Frauentag in Chile und Argentinien: Massen gegen das Patriarchat
Zwei Millionen Frauen haben in Chile demonstriert. In Argentinien wurde bei einer Kundgebung der Fund einer Frauenleiche bekanntgegeben.
Das Epizentrum lag zweifellos auf der Plaza de la Dignidad, zu der die Plaza Italia seit Beginn der sozialen Unruhen im vergangenen Oktober von den Protestierenden umgetauft wurde. Vom Platz der Würde bewegte sich die Menge an diesem 8. März Richtung Präsidentenpalast, sofern die überfüllten Straßen und Avenidas es überhaupt zuließen. Die Sprechchöre wechselten zwischen dem Songtext „El violador eres tu!“ vom feministischen Kollektiv Las Tesis (Der Vergewaltiger bist du!) und Protestrufen gegen Präsident Sebastián Piñera.
„Gegen den Staatsterrorismus“, lautete ein Motto an diesem 8M. „Wir fordern das Ende der Menschenrechtsverletzungen, dass sie nie wieder versuchen, uns mit Verstümmelungen, Verschwindenlassen, Folter, Misshandlungen, Vergewaltigungen, Entführungen, Schlägen und Verfolgung zum Schweigen zu bringen. Wir fordern den Abgang von Sebastián Piñera und seiner gesamten Regierung, weil sie dem Volk den Krieg erklärt haben. Wir kämpfen für eine unabhängige Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung und fordern die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen der Revolte“, heißt in der Erklärung der Coordinadora Feminista 8M.
Von der Bewegung für eine legale Abtreibung über #MeToo im Jahr 2015, die feministischen Beteiligungen an der Mobilisierung der Studierenden und dem großen Marsch und Streikaufruf am Frauentag 2019 mit 900.000 Marschierenden – der Feminismus auf der Straße wächst und wächst, so ein Fazit der Veranstalterinnen. Der Tag ist friedlich verlaufen, nur am Rande kam es zu vereinzelten Rangeleien.
Für legale Abtreibung
Ganz andere Bilder kamen aus der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Eine kleine Gruppe von Frauen trat schwarz gekleidet mit einer Performance auf der Plaza de Mayo gegen Frauenmorde und Gewalt gegen Frauen auf. Mit Namensschildern der Ermordeten und einer roten Rose zwischen den Zähnen protestierten sie vor dem Präsidentenpalast. 64 Frauen wurde seit Jahresbeginn in Argentinien ermordet.
Während der Aktion an diesem 8. März wurde der Fund einer Frauenleiche in der 450 Kilometer entfernten Stadt Paraná bekanntgegeben. Dort war die seit Tagen verschwundene Fátima Acevedo tot aufgefunden worden. Die 25-Jährige hatte zuvor mehrfach die Gewalttätigkeit ihres Ex-Partners bei den Behörden angezeigt, der nun unter Mordverdacht festgenommen wurde.
Am Nachmittag füllte sich die Plaza de Mayo dann mit einer überschaubaren Anzahl Frauen mit grünen Kopftüchern. Die waren vor die angrenzende Kathedrale gezogen und skandierten: „Aborto libre y legal ya, que los curas se vayan a laburar!“ (Freie und legale Abtreibung jetzt, die Priester sollen arbeiten gehen!)
Ihr Protest richtete sich gegen die Blockadepolitik der katholischen Kirche gegen die Lockerung des strikten Abtreibungsverbots. Der große Aufmarsch der Frauen war in Buenos Aires erst für Montag vor dem Kongress geplant. Der hatte 2018 mit knapper Mehrheit ein neues Abtreibungsgesetz abgelehnt.
Und kaum hatte Präsident Alberto Fernández vor wenigen Wochen angekündigt, er werde einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung der Abtreibung vorlegen, rief die katholische Bischofskonferenz zur Messe ausgerechnet am internationalen Frauentag auf.
Im 75 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Wallfahrtsort Luján hielt die katholische Kirchenspitze eine „Messe für die Frau und das Leben“ ab. „Millionen von Argentiniern und Argentinierinnen, Gläubige und Ungläubige, sind der tiefen Überzeugung, dass das Leben mit der Empfängnis beginnt und dass sich eine andere Person in ihrem Schoß entwickelt“, so Bischof Óscar Ojea, der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
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