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Forscher über AfD bei Kommunalwahlen„Die Gefahr von Raguhn-Jeßnitz“

Wissenschaftler haben gefragt, was kurz- und langfristig gegen rechte Landnahme hilft. Antworten haben sie in AfD-Hochburgen Sachsen-Anhalts gefunden.

Wahlplakat der AfD in einer Wiese bei Bitterfeld, 31. Juli 2023 Foto: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance
Gareth Joswig
Interview von Gareth Joswig

taz: Herr Dietze, Sie haben sich in einer Studie mit Bitterfeld-Wolfen und Raguhn-Jeßnitz auseinander gesetzt. Das sind beides in gewisser Hinsicht AfD-Hochburgen in Sachsen-Anhalt – mit einem wichtigen Unterschied: In einer Gemeinde stellt die AfD seit letztem Jahr ihren ersten Bürgermeister, in der anderen hat die extrem rechte Partei 2023 eine fast schon sicher geglaubte Stichwahl am Ende doch noch verloren. Was sind das für Kommunen?

Nikolas Dietze: Grob entsprechen beide dem klassischen Bild von ostdeutschen Kommunen im ländlichen Raum. Aber sie sind nur bedingt vergleichbar: Raguhn-Jeßnitz ist eine sehr ländlich geprägte kleinstädtische Gemeinde mit 9.000 Einwohnern. Bitterfeld-Wolfen ist nur wenige Kilometer entfernt, hat aber mit knapp 40.000 Einwohnern eine Industriegeschichte. Sozioökonomisch steht Bitterfeld-Wolfen trotz Abwanderung immer noch besser da als andere Kommunen – es gab zu DDR-Zeiten viel Umweltverschmutzung, aber es gibt dort auch noch immer viel Industrie rund um den Chemiepark. Ebenso sind beide Regionen eng verwoben, einzelne Ortsteile gehen sogar ineinander über: Leute wohnen in Raguhn-Jeßnitz und fahren 5 Minuten mit dem Fahrrad nach Wolfen zur Arbeit.

Wie sind sie ihren Forschungsfragen nachgegangen?

Wir haben Interviews mit 22 Vertretern aus Lokalpolitik, Verwaltung und Zivilgesellschaft sowie Gruppendiskussionen mit Bewohnern der Kommunen geführt, lokale Berichterstattung sowie sozioökonomische Faktoren betrachtet. In den Gruppen gab es durchaus hitzige Diskussionen – die Gespräche dauerten bis zu zweieinhalb Stunden. Häufig wurden Dinge angesprochen wie fehlende Begegnungs- und Erlebbarkeitsorte, ebenso schlechte Mobilität und Infrastruktur bemängelt. Überrascht hat uns, wie präsent bei vielen noch Gebietrechtsreformen waren, bei denen Kommunen zusammen gelegt wurden und die nicht gerade eine Liebeshochzeit waren. Übergreifend lässt sich festhalten: Lokalpolitik und auch die zurückliegenden Bürgermeisterwahlen spielen eine große Rolle für die Leute.

Wie wird Politik in Kommunen wie Raguhn-Jeßnitz und Bitterfeld-Wolfen wahrgenommen?

Viele Befragte haben gesagt: Sachpolitik ist wichtig, aber sie nehmen diese aber häufig als sehr dysfunktional wahr. Nach dem Motto: Die haben hier jetzt ewig regiert, aber was ist denn passiert? Wenn man sich die Einstellungsforschung anschaut, zeigt sich eigentlich eine hohe Zustimmung zur Idee der Demokratie, sowohl im Westen als auch im Osten. Aber im Osten kommt große politische und soziale Deprivation dazu, also Gefühle von Einflusslosigkeit und fehlenden Mitgestaltungsmöglichkeiten. Das mündet in politischer Unzufriedenheit, was eine Wahl der AfD fördern kann. Die Qualität der Demokratie wird in diesen Kommunen an der Handlungsfähigkeit des Staates gemessen. Ein schönes Zitat aus den Gesprächen war dieses: Ich kann nicht nur immer sagen, dass es keine Papierkörbe gibt, ich muss etwas dafür tun, dass welche aufgestellt werden.

Bild: privat
Im Interview: Nikolas Dietze

lehrt und promoviert aktuell am Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig mit dem Schwerpunkt Demokratie- und Rechtsextremismusforschung. Dietze war in der Vergangenheit im Else-Frenkel-Brunswik-Institut an der Universität Leipzig sowie im Institut für demokratische Kultur an der Hochschule Magdeburg-Stendal tätig. Er ist außerdem Teil des Forschungsprojekts „Integrative Demokratieforschung im Land Sachsen-Anhalt“.

