstelle.

Nun, zwei Sommer später, steht der Fluglehrer wieder auf diesem Feld in Kiew, aus den benachbarten Gärten steigt Rauch auf, es riecht nach verbrannten Pflanzen. Dmitri Starostin schaut zu, wie zwei Soldaten lernen, eine Drohne zu landen. Das weiße Flugzeug zündet einen Fallschirm, zuckt zurück, dann schwebt es langsam zur Erde. Starostin ist 47, Art Director bei einem Fernsehsender, seine nackten Füße stecken in Sandalen, „Road Tripping“ steht auf seinem T-Shirt.

Dmitri Starostin arbeitet mittlerweile als Lehrer für das Zentrum für Luftaufklärung, das Maria Berlinska gegründet hat und leitet. Er bringt Menschen, die an die Front gehen, kostenlos all das bei, was er vor fast zwei Jahren Berlinska gelehrt hat. 150 Schüler sind inzwischen hier gewesen, etwa zehn davon Frauen. Berlinska war Starostins erste Schülerin.

Es ist Oktober 2014, als sie zu ihm kommt. Sie trainieren zwei Wochen lang. Ständig stürzen die kleinen Flugzeuge ab, jeden Abend repariert er eines oder zwei. Das Schwierigste sei gewesen, Maria Berlinska beizubringen, niemandem die Drohne auf den Kopf fallen zu lassen. „Niemanden damit umzubringen“, sagt er.

Aber töten – genau das tun Sie doch, oder?

Ehrenamtlich im Krieg

Idealismus: Als einer der ersten Kriege, in denen Freiwilligenverbände eine wichtige Rolle spielten, gilt unter Militärhistorikern der Spanische Bürgerkrieg. In den internationalen Brigaden kämpften britische Adelige ab 1936 neben Kommunisten und Juden. Ob ein Motiv als Idealismus oder Wahnsinn gewertet wird, hängt vom Betrachter ab. Viele Kämpfer des IS sehen sich als Idealisten, ihre Gegner sehen sie nicht so.

Abenteuerlust: Schon während der Kreuzzüge soll die Lust am Risiko ein Grund gewesen sein, in den Krieg zu ziehen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wollten Freiwillige in einen heroischen Kampf ziehen. Die Bundeswehr umwarb Jugendliche in den vergangenen Jahren mit „Adventure Camps“.

„Wir unterrichten unsere Soldaten, damit sie am Leben bleiben“, sagt Dmitri Starostin, „die Armee ist miserabel ausgestattet, viele junge Männer und Frauen sind schlecht ausgebildet in den Kampf gezogen und gestorben, weil sie nicht wussten, wo der Feind steht.“ Ja, er weiß, die Informationen, die seine Schüler sammeln, sind tödlich für Menschen auf der anderen Seite der Front. „Ich hätte gern eine bessere Wahl“, sagt Starostin, „aber im Zweifelsfall wähle ich das Leben unserer Leute.“

Meist bekommt Starostin für seinen Unterricht kein Geld. Aber die Tankstelle am Rande des Feldes schenkt Maria Berlinskas Schule im Monat 60 Liter Sprit.

Auch Berlinska verdient kein Geld mit der Schule, die sie gegründet hat. Sie muss die 500 Dollar, die sie im Monat etwa braucht, anders zusammenbekommen. Ab und zu organisiert sie noch Konzerte oder recherchiert für wissenschaftliche Untersuchungen.

Die Struktur der Freiwilligkeit, die Unterstützung vieler – sie funktioniert gut im Enthusiasmus des Moments. In den Zelten des Maidan, die nach ein paar Monaten wieder abgebaut werden. Aber funktioniert sie in einem bewaffneten Konflikt, von dem niemand sagen kann, wie lange er noch dauern wird?

Maria Berlinska blickt zurück zu den Autos, mit denen ihre Truppe heute den Hügel hinaufgefahren ist. Die Jeeps und Kleinbusse sind neben einem Friedhof geparkt. Ein Kleintransporter hat ein rotes Kreuz auf der Seite, sie nennen diesen Wagen die Tablette. Darin wartet ein fast zahnloser alter Mann, der Sanitäter. Er ist hier, falls etwas passiert.

Aus dem Hin und Her des Krieganfangs wird mehr und mehr ein Stellungskampf. Etwa 40.000 ukrainische Soldaten und etwa 38.000 Separatisten und Russen stehen sich heute gegenüber, an einer knapp 500 Kilometer langen Front. Diese Zahlen stammen von der ukrainischen Regierung, man kann sie nicht überprüfen. Laut den letzten Waffenstillstandsabkommen müssen beide Seiten ihre schweren Waffen abziehen. Die OSZE, die überwachen soll, dass beide Seiten nicht gegeneinander kämpfen, stellt immer wieder Verstöße fest.

In einem ukrainischen Stützpunkt in Awdijiwka steht ein alter Panzerspähwagen Foto: Volodymyr Kukhar

In dieser vertrackten Lage ist das Verhältnis von Freiwilligen und Regierungsmilitär kompliziert. Viele Freiwillige verachten die höheren Offiziere, weil sie sie für die Niederlagen der ukrainischen Armee verantwortlich machen. Die Freiwilligen trauen den Generälen nicht, so wie sie dem Staat nicht trauen. Viele Offiziere hingegen verachten die Freiwilligen, weil sie nicht richtig ausgebildet sind.

Amnesty International beschuldigt Mitglieder von Freiwilligenbataillonen, Menschen beraubt und entführt zu haben. In einem Bericht kommt auch das Bataillon Aidar vor, in dem Maria Berlinska gekämpft hat. Darin steht, die Soldaten hätten Zivilisten gefoltert, denen sie Kollaboration mit den Separatisten vorwarfen. Männer und Frauen von Aidar hatten faschistische Symbole auf ihre Körper tätowiert oder an ihre Autos gemalt.

Inzwischen sind die Freiwilligen in die Armee oder die Truppen des Innenministeriums integriert. Länder wie die USA, Kanada und Deutschland hatten das gefordert, aber die Regierung in Kiew musste auch selbst befürchten, die Milizen könnten zu mächtig werden.

Ein Soldat mit einer Kalaschnikow hat sich ins Gras gelegt und schaut in den Himmel. Wie einen riesigen Papierflieger hält der Operator die Drohne in seiner rechten Hand, auf drei, sagt Maria Berlinska, und er läuft los, ras, dwa, tri, eins, zwei, drei, und dann schnurrt der Propeller los und zwei Sekunden später verschwimmt das Weiß des Fliegers vor den Wolken und dem Blau des Abendhimmels. Das Brummen der Drohne ist noch zu hören, aber zu sehen ist sie nicht. Gut, sagt Maria Berlinska. Alle hocken sie jetzt neben ihr vor dem Bildschirm. Die Kamera der Drohne zeigt Bäume, von der Sonne verbrannte Wiesen, ein See blendet wie flüssiges Gold.

Mit den Kriegsmonaten, die vergehen, werden auch die Freiwilligen professioneller. Im Winter 2015 besorgt sich Maria Berlinska eine bessere Drohne. Sie bestellt Einzelteile für umgerechnet 3.600 Euro im Internet, Freiwillige bauen sie zusammen. Zur selben Zeit gründet Berlinska die Schule für Luftaufklärung. Sie beschafft Geld und überredet Drohnenflieger, Ingenieure, Elektronikfachleute, sie zu unterrichten.

Oleksandr Schendekow ist einer von ihnen, er erzählt ihren Studenten etwas über Elektronik, Navigation und die Funktionsweise von Kameras. Manchmal zeigt er ihnen auch, wie Drohnen gebaut werden.

Das ist es, was Oleksandr Schendekow kann. Er hat kleine Copter für den Fronteinsatz gebaut und schließlich angefangen, die erste ukrainische Spähdrohne zu konstruieren, die militärischen Anforderungen genügt. Wer etwas darüber lernen will, wie sich die Freiwilligen in der Ukraine professionalisiert haben, der muss ihn treffen.

Das Coffee House ist eine Art russisches Starbucks, das es auch in der Ukraine gibt. Tische aus dunklem Holz, Sessel mit gemusterten Polstern. Ein Treffen in der Fabrik, wo sie die ersten ukrainischen Militärdrohnen herstellen, lehnt Schendekow ab. „Wir nehmen nicht mal unsere Kunden mit in die Produktion“, sagt er, „niemand soll wissen, wo das Werk ist.“ Oleksander Schendekow ist ein schmaler Mann mit langen Wimpern und einem akkurat gestutzten Musketierbart.

Er ist spezialisiert darauf, einzelne Komponenten möglichst reibungslos miteinander funktionieren zu lassen. Angefangen hat die Drohnenmanufaktur in einer Freiwilligenorganisation, bei einer Art Kickstarter für den Krieg. Die Website heißt People’s Project, hier werden Spenden für Waffen gesammelt – für militärisches Training, für die Reparatur von Marinebooten. Eine Liste zeigt, wie viel Geld gesammelt werden soll, wie viel Prozent schon da ist und wie viele Menschen gespendet haben. „First People’s UAV Complex“ steht da unter anderem, das ist die ukrainische Volksdrohne. 478 Menschen haben für sie knapp 30.000 US Dollar gespendet.

Spendenwebsites, Drohnenschulen – die freiwilligen Helfer schaffen sich immer mehr Strukturen. Aber die können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Freiwilligkeit auch bedeutet, jederzeit aussteigen zu können. Die Spenden sind vor allem dann hoch, wenn viele ukrainische Soldaten sterben. „No blood, no money“, das sei eine Regel dieses Krieges, sagen die Freiwilligen.

Sie rauchen Haschisch

Schendekow hat früher für eine Firma gearbeitet, die Werbe- und Hochzeitsfilme per Drohnenkamera dreht und die ein paar Copter als Spende an die Front schickt. Dann sieht er bei Facebook, dass sie bei der Spendenplattform People’s Project Leute suchen, die sich mit der Elektronik von Miniaturflugzeugen auskennen. Aus der Idee der Volksdrohne macht er mit ein paar Verbündeten ein eigenes Unternehmen. Es arbeitet heute exklusiv fürs Verteidigungsministerium.

Viele Freiwillige trauen den Generälen nicht, so wie sie dem Staat nicht trauen

Warum müssen Freiwillige eine militärische Spähdrohne bauen?

„Die Ukraine hatte vor dem Krieg keine funktionstüchtigen Drohnen“, sagt Schendekow. Die Armee war schlecht ausgerüstet, obwohl die Ukraine moderne Militärtechnik herstellt. „Mein Eindruck ist, dass dieser Verfall politisch gewollt war“, sagt Schendekow. „Die damalige Elite wollte vielleicht eine friedliche, wenn auch nicht freundliche Übernahme durch Russland erleichtern.“

Beim Militär sehen sie das anders. Schon vor dem Krieg habe die Armee Drohnen besessen, schreibt das Verteidigungsministerium in Kiew per Mail. Zwei Modelle nennen sie, beides meterlange raketenartige Monstren aus den siebziger und achtziger Jahren, aber das Ministerium behauptet, sie würden auch heute noch eingesetzt.

Maria Berlinska muss tief fliegen, damit die Männer erkennen können, was die Kamera zeigt. Die Sonne blendet. Sie hat den Daumen auf dem rechten Hebel des Steuerpults, linker Daumen und Zeigefinger am linken Hebel. Der Wind weht stark, die Drohne wackelt. Berlinska starrt auf den Bildschirm. „Bis zur Straße und dann nach rechts“, dirigiert einer der Soldaten, der Aufklärungsoffizier. Sie soll zu einer Grube zurückfliegen. Von dort ist eine ukrainische Einheit beschossen worden.

An einem Sonntagmorgen im Juli sitzt Maria Berlinska in einer kurzen weißen Hose auf einem Haufen Holzkohle und sagt, es gehe nun an die Front. Heiß wird es heute wieder werden, bis zu 40 Grad, die Tankstelle hat ihr Grillsortiment aufgebaut. Neben Berlinska lehnt ein hölzerner Gehstock, sie hatte eine Operation, mehrere Stürze, auf dem Maidan, im Krieg, eine Geschwulst hatte sich gebildet.

