Flucht aus Afghanistan: Auch das Hinhalten feiert Jubiläum
Zwei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban schaffen es ehemalige Ortskräfte und andere zivile Akteure noch immer kaum nach Deutschland.
Zwei Programme sollen derzeit Betroffenen helfen: Über das Ortskräfteverfahren sollen ehemalige lokale Mitarbeiter*innen etwa von deutschen Ministerien ihren Weg nach Deutschland finden, über das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) sollen Aktivist*innen aus der afghanischen Zivilgesellschaft kommen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts (AA) von Montag hat es seit dem Start des Programms im Oktober 2022 allerdings noch kein einziger Mensch so nach Deutschland geschafft.
Das Ministerium verweist dabei auf „höchst komplexen Rahmenbedingungen in Afghanistan“. Immerhin gebe es nun aber „positive Aufnahmeentscheidungen“ für 350 Menschen, die darüber benachrichtigt würden. Über das Ortskräfteverfahren konnten nach Angaben des AA 28.300 Menschen einreisen.
Es waren die Bilder der Menschen, die sich im August 2021 in Kabul an die Tragflächen startender Flugzeuge hängten, die auch im politischen Berlin für Entsetzen sorgten. Der damalige SPD-Außenminister Heiko Maas verkündete: „Unsere Arbeit geht so lange weiter, bis alle in Sicherheit sind, für die wir in Afghanistan Verantwortung tragen.“ Demnach wäre die Arbeit der Deutschen vor Ort noch lange nicht abgeschlossen. Seit einem Jahr ist das Ortskräfteverfahren auch Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im Bundestag.
Noch 30.000 Ortskräfte in Afghanistan?
Die Organisation Mission Lifeline betreibt in Afghanistan sechs Häuser, in denen sie dort vor Ort verfolgten Menschen Unterschlupf gewährt. „Das sind vor allem Ortskräfte vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch vom Verteidigungsministerium“, sagt Axel Steier, Vorstand bei Mission Lifeline.
Seine Organisation geht davon aus, dass weiterhin mindestens 30.000 Ortskräfte mit ihren Familien im Land ausharren müssen. Die Zahl haben sie auf der Grundlage der ehemals in Afghanistan aktiven und mit deutschen Steuergeldern finanzierten Organisationen errechnet. „Als die Notlage in Afghanistan vor zwei Jahren noch aktuell war, hat sich Deutschland gebrüstet, wie viele Projekte es vor Ort gibt“, sagt Steier. Jetzt sei es still geworden um die Organisationen und ihre Mitarbeiter*innen vor Ort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner