Frankreich vor der Präsidentenwahl: Aufholjagd à la Le Pen
Die rechtsextreme Kandidatin ist Amtsinhaber Macron dicht auf den Fersen. Ihre Inszenierung als Kümmerin für sozial Benachteiligte scheint anzukommen.
Die rechtsextreme Kandidatin des Rassemblement national (RN) könnte Macron gefährlich werden, denn sie hat aufgeholt. Jüngste Umfragen sehen Le Pen bei 23,5 Prozent und damit nur noch 3,5 Prozentpunkte hinter dem Amtsinhaber.
Diese Werte haben das Selbstbewusstsein des gewöhnlich sehr siegesgewissen Präsidenten ein klein wenig erschüttert. Zwar zweifelt niemand in seinem Team daran, dass er sich am Sonntag für die Stichwahl am 24. April qualifiziert. Doch eine reine Formsache wird das nicht. Die Aussicht auf eine Enthaltung in Rekordhöhe von mehr als 30 Prozent sorgt für weitere Ungewissheit. Laut Le Monde wussten zudem eine Woche vor dem 10. April 33 Prozent der Stimmwilligen noch nicht, wen sie wählen wollen.
Auch Jean-Luc Mélenchon hat, wie Le Pen, am Ende seiner Kampagne zulegen können. Der Linkspolitiker mobilisierte noch einmal alle Kräfte, um es vielleicht noch auf Platz zwei zu schaffen. Doch derzeit wird er „nur“ bei 17,5 Prozent gehandelt. Simultan zu seiner Rede in Lille trat er am vergangenen Dienstag in elf Städten als Hologramm in 3D auf. Er wandte sich dabei direkt an einen Teil der Le-Pen-Wählerschaft, die er in einem Wortspiel als „fâché, mais pas facho“ („wütend, aber nicht faschistisch“) bezeichnete und hofft, noch abwerben zu können.
Realistische Perspektive
Für Macron ist der Trend bedenklich, weil sich in den Umfragen auch der Abstand in der voraussichtlichen zweiten Runde gegenüber Le Pen stetig verkleinert. 2017 hatte er sie in der Schlussrunde mit 66/34 sehr deutlich hinter sich gelassen. Jetzt gibt es Prognosen, die einen knappen Sieg mit 51,5/ 48,5 Prozent erwarten lassen.
Wird gar ein Wahlsieg von Marine Le Pen zu einer realistischen Perspektive? „Die Franzosen möchten doch nicht ihre Außenpolitik und die Streitkräfte einer Kandidatin anvertrauen, die pro Putin und antieuropäisch ist“, hofft Kampagnensprecher Gabriel Attal. Die Kampagne „Macron2022“ warnt mit dem Hashtag #MarinePoutine auf Twitter: „Mit Le Pen kommt der Kreml an die Macht.“
2017 war die 53-Jährige von Wladimir Putin als Wunschkandidatin im Kreml empfangen worden und hatte zur Finanzierung ihrer Kampagne den Kredit einer russischen Bank erhalten. Im aktuellen Kontext des Ukrainekriegs hat Le Pen diese kompromittierende Nähe zum Kreml-Chef erstaunlicherweise kaum geschadet.
Sie hat aus ihrer verpatzten Wahlkampagne von 2017 gelernt, indem sie sich ganz darauf konzentrierte, sympathisch zu erscheinen. Kein Selfie mit Fans auf einem Markt ist ihr zu viel. Inspiriert von den Erfolgsrezepten auf Social Media ließ sie sich mit ihren Katzen fotografieren. Nichts symbolisiert besser ihre Kampagne auf leisen Pfoten, mit der sie ihren Ruf einer Extremistin loswerden will.
Verbale Provokationen
Dass mit dem Ex-Journalisten Éric Zemmour ein Konkurrent auftauchte, der sie in seiner rassistischen und antimuslimischen Propaganda noch zu überbieten sucht, hatte ihr zunächst geschadet. Zuletzt aber haben Zemmours verbale Provokationen es ihr ermöglicht, vergleichsweise viel gemäßigter und für die bürgerliche Rechte „salonfähig“ zu wirken. In Wahrheit hat Le Pen nur den Stil ihres Auftretens, aber nicht ihr Programm geändert.
Der Zulauf der vergangenen Tage erklärt sich damit, dass sie verstanden hat, dass die steigenden Verbraucherpreise für sozial Benachteiligte – ihre Kernwählerschaft – das wichtigste Thema sind. Ihre Vorschläge zur Verteidigung der Kaufkraft mit Festpreisen für Benzin und Gebrauchsgüter oder auch zum Rentenalter gleichen manchmal den Forderungen, die von links kommen. Die generös klingenden Wahlversprechen seiner Gegner kommentierte Macron mit Bitterkeit: „Wenn du weißt, dass du nicht regieren wirst, fällt es leicht, eine Senkung der Mehrwertsteuer und eine Preisregulierung zu versprechen.“
Vor dem ersten Wahlsonntag muss sich Macron zudem Sorgen über mögliche Konsequenzen der McKinsey-Affäre machen. Wie in den Medien ausführlich berichtet wurde, hatte dieses Beratungsbüro lange vor 2017 für den Werdegang des heutigen Präsidenten und bei der Erarbeitung seines Programm eine entscheidende Rolle gespielt.
In den vergangenen Jahren wurde die Beratung durch McKinsey von ihm und seinen Ministerien so ausgiebig genutzt, dass eine Senatskommission Klüngelei und auch Steuerbetrug vermutet. Aufgrund des Untersuchungsberichts hat die französische Justiz wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche bereits eine Voruntersuchung eingeleitet.
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