Was konnten Sie explizit aus der Niederlage der AfD in der Stichwahl in Bitterfeld-Wolfen im Oktober 2023 lernen?

Es hat sich gezeigt, dass eine zivilgesellschaftliche Mobilisierung Machtgewinne der AfD auch kurzfristig verhindern kann. Vor allem breite Zusammenschlüsse gegen Rechtsextremismus und für Demokratie können als kurzfristige Interventionsmöglichkeit erfolgreich sein. Der AfD-Kandidat Henning Dornack hat dort den ersten Wahlgang aus dem Stand mit 33 Prozent gewonnen und ist gegen den CDU-Amtsinhaber Armin Schenk in die Stichwahl gezogen. Innerhalb von knappen 2 Wochen ist das Bündnis Stadt mit Courage und gegen Rassismus in Erscheinung getreten, hat einen offenen Brief verfasst, verbunden mit einem Wahlaufruf.

Was hat es gebracht?

Es gab große überregionale Unterstützung, selbst Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat den Brief unterzeichnet. Die Wahlbeteiligung ist gegenüber dem ersten Durchgang nahezu unverändert geblieben. Normalerweise ebbt die Beteiligung in der Stichwahl stark ab. Hier wurde das Ergebnis jedoch gedreht und Amtsinhaber Armin Schenk konnte sich mit 54 Prozent relativ deutlich durchsetzen. Im thüringischen Nordhausen, wo es kurz davor bei einer Stichwahl eine vergleichbare Mobilisierung gegeben hat, lief es ähnlich.

Was war das Erfolgsrezept in Bitterfeld-Wolfen?

Hier hat vor allem die sachpolitische Auseinandersetzung mit der AfD geholfen, indem man ihren Rechtsextremismus thematisiert. Hier hat man gesagt: Die AfD ist nicht einfach nur ein politischer Partner im Stadtrat, sondern als bundespolitische, antidemokratische Partei ein Risiko – auch konkret für unsere Region. Was ist die AfD, was strahlt sie aus und warum wollen wir das nicht haben?

Aber ist es überhaupt eine Niederlage für die AfD, wenn sie eine Wahl so knapp verliert – unterm Strich bleiben ja 46,2 Prozent ein sehr hohes Ergebnis für eine extrem rechte Partei?

Dennoch ist es in erster Linie sehr wichtig, dass es keine weiteren Amtsmandate für die Partei gibt. Ein Oberbürgermeister hat ja erheblich Entscheidungskompetenzen und kann wirksame Entscheidungen in den Kommunen treffen mit Auswirkungen auf viele Personen. Aber neben diesen kurzfristigen Perspektiven muss man auch auf mittel- und langfristige Perspektiven schauen.

Was hilft nach ihren Befragungen denn mittel- und langfristig?

Was in den Interviews immer wieder gesagt wurde: Es finden an allen Ecken und Enden Rückzüge und Abbauten statt. Es braucht eine kontinuierliche Stärkung demokratischer Alltagskultur, also die sichere Förderung von Vereinen und Ortsinitiativen, die im Alltäglichen die Hegemonieansprüche der AfD in Frage stellen. Ebenso sollte infrastrukturelle Rückzüge stoppen. Da brauchen Kommunen auch finanzielle Spielräume. Das können die Kommunen nicht selber schaffen aus eigenen Mitteln.

Inwiefern verschärft Sparpolitik die Situation?

Die AfD kann in diesen Kommunen ihre Hegemonieansprüche auf ein kaputt gespartes Fundament bauen. Mittel- und langfristig müssten diese Lücken geschlossen werden, die der AfD dabei helfen, sich als Lückenfüller und Kümmerer zu inszenieren. Da muss man dazwischen grätschen.

Was fehlt neben Geld?

Wir erleben einen Rückzug demokratischer Parteien vor Ort, die jetzt stärker sichtbar in Erscheinung treten müssten – sowohl analog als auch digital, um der AfD eben nicht diese Rolle des Volksverstehers zu überlassen. Mit Blick auf die Leipziger Autoritarismus-Studien wünscht sich jeder zweite in Sachsen-Anhalt eine starke Partei, die die Volksgemeinschaft verkörpert. Hier dagegen zu halten und die Sichtbarkeit im ländlichen Raum zu erhöhen, ist natürlich auch eine Parteienaufgabe. Wichtig wäre da auch die Ostverbände der Parteien zu unterstützen, die die Ressourcen häufig nicht dafür haben. Ganz pragmatisch müsste es einfach Leute geben aus Regionen, wo die Parteien praller aufgestellt sind – aus Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen etwa. Die müssten vorbei kommen und im Wahlkampf unterstützen: Plakate aufhängen, Wahlkampfstände machen und Präsenz zeigen.

