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Flüssige Luft für die EnergiewendeAußergewöhnlicher Stromspeicher

In Großbritannien entsteht eine riesige Batterie auf Basis von flüssiger Luft. In Deutschland liegt die Arbeit an der Technologie brach.

Eine der Herausforderungen der Energiewende: Wie lassen sich Wind- und Sonnenenergie speichern? Foto: Paul Langrock Agentur Zenit

Freiburg taz | Nutzt man immer mehr Solar- und Windenergie, braucht man früher oder später Stromspeicher, um Solarstrom vom Tag in die Nacht zu retten oder Windstrom vom Sturm zur Flaute. In Großbritannien geht jetzt eine außergewöhnliche Speichertechnologie in einen großen Praxistest: flüssige Luft.

Bei diesem Verfahren wird der Strom genutzt, um Luft zu komprimieren und auf minus 190 Grad Celsius abzukühlen. So wird die Luft flüssig und kann bei niedrigem Druck in einem Tank gelagert werden – mit der 700-fachen Dichte der Umgebungsluft. Braucht man später Strom, wird die flüssige Luft wieder erwärmt, sie verdampft und treibt mit ihrem Druck eine Turbine und diese einen Generator. Das Verfahren wird LAES (Liquid Air Energy Storage) genannt.

Im Norden Englands auf dem Gelände eines ehemaligen thermischen Kraftwerks baut das britische Unternehmen Highview Power nun den weltweit größten Flüssigluftspeicher, gefördert durch die britische Regierung mit 10 Millionen Pfund. Er soll eine Leistung von 50 Megawatt erreichen und eine Kapazität von 250 Megawattstunden. In zwei Jahren soll die Anlage betriebsbereit sein. Seit 2018 bereits betreibt Highview Power eine entsprechende Demonstrationsanlage mit 5 Megawatt in der Nähe von Manchester.

Während Großbritannien das Konzept nun mit Forschungsgeld vorantreibt, hat sich in Deutschland die Kältetechnikfirma Linde aus der Technologie zurückgezogen. Auf Nachfrage lässt sie wissen, dass das Thema im Unternehmen „derzeit nicht weiterverfolgt“ werde, man sei aktuell an keinem Projekt mehr beteiligt. Einst hatte das noch ganz anders geklungen. Auf seiner offenbar nicht mehr aktuellen Internetseite bewertet Linde die Technik LAES noch als „eine wettbewerbsfähige Speicheralternative bei Anwendungen ab 50 Megawatt Leistung und für Speicherzeiten von 2 bis 20 Stunden“.

Auch heiße Luft?

War das nicht nur flüssige, sondern auch heiße Luft? André Thess, Leiter des Instituts für Technische Thermodynamik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart, hebt zwar die hohe Zyklenzahl hervor, die Speicher dieser Art erreichen, während eine Batterie zum Beispiel nach mehreren Tausend Ladezyklen an Kapazität verliert.

Doch das Verfahren, auch kryogener Energiespeicher genannt, ist nicht gerade effizient: „Die Thermodynamik setzt die Grenzen“, sagt Thess. So werde man auch in Zukunft bestenfalls rund 40 Prozent des eingesetzten Stroms wieder zurückbekommen. Heute liege man in der Praxis noch darunter, bei etwa 25 Prozent. Zum Vergleich: Batterien erreichen je nach Typ Werte von 70 bis 95 Prozent.

Hinzu kommt: Flüssige Luft speichert Strom nur für Stunden oder Tage. Damit kann man zwar den Strom aus der Morgensonne in den Abend bringen, nicht aber den vom Sommer in den Winter. Während der Speicherung geht fortwährend Energie verloren. Auf 5 bis 15 Prozent pro Monat beziffert der Bundesverband Energiespeicher die Verluste.

Dafür braucht die flüssige Luft aber – anders als Lithium-Ionen-Batterien – keine seltenen Rohstoffe. Grundsätzlich ist LAES daher durchaus eine Option in der Vielfalt der Speicherideen, die neben Pumpspeichern, Batterien oder Wasserstoff allenthalben entwickelt werden. Zumal diese Technik „einen geringen Volumenbedarf“ habe, wie Alexa Velten, Speicherexpertin bei der Energieagentur NRW, betont. Und dennoch werde der Flüssigluftspeicher in Deutschland wohl ein Randthema bleiben, vermutet die Wissenschaftlerin – schlicht, weil das Verfahren aus heutiger Perspektive nicht wirtschaftlich ist.