„Alles, was ich sage, wird gemacht“, sagt Berlinska zu ihrem Team. „Verstanden?“ Im Jeep hinter ihr sitzt Julia Tolopa, 21, sie will an der Front das Drohnenfliegen lernen. Panzer fahren kann sie bereits. Tolopa kommt aus dem Nordkaukasus, aus Russland. Sie zeigt Fotos auf ihrem Smartphone, abgerissene Teile eines Lada Niva, mit dem sie auf eine Mine gefahren sind, dann wischt sie die Bilder durch. Ein lächelnder Mann mit Kurzhaarfrisur in einem roten T-Shirt: tot. Ein Mann mit Mütze und Schal: tot.

Sie hat überlebt, sie lächelt, dann zerdrückt sie das Lächeln mit ihren Lippen wieder, sie redet stolz, sie redet leise, nein, für sie ist das alles noch nicht das waghalsige Abenteuer geworden, von dem sich leicht erzählen lässt. Sie alle erzählen Geschichten vom glücklichen Entkommen. Das ist die Botschaft, für andere ebenso wie für sie selbst.

Vorbei an Sonnenblumenfeldern und Bushaltestellen, auf die „Slawa Ukrajini“ gesprüht ist, Ruhm der Ukraine, 200 Kilometer gen Osten, und die Straßen werden immer löchriger. An einem Gasthaus halten die Autos: Mittagessen, es gibt eine Suppe aus Kefir mit Ei, Kartoffeln und Dill, dazu Kriegsgeschichten.

Viele Freiwillige haben Menschen sterben sehen, auf dem Maidan und im Krieg. „Helden sterben nicht“, hat Julia Tolopa auf ihren Arm tätowieren lassen. Viele Volontäre gestatten es sich nicht, innezuhalten, zu trauern. Sie sagen, das dürften sie erst, wenn es das Land gibt, für das die Toten gekämpft haben. Aber welches Land wäre das?

Vor dem Krieg gab es Köchinnen und Sanitäterinnen in der Armee, viele Jobs waren Frauen verwehrt. Weil Tausende Männer in den Kämpfen gestorben sind, rücken Frauen nach.

Maria Berlinska kämpft dafür, dass Frauen beim Militär gleiche Rechte bekommen und bezahlt werden wie Männer. Es ist ihr anderes großes Projekt, „Unsichtbares Bataillon“ heißt es. Zusammen mit einer Soziologin hat sie die Situation von Frauen an der Front untersucht, die Studie zeigt Schwarz-Weiß-Fotos der Frauen, stolz in ihren Uniformen.

Auf dem Weg Richtung Donezk hören sie im Jeep immer mehr die Spuren, die die Panzer hinterlassen haben. Wie Zahnarztbohrer klingt es, wenn Autoreifen die Rillen treffen.

Granaten und Kugeln haben die Häuser in Awdijiwka getroffen Foto: Olena Maksimenko

Sie rauchen ein bisschen Haschisch, halten ihre Füße aus den Fenstern. In einer Pause sagt Maria Berlinska ein Gedicht auf, Serhij Schadan, einer der bekanntesten Dichter der Ukraine. „Sie beißt sich leicht in die Haut, ohne zu merken, dass es meine ist“, zitiert Maria Berlinska und wippt dabei mit den Fußgelenken auf und ab, „falls sie aufwacht, wäre es schön, ihren Namen zu erfahren.“

Es ist nicht mehr weit, nur noch die Checkpoints, die sie passieren müssen. Schön langsam an die Barrieren heranfahren, Licht ausmachen, die Soldaten nicht blenden.

Die Basis, in der sie die nächsten Tage schlafen werden, ist eine alte Poststation. Ein Spähpanzer aus sowjetischer Produktion steht dort auf vier wuchtigen Rädern, daneben ein Pick-up, bei dem sich die Einschusslöcher über Motorhaube und Frontscheibe ziehen.

Sie steuert die Drohne zur Grube der feindlichen Soldaten. Dann wird der Bildschirm schwarz

Plastikflaschen liegen herum, im Flur ein Haufen Dreck, an den Wänden der Zimmer hängen Schutzwesten, Kalaschnikows und Scharfschützengewehre, daneben Antennen aus Drahtgeflecht, mit denen die Soldaten versuchen, den Fernsehempfang zu verbessern. Die Fenster stehen offen, es ist heiß, 35 Grad, nackte Männeroberkörper, Schweiß, es riecht muffig nach alten Decken und säuerlich nach Rindfleisch im eigenen Saft, das Mittagessen kam heute aus Konserven.

„Das ist unsere reguläre Armee“, sagt Maria Berlinska und deutet mit dem Kopf nach hinten, auf die jahrzehntealten kaputten Fahrzeuge, auf den Müll, auf den grauen Gummischlauch, der als Dusche für alle reichen muss. Sie kniet auf einem Bett, schaut aus einem Fenster ins Schwarz, eine Scheibe ist noch heil, die andere wurde durch Pappe ersetzt. Draußen schießen Mörser und Granatwerfer. Es klingt mal wie Donner, mal wie Fürze in der Badewanne. Es hört nicht auf, man gewöhnt sich daran. „Was für ein sinnloser Krieg“, sagt Maria Berlinska.

Warum sinnlos?

„Wenn es nach mir ginge, gäbe es gar keine Länder. Menschen sind mir wichtig, keine Staaten. Aber ich lebe nicht in einem Traumland, ich lebe jetzt und in dieser Situation und in der muss ich handeln.“

Haben Sie Angst?

„Ja, natürlich.“

Am nächsten Morgen dauert die Fahrt vom Frieden in den Krieg drei Minuten. Auf der einen Seite der Bahnstrecke liegt die Stadt, in der tagsüber Männer und Frauen am Imbiss Coca-Cola und Lawasch kaufen und im großen Kohlewerk zur Arbeit gehen. Der Alltag sickert in jede Ritze, die der Krieg offen lässt.

Maria Berlinska schenkt dem Kommandanten eine Copterdrohne. Sie macht ein Foto für ihre Facebookseite Foto: Olena Maksimenko

Vor der anderen Seite der Bahnstrecke setzt Maria Berlinska einen Helm auf und zieht ihre Schutzweste an. Geschwindigkeit ist der beste Schutz vor Scharfschützen, also rasen sie los, schnelle Kurven um Barrikaden aus Beton, Büsche rechts und links am Straßenrand kratzen quietschend über den dunkelgrünen Lack des Jeeps. Ein Haus, die zweite Etage abgerissen, in der ersten Sandsäcke und Barrikaden aus Straßenschildern.

Maria Berlinska wird erwartet, es gibt Fischsuppe auf weißen Plastiktellern. Dann fängt das Schießen an, erst eine Kalaschnikow, dann zwei, dann werden es so viele, dass auch die Soldaten nicht mehr sagen können, wie viele dort draußen kämpfen. Zwanzig Leute wurden hier im vergangenen Monat verwundet, erzählt der Kommandant, drei sind tot. Als das Feuer aufhört, rennen zwei Männer mit Schutzwesten und Kalaschnikows in das Gebäude, der Kommandant schüttelt ihnen die Hände. Er sagt, sie seien aus einer Grube in der Nähe beschossen worden. Man kann den hellen Sand sehen, wenn man aus der rechten offenen Seite des Stützpunkts schaut.

Maria Berlinska soll noch mal zu der Grube zurückfliegen. „Dort, dort.“ Sie schafft es, ihr Flugzeug gegen den Wind zu steuern. „Sehr gut“, sagt der Aufklärungsoffizier. Dann wird der Bildschirm schwarz. Blaue Schrift. Nemaje Syhnalu. Kein Signal. Der Operator läuft zur Antenne, dreht sie, wendet sie, hält sie hoch. „Was ist los?“, fragt der Soldat. Maria Berlinska lässt sich auf den Hintern fallen, gerade hatte sie die Zähne noch zusammengebissen, nun fällt der Kiefer nach unten. Alle Spannung ist von ihrem Gesicht gewichen. Sie setzt sich auf den Hocker, auf dem vor einer halben Stunde noch ihre Drohne lag. Sie zündet sich eine Zigarette an. Sie sagt gar nichts. Mögen die anderen noch an eine elektronische Störung glauben, sie weiß, was los ist. Zum ersten Mal haben die Separatisten ihre Drohne abgeschossen.

Es klingelt. Maria Berlinska holt ihr Smartphone aus der Brusttasche, drückt einen Knopf und wirft es auf die graue Kiste. Stimmen sind zu hören, Lachen, wir sind die Besten, sagt einer auf Russisch. Maria Berlinska hat ein Mikrofon an der Drohne angebracht, es überträgt die Stimmen der Männer, die ihr Flugzeug abgeschossen haben. Julia Tolopa springt zur Kiste, fotografiert mit ihrem Smartphone die letzten Koordinaten der Drohne, zwei achtstellige Zahlen. Die Soldaten haben jetzt Telefone in der Hand, sie wollen, dass die Stelle, von der die Schüsse kamen, mit Artillerie beschossen wird.

Als die schwere graue Kiste von Maria Berlinska gerade im Jeep verstaut ist, macht es plötzlich wumm, wumm, wumm, drei Donnerschläge.

Können Sie sich ein Leben nach dem Krieg vorstellen, Maria Berlinska?

„Natürlich. Ich will reisen, ich war doch bisher nur in vier Ländern.“ Sie zählt auf: Ukraine, Russland, Slowakei, Großbritannien.

Vier Tage später veröffentlicht eine Nachrichtenseite der Donezker Volksrepublik eine Meldung: „Bitte beachten Sie die vorgestellten Teile der ukrainischen Drohne des Typs ‚Furie‘. Sie wurde am 18. Juli 2016 von den Unterabteilungen unserer Schützenwaffe im Awdijiwkaer Industriegebiet abgeschossen.“ Neben dem Text zeigt ein Bild Maria Berlinskas Drohne. Die rechte Tragfläche fehlt.

Mitarbeit: Christina Spitzmüller

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • In den 50ern des vergangenen Jahrhunderts habe ich gerne den Abenteuergeschichten meiner Onkels aus dem Krieg gelauscht. Vergessen war dann, dass mein Vater und meine Mutter darin umgekomen ist. Krieg ist Scheiße und keine Pfadfindergeschichte fürs LAgerfeuer, wie es hier zu sein scheint. Auch wenn Maria gegen Putin in den Krieg zieht und meint damit Homophobie zu treffen. Als ob die Faschistentruppe, der MAria offensichtlich eng verbunden ist, ander darüber denken würde. Zwei lange TAZ-Seiten Schönfärberei vom Krieg im Alögemeinen und im Besonderen obendrein. Das hat auch die SonnTAZ nicht verdient.

  • Im Artikel wird die Problematik der Verbrechen des betreffenden Bataillons kurz erwähnt, allerdings ziemlich glatt gebügelt, wenn man mit Tagesschau und Wikipedia vergleicht:

     

    "Die Tagesschau berichtete: "Besonders berüchtigt ist das Bataillon AIDAR, zu dem rechtsgerichtete ukrainische Nationalisten gehören, von denen sich einige mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen schmücken, als Abzeichen auf der Tarnkleidung oder als Tätowierung auf dem Körper. Die Anführer und viele Mitglieder sind bekennende Neonazis und Mitglieder von rechtsextremen Gruppen."" (wikipedia)

     

    Für das Narrativ des Artikels ist natürlich wichtiger, dass die "Männer und Frauen" schlecht ausgerüstet zur Front gehen.

  • "Ich hätte gern eine bessere Wahl", sagt Starostin, "aber im Zweifelsfall wähle ich das Leben unserer Leute."

     

    Ich glaube diesem Menschen nicht, dass er tatsächlich gern eine "bessere Wahl" hätte. Die Wahl, die er zu haben meint, ist viel zu verlockend. Sie macht das Leben ziemlich einfach, auch wenn sie es dabei gefährdet.

     

    Mit "unsere Leute" meint Starostin Menschen, mit denen ihn nichts weiter verbindet als den Hass auf Putin, eine Nationalität, eine Herkunft oder eine Uniform. Abgesehen davon weiß er vermutlich gar nichts über "unsere Leute", ihre Zweifel, ihre Ängste, ihre Erfahrungen. Trotzdem ist er sich ganz sicher, dass sie das Leben mehr verdient haben als seine Gegner. Wie kann das sein?

     

    Wer so sicher ist wie dieser Mann, dass "unsere Leute" die Guten sind, der bezieht seine Sicherheit nicht aus den Handlungen anderer, die immer widersprüchlich und begründet sind, wenn man genauer hinschaut. Er bezieht sie aus dem eigenen Inneren, aus einem Hass, der ganz tief drinnen steckt und der schon da war, lange bevor dieser Krieg ausgebrochen ist. Der HAss, der ihm seine Gewissheit gibt, wartet schon lange darauf, dass es eben keine bessere Wahl gibt als die, zu töten oder selbst zu sterben.

     

    Mir scheint, ziemlich viele Medienleute rufen solchen Menschen gern und lautstark zu: "Spring doch!"... - äh: "Schieß doch!", wollte ich natürlich schreiben. Ich hab da offenbar etwas verwechselt. Entschuldigung. Ich hätte gerne eine bessere Wahl.

  • Ein schöner ausführlicher Text.

     

    Ich vermute, dass die Separatisten die wohl auschließlich aus Freiwilligen bestehen ähnliche Beweggründe haben zu kämpfen. Oder ist es gesichtert, dass die nur für eine mörderische Diktatur unter Putin kämpfen?

     

    Soweit wir das überblicken können, fühlen sich die Menschen im Osten von den Maidanprotesten überrumpelt und halten den Sturz des gewählten Präsidenten für einen Putsch. Das Janukowitsch im Osten eine grosse Mehrheit hatte ist ja bekannt.

     

    Insofern klingt das hier zwar alles sehr ehrenhaft - fast pathetisch - ist aber nur die eine Sichtweise und da das Batallion Ajdar erwähnt wird, ist diese angeblich so moralische Kämpferin in einem sehr zweifelhaften Umfeld aktiv. Zumal im Artikel auch eine aktive Verletzung des Minsker Abkommen durch die Ukrainische Seite erwähnt wird.

     

    Im Krieg stirbt auch die Wahrheit, aber nach dem was ich über diesen Konflikt gelesen habe, sind mir mittlerweile die Kämpfer der Ostukraine symphatischer.

    • Daniel Schulz , Autor*in des Artikels, Reportage und Recherche
      @Struppi:

      Sehr geehrter Herr Struppi,

       

      ich entschuldige mich gleich für die seltsame Anrede, aber vielleicht wollen Sie nicht geduzt werden. Was die Ostukraine betrifft, so kann ich da natürlich nicht für alle Menschen sprechen. Aber was ich bisher auf meinen Reisen dort erlebt habt, spricht für eine geteilte Meinung gegenüber dem Maidan.

       

      Manche begrüßen ihn, manche sind strikt gegen das, was dort passiert ist, manche begrüßen den Maidan und finden aber, dass man Rußland trotzdem viel mehr entgegenkommen sollte, andere bezeichnen den Maidan als "Putsch", sprechen aber trotzdem von einer russischen Invasion.

       

      Wie gesagt, ich kenne nicht die gesamte Ostukraine, ich war hauptsächlich im Raum Slawjansk unterwegs, habe dort u.a. mit Kindern gearbeitet, aber ich würde sagen, dass Spektrum an Meinungen und Ansichten ist vielfältiger als einfach nur für oder gegen die Regierung in Kiew zu sein oder für oder gegen Russland.

       

      Mit freundlichen Grüßen,

       

      Daniel Schulz