Was sind die Lehren aus Raguhn-Jeßnitz, wo mit Hannes Loth der erste hauptamtliche AfD-Bürgermeister ins Amt gewählt wurde?

Hier zeigt sich, dass Kommunalämter entschieden zu einer Normalisierung der AfD bundesweit beitragen können. Einerseits ist Hannes Loth seit der Gründung der AfD 2013 jeden Schritt der Radikalisierung mitgegangen – und die AfD Sachsen-Anhalt ist vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Andererseits mäandert Loth stark zwischen Nähe und Distanz zu seiner Partei. Er hat in seiner Landtagsfraktion etwa mal gefordert, sich konsequenter von der Identitären Bewegung abzugrenzen. Damit ist er bei seiner Fraktion an Grenzen gestoßen, weil diese mit Hans-Thomas Tillschneider und Co. deutlich anders ticken…

also klaren Rechtsextremen, die wie Tillschneider schon mal zu einer Demo vor Privathäuser von CDU-Landräten mobilisieren, zum Krieg gegen die eigene Bundesregierung aufrufen oder etwa Ulrich Siegmund, der beim Potsdamer Vertreibungstreffen dabei war und dort staatliche Diskriminierungen gegen Menschen mit Migrationshintergrund forderte und auf Tiktok mit extrem rechter Hetze erfolgreich ist …

…ja, und Loth strahlt eben nicht dieses klassische AfD-Politiker-Bild aus. Sein Mäandern zwischen Nähe und Distanz zu solchen Figuren ermöglicht es wiederum anderen kommunalpolitischen Akteuren, aber auch Bewohnern, Sympathien und Zusammenarbeit zu rechtfertigen. In seiner Beurteilung dominiert das Persönliche. Wenn man mit Leuten vor Ort spricht, gib es wenig Kritik an ihm.

Warum stören sich viele nicht daran, dass er in einer rechtsextremen Partei ist?

Zugespitzt: Das Verfassungsschutz-Label gesichert rechtsextrem spielt vor Ort keine Rolle. Das hat natürlich gesamtgesellschaftliche Ursachen: Durch den Rückzug demokratischer Parteien und regionale Strukturschwächen tun sich Wirksamkeitsfelder auf, die Loth vor Ort sehr gut füllt. Wir nennen das kommunalen Machtpragmatismus, mit dem Loth die Partei auch überregional normalisieren kann. Hier kann die AfD behaupten, wir können auch regieren und Verantwortung übernehmen.

Geht das vor Ort auf?

Ja, laut unseren Befragungen geht das offensichtlich auf. Und darin steckt die große Gefahr von Raguhn-Jeßnitz. Die vor Ort von Loth ausgestrahlte Normalität steht der bundesweiten Radikalisierung und Skandalisierung der AfD im alltäglichen Erleben der Menschen vor Ort sehr entgegen. In Raguhn-Jeßnitz gibt es wenig Angriffsfläche, wo man sagen könnte, das ist eine dezidiert rechtsextreme Agenda. Was nicht heißen soll, dass Sachpolitik unpolitisch ist oder keine Auswirkungen hat – das Gegenteil ist der Fall – hier werden wirksame Entscheidungen für die Bewohner der Kommunen getroffen.

Am 9. Juni bei den Kommunalwahlen ist eine flächendeckende Stärkung der AfD in Kommunalparlamenten und damit noch einmal ein großer Normalisierungsschub zu erwarten. Was leiten Sie dafür aus ihrer Forschung ab?

Vor Ort sehen wir häufig eine stark fragmentierte Kommunalpolitik bei einer zunehmenden Entfremdung von der Parteiendemokratie. Das macht es der AfD und anderen Wählerbündnissen leicht, sich dort breit zu machen. In Raguhn-Jeßnitz ist ja nicht Hannes Loth von der AfD gegen Kandidaten von SPD, Grünen und Linken angetreten, sondern gegen einen Kandidaten von einem freien Wählerbündnis. In Bitterfeld-Wolfen haben wir mit AfD und dem Wählerbündnis Pro Wolfen zwei Fraktionen im Stadtrat, die wie eine auftreten.

