Frauen an Unternehmensspitzen: Männerfestspiele
Über die Hälfte der börsennotierten Unternehmen haben keine Frauen im Vorstand, so eine Studie. Zum Glück kommt bald ein verpflichtendes Gesetz.
M it Frauen in Führungspositionen ist es wie mit dem Gender Pay Gap: Seit Jahrzehnten wird beklagt, dass die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern viel zu groß sei. So verdienen Frauen in Deutschland – trotz leichter Verbesserungen – noch immer etwa 18 Prozent weniger als Männer.
Ähnlich verhält es sich mit den Topjobs: Frauen sitzen noch immer sehr viel seltener in Chef:innensesseln als ihre männlichen Kollegen. In Zahlen ausgedrückt liest sich das so: Von den 186 großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben 103 keine Frau im Vorstand – das sind mehr als die Hälfte. Das hat die Lobbyorganisation „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAR), die sich seit Jahren dem Thema widmet, in einer aktuellen Erhebung herausgefunden.
Das traurige Zahlenspiel lässt sich fortsetzen. 62 Großfirmen wollen auch weiterhin ihre frauenfreie Führungsetage behalten. Dabei hatte die Große Koalition erst im Januar einen Gesetzentwurf beschlossen, nach dem in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mindestens eine Frau sitzen muss. Großfirmen mit Männerfestspielen im Vorstand zeigen also deutlich, was sie davon halten: nichts.
Aber sie werden sich beugen müssen; das Gesetz soll noch in diesem Jahr kommen. Da mögen Quotenkritiker:innen auch noch so oft ihr Mantra von den ach so unfähigen Frauen singen.
Dass Unternehmen weder pleitegehen noch schlechtere Bilanzen haben, sobald Frauen sie mitführen, zeigt allein die Quote für Aufsichtsräte. Die gilt seit 2016 – und die betroffenen Firmen sind nach wie vor bestens aufgestellt. Mehr noch: Je nach Unternehmensorganisation beträgt der Frauenanteil in Aufsichtsräten dank der Quotenpflicht heute zwischen 33 und 36 Prozent. Auch wenn er sich aktuell nicht erhöht und Frauen in anderen Entscheidungsgremien nach wie vor unterrepräsentiert sind.
Das Gerede von der Quotenfrau ist Mumpitz
Frauen, so argumentieren Quotenskeptiker:innen gern weiter, würden nur in den Vorstand, in den Aufsichtsrat, auf den Managementposten gehoben, weil sie Frauen sind. Dadurch würden sie als Quotenfrauen abqualifiziert, was keine Frau will. Das ist natürlich Mumpitz. Frauen werden berufen, gewählt, gesucht, weil sie für die Posten bestens geeignet sind.
Und das hier nur ganz nebenbei: „Ganz oben“ wird ihnen nichts geschenkt. Führungspositionen sind mit Kraftanstrengung, Zeitaufwand, Entbehrungen, dem Willen zu Macht und Entscheidungen verbunden. Das müssen Frauen können und wollen. Und das können und wollen sie. Punkt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung