Freispruch für Mubarak: „Mögen sie in der Hölle schmoren“
Die einen feiern, die anderen sind entsetzt. Der Freispruch für Ex-Präsident Mubarak entzweit Ägypten. Unklar ist, ob er jetzt freikommt.
KAIRO taz | „Möge Gott dafür sorgen, dass Mubarak und der Richter irgendwann gemeinsam in der Hölle schmoren. Ganz Ägypten ist heute gestorben“, ruft eine alte Frau vor dem Gericht aufgebracht. Gerade wurde das Verfahren gegen den ägyptischen Ex-Diktator Hosni Mubarak am Samstagvormittag aus technischen Gründen eingestellt. In der Hand hält die Frau ein Plakat ihres Sohnes Tamer Hanafi, einer der 840 Menschen während des Aufstand gegen Mubarak 2011 umgekommen sind. Tränen laufen über ihr Gesicht.
Drinnen hat das Gericht gerade nicht nur das Verfahren gegen Mubarak eingestellt. Sein früherer Innenminister Habib al-Adli, Mubaraks Söhne Gamal und Alaa sowie die Sicherheitschefs von Kairo und Giza wurden freigesprochen. Als das Urteil gesprochen ist, werfen sich einige der Angehörigen der Opfer schreiend auf die Straße. „Mein Sohn wurde während dem Aufstand erschossen, er war ein Student, kein Verbrecher“, sagt Mustafa Muhammad. Er selbst sei ein Kriegsversehrter, der für sein Land gekämpft habe. „Ich habe überlebt, um den Tag zu erleben, an dem mein Sohn von einer Bande korrupter Mafiosis ermordet wird, ohne dass sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden“, ruft er wütend.
Auf der anderen Seite der Polizeikette feiern ein paar Mubarak-Anhänger und tanzen zum Rhythmus ihrer Trommeln. „Wir danken dem Richter. Der Aufstand gegen Mubarak war eine Verschwörung amerikanischer, israelischer, türkischer, iranischer und katarischer Geheimdienste gegen unser Land“, erläutert sie ihre Sicht der Dinge. Jetzt regiere das Militär und die Akte Mubarak sei geschlossen.
Unklar ist, ob Mubarak frei kommt. Er sitzt nach in einem anderen Korruptionsverfahren eine dreijährige Haft ab, die der 86-Jährige meist im Krankenhaus und nicht im Gefängnis verbracht hat. Im April 2011 wurde er offiziell verhaftet und nun wird diskutiert, wie viel seiner Haftzeit ihm angerechnet wird. Die Staatsanwaltschaft, die in dem Verfahren die Todesstrafe gefordert hatte, kann den Fall nun noch vor das Kassationsgericht bringen. Mubarak, der in einer fahrbaren Trage in den Gerichtssaal gebracht worden war, meldete sich nach dem Urteil per Telefon bei einer ägyptischen Fernsehstation und erklärte erneut, dass er niemals befohlen habe auf die Demonstranten zu schießen.
„Wenn niemand für die Tod von 840 Demonstranten verantwortlich ist, dann müssen diese wohl alle Selbstmord begangen haben“, lautete ein zynischer Kommentar auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dort kursierte auch eine Karikatur. Zu sehen ist dort Mubarak als Angeklagter, der vor dem Richter Mubarak steht, der gerade dem Staatsanwalt Mubarak zuhört. Bewacht wird der Angeklagte von einem lächelnden Polizisten, der ebenfalls wie Mubarak aussieht. Der Kommentar: Ein Regime klagt sich selbst an, um dann sich selbst freizusprechen.
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