Momentan macht das nur AfD?

Zumindest in der Wahrnehmung der Leute ist es so, dass die AfD als wesentlich präsenter wahrgenommen wird. Sowohl digital als auch vor Ort ist die AfD einzige Partei, die sich auf den Netto-Parkplatz stellt und ansprechbar ist. Der Vorgänger von Hannes Loth hat Bürgersprechstunden in seinem Büro angeboten und gewartet, dass jemand vorbei kommt. Loth selbst stellt sich jedes zweite Wochenende in einem anderen Ortsteil auf den Parkplatz am Supermarkt und kommt zu den Leuten. Und in Bitterfeld-Wolfen gibt es eine Bundesstraße, an der man nicht vorbei kommt, an der permanent drei große Werbetafeln der AfD hängen, auf denen deren nächsten Termine und Veranstaltungen angekündigt werden. Hier werden große Hegemonieansprüche gestellt. Es ist eine Raumübernahme, aber auch in gewisser Hinsicht eine Raumüberlassung.

Welche konkreten Folgen hat die in Teilen schon erfolgreiche Übernahme des öffentlichen Raums für diejenigen, die nicht ins Weltbild der AfD passen?

Das haben wir uns nicht konkret angeschaut als eigenen thematischen Schwerpunkt. Aber das meine ich mit folgenschweren Entscheidungen – der AfD-Landrat in Sonneberg sitzt an der Spitze mächtiger Verwaltungsbehörden, die Gesetze umsetzen müssen: Waffengesetz, Aufenthalts- und Versammlungsgesetz, Asylbewerberleistungsgesetz. Das sind entscheidende Dinge für das Alltagsleben von Menschen. Daran hängt vieles: Wie ist das öffentliche Klima, welche Einrichtungen werden unterstützt, wo werden die Kranken untergebracht?

In Sonneberg ist die rechte Gewalt seit dem Amtsantritt von dem AfD-Landrat gestiegen. War rechte Hegemonie als Problemfeld mit Auswirkungen auf das öffentliche Klima auch ein Thema in ihren Interviews?

Das haben einige Leute angesprochen. Im Stadtrat fragen sich Abgeordnete auch, warum sie sich jetzt nach vorne stellen sollen und sich zwei Stunden lang anbrüllen lassen sollen. In Bitterfeld-Wolfen tritt die AfD sehr angriffslustig und kampfbereit in Erscheinung. Es gibt ein sehr sicheres Auftreten und Dominanzgebaren. Bei den Demos gegen Rechtsextremismus nach der Correctiv-Recherche haben in Bitterfeld-Wolfen AfD-Politiker die Demonstranten abgefilmt. Das so erzeugte öffentliche Klima macht es den Leuten schwer, in Erscheinung zu treten oder in die Öffentlichkeit zu gehen.

Das erinnert wie auch Angriffe auf Wahlkampfhelfer an die Baseballschlägerjahre der Neunziger mit Einschüchterungsmethoden von Kameradschaften und militanten Neonazis – also faschistische Methoden.

Ja, das ist auch genau das Fundament, was in diesen Kommunen herrscht und die Normalisierung der AfD begünstigt. Neben den gewaltsamen Baseballschlägerjahren kamen aber auch die Politik von Bundes- und Landesregierungen von in dieser Zeit und den Jahren danach, die das nicht weitreichend bekämpft haben. Das begünstigt rechte Hegemonie in ostdeutschen Kommunen bis heute.

Welche Rückschlüsse ziehen Sie mit Blick auf die Abgrenzung gegenüber der AfD? Gibt es die viel zitierte Brandmauer auf kommunaler Ebene überhaupt, wenn der wertkonservative CDUler mit dem AfD-Nachbar zusammen im Kommunalparlament sitzen und schon lebensweltlich nicht soweit voneinander weg sind?

Es braucht natürlich eine Selbstbehauptung gegen antidemokratische Aspekte der AfD-Agenda beim Abstimmungsverhalten. Aber eine Brandmauer existiert in diesen Kommunen nicht – bei Loth ist es klar, weil er Bürgermeister ist, aber in Bitterfeld-Wolfen existiert sie auch nicht. Hier wird gesagt: Brandmauer ist ein Konzept aus Berlin, das hier bei uns lokal nicht funktioniert. Da zeichnet sich die Verharmlosung der Partei als normaler demokratischer Akteur ab, der eben demokratisch gewählt wurde.

Was sagten die Befragten in den Gesprächen dazu?

