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Folgen der Klimakrise auf die MeereSeegericht nimmt Staaten in Pflicht

Ein Gutachten des Internationalen Seegerichtshofs zeigt, wie die Erderhitzung zur „Verschmutzung“ der Meere führt. Ein Erfolg für kleine Inselstaaten.

Der Müll und das Meer in Tuvalu Foto: Mick Tsikas/imago

FREIBURG taz | Das Aufheizen und Versauern der Meere sowie der Meeresspiegelanstieg durch Kohlendioxid gelten als Verschmutzung der Ozeane – damit sind Staaten schon allein durch das Seerechtsübereinkommen von 1982 zum Klimaschutz verpflichtet, nicht etwa erst durch das Pariser Weltklimaabkommen von 2015. Zu diesem Schluss ist am Dienstag der Internationale Seegerichtshof in Hamburg gekommen. Er verkündete ein Gutachten, das von neun kleinen Inselstaaten angefordert worden war.

Die kleinen Inselstaaten, zu denen Tuvalu, Vanuatu und die Bahamas gehören, hatten sich erst 2021 am Rande der Klimakonferenz in Glasgow zu einer Vereinigung namens Cosis zusammengefunden. Die Abkürzung Cosis steht für Commission of Small Island States on Climate Change and International Law. Manche der Staaten drohen bei weiterem Ansteigen des Meeresspiegels zu verschwinden.

2022 beantragte Cosis ein Gutachten, um zu erfahren, welche Klimaschutzverpflichtungen aus dem Seerechtsübereinkommen folgen. Ende 2023 fand in Hamburg eine mündliche Verhandlung statt, an der 33 Staaten – auch Deutschland – teilnahmen und ihre Stellungnahme abgaben.

Nun verlas Albert J. Hoffmann, der südafrikanische Präsident des Seegerichtshofs, über eineinhalb Stunden lang das Gutachten. Der Gerichtshof besteht seit 1996 und klärt Streitfragen zum UN-Seerechtsübereinkommen von 1982.

Negative Folgen der Klimakrise

In diesem Übereinkommen tauchen die Worte Klimaschutz und Treibhausgase nicht auf, aber es gibt eine Verpflichtung der Vertragsstaaten zum Schutz der Meere vor Verschmutzung – und als solche gelten nun laut dem Hamburger Gerichtshof auch die negativen Folgen der Klimakrise auf die Meere.

Die Vertragsstaaten haben daher die Pflicht, so Hoffmann, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Meeresverschmutzung durch menschengemachte Treibhausgase zu vermeiden, zu vermindern und zu kontrollieren. Dabei müssen sich die Staaten an den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren sowie an den Verpflichtungen internationaler Verträge wie dem Pariser Klimaschutzübereinkommen.

Konkrete Verpflichtungen nannte der Gerichtshof nicht, sie würden je nach Mitteln und Fähigkeiten der Staaten variieren. Entwicklungsländern sollten besonders unterstützt werden – insbesondere, wenn sie existenziell bedroht sind.

Das Gutachten des Gerichtshofs erging einstimmig, das heißt alle 21 Rich­te­r:in­nen stimmten zu. Es ist zwar rechtlich nicht bindend, kann aber als Grundlage für Klagen gegen einzelne Vertragsstaaten genutzt werden. Für solche Klagen wäre dann wohl auch der Hamburger Seegerichtshof zuständig. Payam Akhavan, der kanadische Anwalt der kleinen Inselstaaten, sprach bereits von Schadensersatzforderungen.

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