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Frauenbewegung in Argentinien200.000 gegen das Patriarchat

Zum 34. Nationalen Frauentreffen kamen am Wochenende mehr Frauen als je zuvor ins argentinische La Plata. Die Bewegung wirkt auf den Kontinent.

Das grüne Halstuch der Kampagne für legale Abtreibung ist in ganz Lateinamerika zum Symbol geworden Foto: imago images/Demian Alday Estevez

Buenos Aires taz | 200.000 Frauen haben am Sonntag in der argentinischen Stadt La Plata demonstriert. Der Protestmarsch bildete den Höhepunkt des 34. Nationalen Frauentreffens in Argentinien. Lila, Grün und Orange waren die vorherrschenden Farben, die zugleich die drei zentralen Forderungen markierten: Stopp der Gewalt gegen Frauen und LGBTs, ein Abtreibungsgesetz für einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch und die strikte Trennung von Staat und Kirche.

Auf 150 Meter Länge und zwei Meter Breite wurde einen Häkelteppich ausgebreitet, in den die Namen von 1.400 in den vergangenen Jahren in Argentinien ermordeten Frauen eingearbeitet waren.

„Es regnet nicht. Was hier fällt, ist das Patriarchat!“, skandierten die Frauen. Dass Starkregen und heftige Windböen die Auftaktveranstaltung am Samstag buchstäblich verhagelten, nahmen die Teilnehmenden noch mit Humor. An den anschließenden knapp 90 Workshops nahmen nach Angaben der Veranstalterinnen dennoch 60.000 Personen teil.

Zwei Wochen vor der argentinischen Präsidentschaftswahl zogen die Frauen zugleich eine Bilanz der konservativen Regierung von Präsident Mauricio Macri. „Die Konsequenzen dieser Politik für unser Leben äußern sich in der Feminisierung der Armut, der steigenden Zahl derer, die schon als Mädchen Mutter werden, in der täglich wachsenden machistischen Gewalt, in den zunehmenden Todesfällen aufgrund illegaler Abtreibungen, Femizide, Transvestzide und Transfemizide sowie dem Fehlen von Antworten eines abwesenden Staates, der keine Verantwortung dafür übernimmt und stattdessen mit Repression, Kriminalisierung, Prügel und Bestrafung reagiert“, heißt es im Eröffnungstext, der zugleich dem zukünftigen Präsidenten die dramatische Situation verdeutlichen soll.

Eines der bedeutendsten Treffen Lateinamerikas

La Plata, rund 65 Kilometer südlich von Buenos Aires, hatte sich nicht nur offen gezeigt. Emblematische Orte wie das Gebäude der konservativen Provinzregierung sowie die alles überragende katholische Kathedrale waren durch massive Sicherheitszäune abgeriegelt. Mit einem „tetazo“, einem barbusigen Protestmarsch, war ein Teil der Teilnehmenden an der Kathedrale vorbeigezogen. Rund 4.000 Polizistinnen waren im Einsatz, ihre männlichen Kollegen standen im Hintergrund in Bereitschaft.

Argentiniens Encuentro Nacional de Mujeres hat sich zu einem der bedeutendsten Frauen- und LGBT-Treffen Lateinamerikas entwickelt. Im Mai 1986 fand das erste Treffen statt, bei dem sich rund 1.000 Frauen im Kulturzentrum San Martín im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires trafen. Drei Jahre nach dem Ende der blutigen Militärdiktatur in Argentinien kreisten die Debatten um die Forderung nach einem Scheidungsgesetz und um die Neuregelung des Sorgerechts von Eltern für ihre Kinder.

Doch die Agenda erweiterte sich rasch. Bald ging es auch um Diktatur und Feminismus. In den vergangenen Jahren standen vor allem die Gewalt gegen Frauen und LGBTs sowie das Recht auf Abtreibung im Vordergrund.

Als ein Erfolgsrezept erweist sich aus heutiger Sicht, dass die jährlichen Treffen stets an einem anderen Ort und in einer anderen Provinz stattfanden. Mit dem Treffen in La Plata sind es bereits 17 Städte in 15 Provinzen. Und stets wuchs die Zahl der Teilnehmenden. 1996 waren bereits 10.000 Frauen gekommen, und 2015, beim Encuentro in Mar del Plata, 65.000. „Jedes Jahr kommen Frauen zum ersten Mal zu den Begegnungen und sagen, dass sie danach nicht mehr dieselben sind“, beschreibt die argentinische Philosophin Diana Maffía die Wirkung der Zusammenkünfte.

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