Aussagen dazu haben bei uns gereicht von: „Die Partei ist demokratische gewählt, ich habe einen Eid geschworen, meiner Kommune keinen Schaden zuzufügen als Stadtratsabgeordneter, deswegen muss ich mit allen zusammen arbeiten“, bis zu Aussagen wie: „Die AfD ist demokratische Partei wie alle anderen auch.“ Aber es gibt auch Leute, die ihre Funktion im Stadtrat nutzen, um zu sagen: Man kann keine Anträge zusammen mit der AfD einbringen. Zwei Parteien können zwar das Gleiche fordern, aber trotzdem ist es nicht das Selbe. Natürlich können wir dafür stimmen, die Kita zu sanieren, aber auch die Frage stellen: welche Kinder sollen denn in die Kita gehen am Ende? Für wen ist die?

Wer für AfD-Anträge stimmt, trägt ja auch zur Normalisierung bei.

Natürlich fördert gemeinsames Abstimmungsverhalten die Normalisierung, das sollte man nicht wegwischen. Aber es ist immer auch ein schmaler Grat, von außen die Brandmauer einzufordern. Denn es ist auch vermessen, Ehrenamtlichen, die das Stadtratsamt neben einem 40-Stunden-Job machen, Handlungsempfehlungen auszusprechen, wie sie diesen Konflikt vor Ort genau lösen müssen. Diese Realität muss man auch einbeziehen. Häufig müssen dort präzise Einzelfallentscheidungen gelöst werden – das ist schon eine Herkulesaufgabe. Das bleibt ein Dilemma.

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5 Kommentare

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  • „…unterm Strich bleiben ja 46,2 Prozent ein sehr hohes Ergebnis für eine extrem rechte Partei?

    Dennoch ist es in erster Linie sehr wichtig, dass es keine weiteren Amtsmandate für die Partei gibt.“

    Nein, wenn 46,2 Prozent der Leute einer antidemokratischen Partei ihre Stimme geben, dann geht das Problem doch wohl sehr viel tiefer. Und dann ist es nicht unbedingt sinnvoll das Phänomen auf einer solchen „mikropolitischen“ Ebene zu thematisieren.



    Und wenn sich „jeder zweite in Sachsen-Anhalt eine starke Partei (wünscht), die die Volksgemeinschaft verkörpert“, dann ist das Gegenmittel doch nicht „die Sichtbarkeit im ländlichen Raum zu erhöhen“. Da hat man es mit einem genuin faschistischen Weltbild zu tun und man sollte sich klarmachen, dass diese Leute etwas wollen, das die Demokratie ihnen nicht geben kann und nicht geben darf.

  • Wenn ein Kandidat im ersten Wahlgang 33 Prozent bekommt und in der Stichwahl gegen den von allen anderen Parteien unterstützten Amtsinhaber verliert, ist das nicht gerade eine Überraschung.



    Deshalb finde ich es schon erstaunlich, daß ein Politikwissenschaftler da so viel hinein interpretiert.

  • Auch ihn Berlin hat die Brandmauer Löcher.

    Das erste Große war die Wahl von Sören Benn von der Linken zum Bezirksbürgermeister von Pankow mit AfD-Stimmen.

    Und das war glaubwürdig.

    Benn hatte wohl parteiübergreifend viel Respekt.

    Es spielt anscheinend eine Rolle, wie groß das Gremium ist.

    Je kleiner es ist, desto näher kommt man sich, desto besser lernt man sich kennen.

  • >“ Denn es ist auch vermessen, Ehrenamtlichen, die das Stadtratsamt neben einem 40-Stunden-Job machen, Handlungsempfehlungen auszusprechen, wie sie diesen Konflikt vor Ort genau lösen müssen.“

    Dies ist ein besonders wichtiger Satz. Gerade in der Kommunalpolitik, wo der Zuspruch zu ehrenamtlicher Tätigkeit allgemein rückläufig ist, denselben Effekt spüren auch Vereine, fällt es schwer zusätzlich Präsenz zu zeigen.

  • Ich verstehe den Optimusmus absolut nicht. Bei jeweils ein Drittel für AfD und CDU im ersten Wahlgang ist doch hoffentlich anzunehmen, dass das dritte Drittel links der CDU steht. Das Bündnis Stadt mit Courage und gegen Rassismus hat mit dem Ausgang der Wahl, dessen Erfolg es auf seine Fahnen schreiben will, offensichtlich nichts zu tun. Wenn ich mir die sozioökonomisch interventionistische Sprache so anhöre, zumindest nicht in der beabsichtigten Richtung.