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Flüchtlinge aus der UkraineAnaloge Schlafplatzbörse

Auf Pappschildern bieten Freiwillige am Hauptbahnhof Berlin private Unterkünfte für Flüchtlinge an. Das Land ist auf diese Hilfe dringend angewiesen.

Erstmal angekommen: zwei Kinder aus der Ukraine am Donnerstag am Berliner Hauptbahnhof Foto: Paul Zinken / dpa

BERLIN taz | Bei der Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine braucht das Land Berlin dringend auch private Unterkünfte. „Wir sind auf alle angewiesen. Das ist eine Aufgabe für ganz Berlin“, sagte Stefan Strauß, Sprecher der Senatsverwaltung für Integration, am Donnerstag der taz. „Was wir gerade sehen, ist nur die Spitze einer Fluchtbewegung.“

Strauß zeigte sich gleichzeitig begeistert von der großen Solidarität der Berliner*innen, die innerhalb weniger Tage eine Ankommensstruktur an den Bahnhöfen aufgebaut haben und zu Tausenden privat Schlafplätze anbieten – etwa über die Plattform unterkunft-ukraine.de. Allein für Berlin gebe es dort derzeit 10.000 bis 13.000 Angebote, sagt Jörg Richert vom sozialen Träger Karuna. Er koordiniert die Plattform für Berlin.

Dabei zeigt auch die Art und Weise, wie An­bie­te­r*in­nen und Hilfesuchende derzeit zueinanderfinden, die Dramatik der Lage. Denn die Vermittlung funktioniert noch nicht digital. Stattdessen fordert eine Mail vom Mittwoch Un­ter­stüt­ze­r*in­nen dazu auf, direkt zum Bahnhof zu kommen. „Am besten bringen Sie ein großes Schild mit, auf das Sie gut sichtbar schreiben, für wie viele Personen Sie eine Schlafmöglichkeit für welchen Zeitraum anbieten können“, heißt es darin.

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Laut Richert klappt das bisher „erstaunlich gut“: „Wir schicken alle paar Stunden eine Mail an rund 3.000 auf der Plattform registrierte Personen und bitten sie, zum Bahnhof zu kommen“, sagte er. Dort würden Sprachmittler beim „Matching“ helfen. „Wir brauchen jetzt das zivilgesellschaftliche Engangement“, so Richert. Wer helfen wolle, soll sein Angebot auf die Plattform stellen.

Ankünfte nicht vorhersehbar

Als der Senat sich am Dienstag darauf verständigt hatte, in Berlin zunächst 20.000 Flüchtlinge aufzunehmen, sei die jetzige Entwicklung und die Dynamik der vergangenen Tage noch nicht absehbar gewesen, sagt Strauß. „Inzwischen gehen wir davon aus, dass die Zahlen weitersteigen.“ Das Land müsse ständig ad hoc reagieren. „Wir können nicht voraussehen, wie viele Menschen wann ankommen und wie viele einen Schlafplatz brauchen“, sagte er. Es gebe jeweils nur Hinweise, wie viele Menschen in etwa in den Zügen sitzen. Wie viele davon Flüchtlinge seien und wie viele vom Land untergebracht werden müssten, würde sich erst zeigen, wenn sie ankommen. „Teils werden Menschen am Bahnhof von Freun­d*in­nen oder Verwandten abgeholt. Viele reisen auch von Berlin aus weiter.“

Am Mittwoch hatte das Land rund 1.700 Menschen in offizielle Unterkünfte vermittelt, 700 konnten in Berlin untergebracht werden, 1.000 in Brandenburg und weiteren Bundesländern. Am Dienstag waren es 1.400 gewesen, am Montag noch 350. Wie viele privat bei Bekannten oder bei hilfsbereiten Privatpersonen unterkommen, ist nicht erfasst.

Auch Christian Lüder vom Netzwerk Berlin hilft bestätigt, dass derzeit alle Freiwilligenorganisationen Angebote für Schlafplätze von Un­ter­stüt­ze­r*in­nen bekämen. Außerdem entstünden ständig neue Vermittlungsplattformen oder entsprechende Gruppen mit Angeboten in den sozialen Netzwerken. Wie Hilfesuchende und An­bie­te­r*in­nen zueinanderfänden, sei in vielen Fällen weitgehend unklar. „Es gibt auch problematische Angebote. Wenn ein Mann etwa explizit nach einer allein reisenden Frau sucht, werden wir etwas hellhörig“, sagt Lüder.

Er fordert außerdem eine eigene Ankunftsstruktur für die Flüchtlinge aus der Ukraine. „Das Ankunftszentrum ist auf Asylsuchende ausgelegt. Für Ukraine-Flüchtlinge wird es ja voraussichtlich ein eigenes Verfahren geben.“ Die EU einigte sich am Donnerstag darauf, Ukraine-Flüchtlinge „schnell und unkompliziert“ aufzunehmen.

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