An der Uni Bochum lief unter dem Namen „Kryolens“ ein Forschungsprojekt, das LAES auch ökonomisch analysierte. Der Abschlussbericht wurde im September fertiggestellt. Die Untersuchungen ergaben, dass eine Rentabilität „bei gegebenen Strommarktpreisen und Investitionen nicht erzielt werden kann“.

Energiewende verschleppt

Dieses Problem ist allerdings auch hausgemacht – und betrifft längst nicht nur die flüssige Luft. Viele Stromspeicher sind bei den aktuellen Verhältnissen am Energiemarkt unwirtschaftlich. Ein Speicher finanziert sich dadurch, dass er billigen Strom aufnimmt und ihn in Zeiten der Knappheit wieder abgibt, wenn Strom teurer ist.

Doch Stunden knappen Stromangebots – was sich in entsprechend hohen Preisen am Spotmarkt ausdrückt – gibt es derzeit praktisch nicht. Das liegt auch daran, dass Deutschland im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien lange kaum fossile Kraftwerke abgeschaltet hat. Die Preisunterschiede an der Strombörse zu Zeiten des Überschusses und zu Zeiten des Strom­mangels sind zu gering, als dass Speicher damit rentabel zu betreiben wären – erst recht bei Technologien, die noch großen Entwicklungsbedarf haben.

Es ist das Paradoxon der Energiewirtschaft: Alle reden von der Notwendigkeit von Stromspeichern – und der Markt signalisiert zugleich, dass sie aktuell gar nicht gebraucht werden. Das allerdings dürfte sich ändern, wenn in großem Stil fossile Kraftwerke vom Markt gehen.

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18 Kommentare

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  • "Doch Stunden knappen Stromangebots – was sich in entsprechend hohen Preisen am Spotmarkt ausdrückt – gibt es derzeit praktisch nicht."



    habe mal die Spotmarktpreise angeschaut, die variierten in der Zeit vom 11.11. bis 13.12. von 8 Euro/MW bist 102 Euro/MWh. Der Autor des Artikels scheint nicht vom Fach zu sein . Natürlich variieren die Preise sehr stark, ein Resultat des Atom- und Kohleausstiegs und der sehr starken Variabilität der erneurbaren Energien.

    • @Gerald Müller:

      Jemand anderem vorwerfen "nicht vom Fach zu sein", aber dann selbst Megawatt und Megawattstunden verwechseln.

  • "Alle reden von der Notwendigkeit von Stromspeichern..." aber niemand redet vom Energie sparen.



    Wie viel Energie könnte alleine dadurch gespart werden, ersparte es man sich, über die Pippi Langstrumpf Lösungen zu berichten.



    Gehört es nicht mehr zu gutem Journalismus, Ideen und politische Vorstellungen ins Verhältnis mit der Wirklichkeit oder dem technologischen und ökonomischen IST-Zustand zu setzen? Muss man das engen Zeitfenster für das 1,5/2 Grad-Ziel, den Anteil 50% Erneuerbarer in D und rd.18% in der EU, den wachsenden Energiebedarf für E-Mobilität, Digitalisierung, für die H-Technologie, das Bio-Kerosin, "grünen" Stahl, Zement... und "grünes" Aluminium ignorieren?



    Wann fällt endlich der Groschen, dass für eingesparte Energie kein Speicher erforderlich ist, der i m m e r mit einem hohem und zusätzlichem Energieaufwand verbunden sein muss?

    "Alle reden von der Notwendigkeit von Stromspeichern...", weil das "Weiter so!" oberste Priorität hat. Rationalität muss dahinter zurückstehen. Sie hat in der Pippi Langstrumpf Welt keine Bedeutung.

    • @Drabiniok Dieter:

      Was genau wollen Sie denn eigentlich ausdrücken? "Energieverbrauch reduzieren" ist gut, wird wohl jeder unterschreiben. Trotzdem brauchen Sie im Stromnetz immer eine exakt identische Einspeiseleistung vs. Bezugsleistung. Sonst geht zunächst die Netzfrequenz runter, weil den weniger werdenden rotierenden Massen (Kraftwerkswellen) kinetische Energie entzogen wird und dann geht wortwörtlich das Licht aus. Ohne Speicher geht es also rein technisch nur dann, wenn man Kraftwerke hat, die durchgehend und planbar einspeisen. Da das in Dtl. leider hauptsächlich thermische Kraftwerke sind, bleibt offen, worauf Sie eigentlich hinaus wollen. Weiter Kohle verbrennen oder wie?

