Flugzeugabsturz bei Teheran: Iran fordert Beweise

Hat der Iran die Boeing 737 mit einer Rakete vom Himmel geholt? Ein Video zeigt ein aufsteigendes Objekt. Internationale Experten sollen ermitteln.

eine junge Frau hält ein Plakat hoch, mit Fotos eines jungen Mannes

Trauer um einen jungen Mann in Toronto, der den Absturz der ukrainischen Maschine nicht überlebte Foto: Chris Young/ap

BERLIN taz | Der Iran bleibt bei seiner Darstellung: Die ukrainische Passagiermaschine, die am Mittwoch nahe Teheran abstürzte, sei nicht von einer Rakete getroffen worden, sagte der Chef der Flugbehörde Ali Abedsadeh am Freitag. Zuvor hatten sich die Hinweise verdichtet, dass die iranische Luftabwehr die Maschine – wohl versehentlich – abgeschossen hat. Abedsadeh forderte Beweise für den angeblichen Abschuss; ein Regierungssprecher sprach von „einer großen Lüge“ und „psychologischer Kriegsführung“ gegen den Iran.

Die Vermutung, die Maschine sei abgeschossen worden, geht auf bislang nicht öffentlich zugängliche Informationen westlicher Geheimdienste sowie auf Videoaufnahmen zurück. Am Donnerstagabend war bekannt geworden, dass die Regierungen von Kanada und Großbritannien nach eigenen Angaben von einem Abschuss ausgehen. US-Medien berichteten unter Berufung auf Regierungsvertreter, dass auch Washington einen versehentlichen Abschuss für sehr wahrscheinlich halte.

Am Freitag zogen die Europäer nach. Bei einem Krisentreffen zur jüngsten Iran-USA-Krise in Brüssel erklärten die Außenminister einiger EU-Staaten, auch sie gingen von einem versehentlichen Raketenbeschuss aus. Der deutsche Außenminister Heiko Maas sagte, die Maschine sei „möglicherweise“ irrtümlich mit einer Flugabwehrrakete abgeschossen worden.

Das Flugzeug war am Mittwochmorgen, wenige Stunden nach den nächtlichen Raketenangriffen des Irans auf US-Stellungen im Irak, nahe Teheran abgestürzt. Alle 176 Insassen kamen ums Leben, darunter 63 kanadische StaatsbürgerInnen.

Die Informationen der westlichen Regierungen gehen offenbar auf Satellitendaten sowie auf abgehörte Telefonate zurück. Laut New York Times haben US-Militärsatelliten den Abschuss zweier Raketen festgestellt. Dies sei durch abgehörte Gespräche bestätigt worden.

Kleinere Explosion am Himmel

Darüber hinaus weist auch öffentlich zugängliches Material auf einen Abschuss hin. Die New York Times verbreitete ein Video, das den Abschuss zeigen soll. Zu sehen ist, wie ein Flugobjekt – offenbar eine Luftabwehrrakete – schnell aufsteigt. Es folgt eine kleinere Explosion im dunklen Nachthimmel. Das Recherchekollektiv Bellingcat geolokalisierte das Video und bestätigte die Angaben der New York Times noch am Donnerstag. Damit decken sich die Medieninformationen bislang mit den Regierungsangaben.

US-Präsident Donald Trump

„Jemand auf der anderen Seite könnte einen Fehler gemacht haben.“

Sollte die Abschusstheorie stimmen, ergibt sich folgendes Bild: Wenige Stunden nach dem Raketenangriff auf US-Stellungen im Irak startete der Passagierflug 752 am Mittwochmorgen um 6.12 Uhr auf dem Imam-Chomeini-Flughafen in Teheran. Ein paar Minuten nach dem Start verlor sich das Signal der Maschine, möglicherweise durch die Explosion einer Luftabwehrrakete.

Dem Bericht der New York Times zufolge flog das Flugzeug aber weiter, drehte um in Richtung Flughafen und explodierte erst später. Dies könnte den Absturzort nordöstlich des Ortes erklären, an dem die Rakete explodiert sein soll. Ob eine zweite Rakete das Flugzeug traf, ist bislang unklar.

Trump bleibt vage

Mehrere US-Medien berichteten, die US-Regierung halte es für möglich, dass der Iran aus Angst vor US-Vergeltungsschlägen sein Luftabwehrsystem aktiviert habe und dass das Flugzeug für eine Bedrohung gehalten worden sei. US-Präsident Donald Trump äußerte sich am Donnerstag nur vage: „Jemand auf der anderen Seite könnte einen Fehler gemacht haben.“ Klarer wurde Kanadas Premier Justin Trudeau. Die „Beweise“ seien „sehr klar“ und deuteten auf einen Abschuss hin. Gleichzeitig rief er zu weiteren Untersuchungen auf.

Die iranische Flugbehörde hatte gleich am Mittwoch von einem technischen Defekt gesprochen. Trotzdem teilten die Behörden mit, dass Ermittlungen zur Klärung der Absturzursache bereits begonnen hätten. Auch Vertreter der USA, Kanadas und Frankreichs sollen einbezogen werden. Ukrainische Experten sind bereits im Iran eingetroffen.

Auf eine erneute Eskalation des USA-Iran-Konflikts deutet indes nichts hin. Keine der beteiligten Regierungen geht bislang davon aus, dass das Flugzeug absichtlich abgeschossen wurde. Trump und Trudeau waren sichtlich um Deeskalation bemüht. Der Abschuss der Maschine könnte „unabsichtlich“ geschehen sein, betonte Trudeau.

Mittlerweile wurde bekannt, dass vier Menschen aus Deutschland in dem Flugzeug saßen: neben einer Doktorandin aus Mainz eine 30-jährige Mutter mit afghanischer Staatsangehörigkeit aus Nordrhein-Westfalen sowie ihre zwei Kinder, 5 und 8 Jahre alt.

Der Vorfall erinnert an das Jahr 1988. Damals schossen die USA von einem Kriegsschiff eine Rakete auf eine iranische Linienmaschine und töteten 290 Menschen. Die USA sprachen von einem Irrtum; die Maschine sei für ein Kampfflugzeug gehalten worden.

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