Frankreichs Ex-Präsident in Gewahrsam: Polizei befragt Sarkozy zu Libyenaffäre
Sind für Nicolas Sarkozys Wahlkampf im Jahr 2007 Gelder aus Libyen geflossen? Der Fall beschäftigt die französische Justiz seit Jahren.
Es kommt nicht selten vor, dass die französische Justiz Verdächtige oder Beschuldigte im Rahmen einer gerichtlichen Voruntersuchung in dieser Weise in Polizeigewahrsam nimmt. Die Ermittler haben die Möglichkeit, Sarkozy während 48 Stunden intensiv zu befragen. Er hatte bisher die Frage nach mutmaßlichen Wahlspenden des ehemaligen libyschen Machthaber Muammar Gaddafi zurückgewiesen und jede illegale Finanzierung dementiert.
Schon vor sechs Jahren hatte das Nachrichtenportal Mediapart den Vorwurf lanciert, wonach das Gaddafi-Regime Sarkozys Wahlkampf 2007 mit etwa 50 Millionen Euro mitfinanziert haben soll. Bereits seit 2013 geht die Justiz der Sache nach.
Der Fernsehsender BFMTV berichtete, mehrere Zeugen hätten bei den Ermittlungen angegeben, dass während des Wahlkampfs 2007 im Hauptquartier der konservativen Partei UMP Bargeld zirkuliert sei. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht. Die Partei, die heute Die Republikaner heißt, unterstützt Sarkozy. Es gelte der Grundsatz der Unschuldsvermutung.
Gerüchte um Gaddafis Tod
Gaddafi war im Oktober 2011 nach einem mehrmonatigen Bürgerkrieg und einer von Sarkozy initiierten internationalen Intervention gestürzt und getötet worden. Schnell kamen damals in Libyen Gerüchte auf, dass Gaddafi sterben musste, weil speziell in Paris niemand Interesse hatte, dass Gaddafi, sein Sohn Saif al-Islam oder Geheimdienstchef Abdalla Senussi vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag preisgaben, wie eng die westlichen Geheimdienste mit dem Regime seit 2017 zusammen arbeiteten. Und auch Sarkozy war gewarnt.
Im März 2011, kurz nach Beginn des Aufstandes, hatte der seit der „Libya Jadida“- (Neues Libyen) Reform von westlichen Politikern hofierte Gaddafi dem französischen TV Sender France 3 bestätigt, die Wahlkampagne von Nicolas Sarkozy mit finanziert zu haben. „Er ist nur wegen meiner finanziellen Unterstützung Präsident geworden.“
Mehrere seiner vormaligen Vertrauten und auch sein Sohn Saif al-Islam al-Gaddafi haben gesagt, Gaddafi habe Sarkozys Wahl von 2007 großzügig mit mehreren Millionen gefördert. Der frühere Geheimdienstchef Senussi sagte 2012 nach seiner Festnahme in Rahmen von Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshof aus, er habe persönlich den Transfer von fünf Millionen Euro organisiert. Andere streiten die Anschuldigung ab.
Empfang mit allen Ehren
Im Frühjahr 2013 spielten Gaddafi-nahe Kreise der taz und der Nachrichtenagentur Reuters in Tripolis eine angebliche Bestätigung der Überweisung von 50 Millionen Euro zu. Mehrere Angestellte aus dem Finanzministerium bestätigten den Reportern die Echtheit des Dokuments.
Erstaunlich ist aber auch, wie radikal Sarkozy seine Haltung gegenüber Gaddafi zwischen 2007 und 2011 geändert hatte. Kurze Zeit nach seiner Wahl schloss Sarkozy bedeutende Handels- und Kooperationsverträge mit Tripolis und empfing trotz starken Protests den damals bereits seit Langem international geächteten libyschen Oberst in Paris mit allen Ehren.
Vier Jahre später war es Sarkozy, der seine Alliierten dazu drängte, militärisch in Libyen zu intervenieren und Gaddafi zu stürzen. Bei den Überlebenden des Gaddafi-Clans hoffen manche, dass sich dieser manifeste Undank nun posthum doch noch mit einem Prozess gegen Sarkozy rächen werde.
Die Libyen-Affäre ist nur eine von mehreren Ermittlungen gegen den Expräsidenten, der namentlich auch der Bestechung eines hohen Richters und der illegalen Finanzierung der Wahlkampagne von 2012 verdächtigt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit