Frauenanteil bei Filmen des MDR: Zur Not auch per Quote
Intendantin Karola Wille verspricht einen Frauenanteil von 40 Prozent bei der Regie von MDR-Filmen. Den will sie in drei Jahren erreichen.
Die am Sonntag zu Ende gegangene DOK Leipzig, das Internationale Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, ist hier mit gutem Beispiel vorangegangen und hatte schon 2017 für den diesjährigen Durchgang eine verbindliche Quote festgelegt: 40 Prozent der beim Festival gezeigten Beiträge mussten von Regisseurinnen stammen.
Vonseiten der aus dem wesentlich geschlechtergleicheren Finnland stammenden Festival-Chefin Leena Pasanen war das eine Art Nachhilfe – was ihr letztes Jahr entsprechend um die Ohren gehauen wurde. Die massive Kritik sei für sie schon ein Schock gewesen, sagte Pasanen jetzt – verkniff sich dabei aber ein Grinsen: Denn bei der DOK Leipzig ist schon jetzt die angestrebte 40-Prozent-Marke übertroffen worden.
Das Verhältnis der in den verschiedenen Festivalreihen gezeigten Filme war 50:50. Jetzt bleibe abzuwarten, so Pasanen, „ob 2018 nur ein Zufall war oder ob sich hier wirklich etwas geändert hat“.Denn nicht wirklich geändert hat sich seit 2011 die Zahl der Regisseurinnen beim Dokumentarfilm.
Die Zahl der Regisseurinnen stagniert
Das ergab die ernüchternde Evaluation, die der Medienberater Jörg Langer für den Produzenten- und Autorenverband AG Dok gemacht hat: Seit 2001 war bei langen Dokumentarfilmen die Zahl der Regisseurinnen für rund ein Jahrzehnt angestiegen, verharrt seitdem aber bei 25 bis 30 Prozent, je nach Zählung. Damit liegt der Dok-Bereich immerhin besser als die Fiktion, wo bei gerade einmal 23 Prozent aller Spielfilme von Frauen Regie geführt wird.
Vor allem die herrschenden Branchenstrukturen schreckten viele Frauen ab, so Langer bei einer Diskussionsrunde der AG Dok in Leipzig. „Passen Frauen mit ihren Fähigkeiten, ihrem Potenzial und ihren Bedürfnissen in die konservativen und hierarchischen Strukturen, die nach wie vor die Branche bestimmen?“
Denn die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der Filmhochschulen spricht eine deutlich andere Sprache: Hier zählt man nahezu ausgeglichen ein Verhältnis von 50 zu 50. Langers Fazit: „Die Frauen sind da, und auch in den entsprechenden Berufen in der Branche tätig“.
MDR-Intendantin Karola Wille machte bei der Diskussion klar, dass Handlungsbedarf besteht. „Die ARD ist in Sachen Regie kein Vorbild, da sind wir noch weit entfernt von dem, was wir wollen“, so Wille, die auch Filmintendantin der ARD ist: „Wir sind auch nicht so weit, wie wir sein müssten.“ Sie stimme aber optimistisch, dass es jetzt ein entsprechendes Problembewusstsein gebe, sagte Wille.
40 Prozent als gutes Ziel
Beim Debütfilm hat sich die ARD schon auf 50:50 verständigt, bei der Degeto müssen Produktionsfirmen immer einen Regisseur und eine Regisseurin für ihre Projekte vorschlagen, um Frauen sichtbarer zu machen. Nun müsse man sich „mutige Ziele“ setzen, sagte Wille – und das tat sie dann: Für den MDR gab sie das Ziel aus, bei allen Produktionen – egal ob fiktional oder dokumentarisch – den Frauenteil bei der Regie drastisch zu erhöhen: „40 Prozent als Ziel in den nächsten drei Jahren halt ich für ein gutes Ziel“, sagte Wille.
Steffen Grimberg war von 2016 bis 2017 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille. Seit diesem Jahr ist er frei für das MDR-Medienportal „Medien360G“ tätig.
Auch eine verbindliche Quote sei nicht ausgeschlossen: „Die Quote ist ein Hilfsmittel, das für eine gewisse Zeit nötig sein kann“, so Wille: „Eine Quote löst zwar keine Probleme an sich, kann aber die Ultima Ratio sein, wenn wir es anders nicht hinbekommen“. Ach so – und für die ARD hält die ARD-Filmintendantin auch noch eine Botschaft bereit: „Ich würde jetzt mal beim MDR anfangen, würde mich aber natürlich freuen, wenn es in der ARD genauso ist“, sagte Wille.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind