Franziska Giffeys Energiespartipps: Alles eine Frage der Achtsamkeit
Gefragt nach Energiespartipps, reagiert Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) so, wie Olaf Scholz hätte reagieren sollen.
D er Wirtschaftsminister hat so genaue Vorstellungen, wie sich wegen des mutmaßlichen Gas-Lieferstopps privat Energie sparen lässt, dass er damit nicht nur führende FDP-Politiker zu kindisch anmutender Bockigkeit – „Ich dusche so lange, bis ich fertig bin“ – provoziert. Der Bundeskanzler hingegen hat die Frage, ob auch er praktische Alltagstipps zur Hand habe, mit einem schnöden „Nö“ beantwortet. Und Berlins Regierende Bürgermeisterin, von den einen gelobt, von den anderen belächelt für ihren Pragmatismus? Die hat am Dienstag einen guten Mittelweg gefunden.
Tipps mochte sie, danach in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung gefragt, gar nicht geben. Stattdessen wurde sie grundsätzlich und verlangt „viel stärkere Achtsamkeit“ für Energieverschwendung. Beispiele nennt sie dann doch – Licht ausschalten in Räumen außer dem gerade benutzten, auf die Einstellung der Heizung gucken, ohne dabei gleich frieren zu müssen, Sparlampen verwenden.
Aber dabei bleibt es für Giffey nicht. Wenn sie sagt: „Es ist letztlich eine Haltungsfrage“, dann steht dahinter eine Erwartung. Und zwar eine, die in einer Mischung aus Kants kategorischem Imperativ und Rosa Luxemburgs Definition von den Grenzen der persönlichen Freiheit besteht. Diese Art von Haltung besteht darin, wahrzunehmen, dass in einem Gemeinwesen nicht jeder und jede so viel machen kann, wie er oder sie will, bloß weil es erlaubt und bezahlbar oder – falsch parken oder rasen – oft genug nicht bestraft wird.
Diese Haltung, wie Giffey sie mutmaßlich definiert, lässt einen Menschen grundsätzlich oder zumindest immer mal wieder hinterfragen, ob das eigene Tun wirklich sozial kompatibel ist oder nicht doch auf Kosten der Allgemeinheit geht. Schränke ich meinen Energieverbrauch ein, auch wenn ich sie auch bei Höchstpreisen bezahlen kann? Höre ich auch ohne offizielle Verbote auf, meinen Rasen nur der grünen Farbe wegen zu wässern?
Das hat auch mit dem zu tun, was früher gesunder Menschenverstand hieß. Kein Politiker, auch nicht der Wirtschaftsminister, fordert, ganz aufs Duschen zu verzichten. Stinkend ins Büro zu kommen ist auch nicht gerade sozial. Wo aber aus dem Entstinken, dem Waschen ein Lifestyle-Vorgang wird, da kommt die Haltung zum Tragen, die Giffey einfordert: Energie nur wegen des netten Gefühls auf der Haut verbrauchen geht eben nicht in Zeiten absehbarer Knappheit.
Und ja, mag sein, dass die Wohnung heimeliger aussieht, wenn in jeder Ecke noch ein Lämplein leuchtet. Aber jedes dieser zusätzlichen Lämplein lässt den Pegelstand in den Gasspeichern ein klitzekleines bisschen sinken. Das mag für die einzelne Wohnung irrelevant sein, aber nicht, wenn das zwei Millionen Berliner Haushalte so machen.
Solche eine Haltung ist auch unabhängig davon, ob Staat – wie von Giffey versprochen – und Wirtschaft gleichermaßen zu sparen versuchen. Die private Achtsamkeit ist sogar umso mehr gefragt, wenn das in diesen Bereichen nicht passiert. Giffey hat an diesem Dienstag die Worte gefunden, die der Bundeskanzler statt seines schnöden „Nö“ hätte finden müssen.
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