  • Auch empfehlenswert: der Wikipedia-Artikel [1] dazu. Auffällig ist, dass der "Wirkungsgrad" extrem schwankt, je nachdem ob nebenbei eine "niederwertige" [2] Wärme- oder Kältequelle verfügbar ist, die sonst ungenutzt in die Umwelt "entlassen" würde.

    Also eher in Kombination mit anderen technischen Anlagen interessant, nicht als "isolierter Speicher".

    [1] en.wikipedia.org/w...nic_energy_storage

    [2] "Niederwertig" heisst hier: die Temperaturdifferenz zur Umwelt ist gering. Könnte man aber auch dann für Fernwärme nutzen!

  • Die Notwendigkeit der Speicherung und der hype um Wasserstoff haben regenerativ erzeugten Überschussstrom als Grundlage. Diesen gibt es wenige Stunden oder Tage im Jahr. Also werden diese Anlagen um überhaupt wirtschaftlich sein zu können auf Grundlast zurückgreifen müssen.

    Das ist für mich das Paradoxon der Diskussion!

    Die Anzahl der effizienten Stromspeicher auf vier Rädern nimmt jetzt endlich mal zu. Es wäre so einfach wenn die e-Auto Besitzer zu aufkommenden Spitzenzeiten der regenerativen Stromerzeugung eine sms bekämen: bitte anschliessen, Strom gibt es gerade 5 cent billiger. Auf die nächsten 10 Jahre (20 Jahre?) könnte damit jede Produktionsspitze abgefangen werden.

    Aber das ist mit Sicherheit zu simpel (entspricht nicht der deutschen Ingenieurskunst) und nicht im Interesse der Wasserstoffindustrie, die den Anlegern Gewinne versprechen muss und gerade grosse Forschungsunterstützung abgreift....



    Wir lieben es technisch raffiniert, nicht pragmatisch und logisch.

    • @Heiner Petersen:

      "Wir lieben es technisch raffiniert, nicht pragmatisch und logisch." und nicht zu vergessen - lukrativ!

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Heiner Petersen:

      Oder den Strom Abends, wenn man wieder zu Hause ist teurer verkaufen.



      Aber dann müssen überall genormte Steckdosen in den Straßen installiert werden - wo bleibt denn da die freie marktwirtschaftlich beste Lösung?

  • "Er soll eine Leistung von 50 Megawatt erreichen und eine Kapazität von 250 Megawattstunden."

    Wer mitgerechnet hat: das wären 250 Stunden Betrieb pro Jahr! Also rund 10 Tage. Da muss man nicht in Wirtschaftswissenschafften promoviert haben um zu wissen: Das rentiert sich nie.

    • @danny schneider:

      Auch rechnen will gelernt sein und ich rechne da anders als sie:



      250 MWh / 50 MW = 5 h



      Bedeutet also das Ding liefert mit einer Ladung für 5h eine Leistung von 50MW. Wenn man unterstellt, dass das Aufladen bzw. Aufpumpen ebensolange dauert wären das im Jahr 854 Ladungen bzw. 42.7 GW.

    • @danny schneider:

      Äh, da haben Sie tatsächlich völlig falsch gerechnet. Ist zwar keine Promotion nötig, aber Physik 9. Klasse.

      Da nicht angegeben ist, ob es sich bei den 50 MW bzw. den 250 MWh um Brutto- oder Nettowerte (also vor oder nach Verlusten) handelt, vereinfacht ohne die Verluste erklärt:

      Die Anlage nimmt bei Überangebot 50 MW elektrische Leistung aus dem Netz. Das kann sie für maximal 5 Stunden machen. Dann ist der Speicher voll (50 MW * 5h = 250 MWh). Wenn auch die Rückspeiseleistung 50 MW beträgt (nicht genau angegeben), speist die Anlage dann in einer Situation mit geringem Stromangebot wieder 50 MW ein und kann dies ebenfalls 5 Stunden machen. Ein Zyklus wäre hier also z.B. 10 Stunden. Da ist einmal Geld bezahlt worden zum Stromeinkauf und später einmal (hoffentlich mehr) Geld verdient worden beim Stromeinspeisen.

      Wie kommen Sie da jetzt auf 10 Tage Betrieb im Jahr? Das kann die Anlage doch immer und immer wieder machen. Viel Windstrom = Man macht den Tank voll. Wenig Windstrom ein paar Stunden später = Man macht den Tank leer.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Immerhin versuchen die Briten etwas.



    Wieder einmal zeigt sich, dass die Jungs und Mädels in UK zur Spitzenklasse gehören. Der Brexit ist für die EU ein großer Verlust. Vielleicht können die Briten ja als assoziiertes Mitglied weitermachen - davon gehe ich aus. Die Israelis tun das ja auch.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @17900 (Profil gelöscht):

      Also , ich würde eher mal die Heizung um 1,5% absenken, 19 Grad Raumtemperatur dürfte reichen. Duschen 2x/Woche und Warmwasser nur wenn man es braucht im Wasserkessel erwärmen. Solange ein Rechtsanspruch auf 21°C Raumtemperatur besteht und Warmwasser zu jeder Tages und Nachtzeit aus dem Hahn zu kommen hat, wird es nix mit dem Klimaziel.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @17900 (Profil gelöscht):

      jo, aber das ist jetzt eher so Monthy Pyton Level.



      Wobei, Wasserstoff aus grünem Strom zu erzeugen in Afrika, den dann zu transportieren und wieder in Srom zurückzuwandeln dürfte einen ähnlich niedrigen Wirkungsgrad haben.

      Allerdings können wir in Europa allein unsreren Energiebedarf nicht durch erneuerbare decken.

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @4813 (Profil gelöscht):

        Aber erst mal brauchen die Afrikaner die Energie selbst für die Klimaanlagen, Kühlschränke und Tiefkühltruhen, dann für die Beleuchtung im Heim(um 18.00 ist es zappenduster). Es fehlt an Energie in Afrika. Wenn die Rohstoffe erst mal in Afrika selbst weiterverarbeitet werden , bleibt für Europa nichts mehr übrig, außer man betreibt wieder Kanonenbootpolitik.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Der Wirkungsgrad wäre Mist, richtig, aber nicht unbedingt ein wichtiges Kriterium. Wir beten den Wirkungsgrad an, weil wir es gewohnt sind, dass der Input böse ist (z.B. Kohle, Benzin, ...). Wenn der Input aber gänzlich unschädlich und quasi unendlich ist (Sonneneinstrahlung, Wind), ist der Wirkungsgrad natürlich trotzdem schön, aber ein eher schlechter Wirkungsgrad ist auch kein Ausschlusskriterium.

        Dem steht natürlich der Ressourceneinsatz bei den technischen Anlagen gegenüber, stimmt schon. Man braucht einfach mehr PV-Anlagen, mehr WEA, wenn viel verloren geht. Da sollte der Fokus auf umweltfreundlicher Fertigung liegen und auch dies ist kein Problem mehr.

        • 4G
          4813 (Profil gelöscht)
          @Graustufen:

          Tja, und womit stellen sie Photovoltaik Anlagen her, wenn die Effizienz schlecht ist und sie kaum Energie übrig haben, weil sie ineffiziente Prozesse nutzen? Mit Kohlestrom? Oder haben sie noch was im Ärmel?

          Ein guter Pufferspeicher wäre ein Pjmpspeicherkraftwerk. 75% Wirkungsgrad. Wie wär's mit dem Bodensee?

          • @4813 (Profil gelöscht):

            Das ist Ihnen doch auch jetzt schon klar. Das ist doch die Kernaussage meines Kommentars gewesen. Die Herstellung von weiteren Produktionsmitteln wird mit den vorhandenen Ressourcen gemacht (also hier der vorhandene Strom nach dem miesen Wirkungsgrad). So wie es die Menschheit seit Jahrtausenden macht. Das funktioniert nicht von einem Tag auf dem anderen, wohl aber von einem Jahrzehnt auf das andere. Wenn die Gesellschaft(en) als ganzes das wollten, wäre diese Energie verfügbar. Es würde vielleicht bedeuten, nicht jede zwei Jahre ein neues Handy zu kaufen oder alle 5 Jahre ein neues Auto.