Förderung von Demokratieprojekten: 500 Millionen Euro gegen rechts

Die Ampel plant ein Demokratiefördergesetz. Initiativen finden das zu unkonkret und legen einen eigenen Entwurf vor. Inklusive klarer Finanzforderung.

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Erfährt Kritik von Verbänden: Familienministerin Lisa Paus (Grüne) Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Erst vor wenigen Tagen legten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) einen Entwurf für das lange umkämpfte Demokratiefördergesetz vor. Damit sollen Projekte gegen Extremismus langfristig abgesichert werden, statt wie bisher nur für wenige Jahre. Doch etliche zivilgesellschaftliche Initiativen üben Kritik an der Ausgestaltung – und legten am Dienstag einen eigenen Gesetzentwurf vor.

Was bisher zu dem Gesetzentwurf bekannt sei, sei „ernüchternd“, erklärten am Dienstag Ver­tre­te­r:in­nen eines Bündnis von gut 60 Initiativen, die in der Demokratiearbeit aktiv sind. Geplant sei offenbar ein abstraktes Gesetz, das für die Projekte wenig ändern würde.

Grit Hanneforth vom Bundesverband Mobile Beratung mahnte, „das Demokratiefördergesetz muss halten, was es verspricht, und Projekten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus echte Perspektiven bieten“. Auch Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung betonte: „Ein klar abgestecktes und finanziell unterlegtes Demokratiefördergesetz ist auch die Ansage an den organisierten Rechtsextremismus, dass die demokratische Gesellschaft ihm die Stirn bietet.“

In dem Gesetzentwurf der Initiativen werden konkrete Demokratiegefährdungen benannt, für die das Gesetz zuständig sein solle – weit ausführlicher als im Entwurf von Faeser und Paus: Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Homo-und Transfeindlichkeit, Antifeminismus, Sozialdarwinismus, Behindertenfeindlichkeit, Sexismus, Klassismus und Adultismus. Aufgeführt wird auch, wer diesen Phänomene bekämpfen soll – dazu gehören die Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt, die Mobilen Beratungen gegen Rechtsextremismus, Ausstiegsprojekte und Kompetenznetzwerke, die bundesweit Demokratiefeindlichkeit bearbeiten.

Initiativen wollen bei Förderrichtlinien mitreden

Die Verbände fordern zudem, an der Erstellung und Umsetzung der Förderrichtlinien zu dem Gesetz beteiligt zu werden. „Ein gutes Gesetz kann nur unter Mitwirkung der Zivilgesellschaft entstehen“, erklärte Hanneforth. Dies werde etwa im Bereich des Kinder- und Jugendplans des Bundes bereits so praktiziert.

Und um die Arbeit der Projekte tatsächlich finanziell abzusichern, fordern die Initiativen eine konkrete Fördersumme: jährlich mindestens 500 Millionen Euro. Das wäre ein kräftiger Anstieg zur bisherigen Förderung, für die im Bundeshaushalt für das Jahr 2023 insgesamt 200 Millionen Euro eingeplant sind.

Mit dem Gesetz explizit nicht gefördert sollen nach Willen der Initiativen dagegen Präventionsprojekte, die mit einem „sicherheitsbehördlichen Verständnis“ arbeiteten. Auch politische Bildungsmaßnahmen jenseits der benannten Demokratiegefährdungen seien nicht zu berücksichtigen. Und die umstrittene Extremismusklausel, die etwa die Union fordert, enthält der Gesetzentwurf der Initiativen auch nicht. Festgehalten aber ist, dass die Träger „eine den Grund- und Menschenrechten förderliche Arbeit gewährleisten“ müssten.

„Projektitis muss aufhören“

Grit Hanneforth begründete die Notwendigkeit des Gesetztes auch mit den jüngsten Desinformationskampagnen und Angriffen auf Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r:in­nen in jüngster Zeit. „Einmal mehr ist deutlich geworden, dass die Demokratie und die Menschen, die sich für sie einsetzen, in Gefahr sind.“ Auch Robert Kusche, Vorstand der Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt, betonte, dass es dagegen „langfristige, solidarische und professionelle Beratungsstrukturen“ brauche. Dies sei nur mit gesetzlicher Grundlage möglich. Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung forderte ebenso Planungssicherheit ein. „Die kleinteilige Projektitis muss aufhören.“

Ein Demokratiefördergesetz wird seit Jahren von zivilgesellschaftlichen Initiativen gefordert, zuletzt war es an der Union gescheitert. Die Ampel will das Gesetz nun tatsächlich umsetzen. Faeser und Paus kündigten an, dass das Gesetz bis Jahresende verabschiedet werde. Auch sie verweisen auf den zuletzt gestiegenen Hass in den Kommunen und im Internet und die Notwendigkeit langfristiger Demokratiearbeit.

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■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

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