Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan: Weiter den Taliban ausgeliefert
Die Bundesregierung nimmt wieder gefährdete Afghan*innen auf. Erst einmal sind die in Nachbarländer Geflohenen dran, aber viele harren im Land aus.
Hoffnungslose Lage: Zwei Frauen auf dem Weg zu einer Essensausgabe in Kabul
Nach drei Monaten Pause ließ die Ampel-Regierung am Montag ihr Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für bedrohte Afghan*innen wieder anlaufen. Das ist erst einmal die gute Nachricht, nachdem Ende März eine von rechten Medien gefahrene Kampagne für einen Programmstopp gesorgt hatte. Der Vorwurf, das grün geführte Auswärtige Amt wolle darüber massenhaft „Scharia-Richter“ und damit potenzielle islamistische „Gefährder“, ins Land holen, stellte sich aber als – sagen wir mal – stark übertrieben heraus.
Offiziell war das BAP nie gestoppt. „Nur“ Visavergabe und Ausreisen waren „zeitweilig ausgesetzt“. Für die 14.000 Betroffenen lief das auf das Gleiche hinaus. Seit seinem Start im Oktober 2022 war bis dahin sowieso noch kein*e Afghan*in über das Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland gelangt.
Niemandem war klar, ob und wann es weitergehen würde. 1.480 zur Visaerteilung in Nachbarländer bestellte Afghan*innen (einschließlich Familienangehöriger) wurden dort immerhin auf Staatskosten geparkt. Schlimmer war es für jene 12.600 Menschen, die in Afghanistan ausharren mussten, weil sie „noch nicht dran“ waren – obwohl sie bereits Aufnahmezusagen hatten, also sicherheitsüberprüft waren. Ihnen drohen jetzt weitere Monate unter den Taliban, denn zuerst wird der „Rückstau“ in Pakistan und Iran abgearbeitet, wobei für die zusätzlichen Sicherheitsinterviews noch gar nicht ausreichend Personal vor Ort ist. Ohnehin sollen höchstens 1.000 Menschen im Monat ausgeflogen werden.
Auch bei älteren Programmen wurden keine neuen Visa mehr vergeben. Unter den Wartenden sind also auch frühere Ortskräfte, Projektpartner*innen deutscher NGOs von der Menschenrechtsliste und eine Reihe bekannter Aktivist*innen. Alle haben sich bewusst für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt; die meisten wurden über 20 Jahre von Bundesregierungen finanziert. Für sie ist die zusätzliche Gewissensprüfung eine Zumutung. Ein Skandal ist, dass sich die Ampel durch eine rechte mediale Treibjagd dazu drängen ließ.
Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan: Weiter den Taliban ausgeliefert
Die Bundesregierung nimmt wieder gefährdete Afghan*innen auf. Erst einmal sind die in Nachbarländer Geflohenen dran, aber viele harren im Land aus.
Hoffnungslose Lage: Zwei Frauen auf dem Weg zu einer Essensausgabe in Kabul
Nach drei Monaten Pause ließ die Ampel-Regierung am Montag ihr Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für bedrohte Afghan*innen wieder anlaufen. Das ist erst einmal die gute Nachricht, nachdem Ende März eine von rechten Medien gefahrene Kampagne für einen Programmstopp gesorgt hatte. Der Vorwurf, das grün geführte Auswärtige Amt wolle darüber massenhaft „Scharia-Richter“ und damit potenzielle islamistische „Gefährder“, ins Land holen, stellte sich aber als – sagen wir mal – stark übertrieben heraus.
Offiziell war das BAP nie gestoppt. „Nur“ Visavergabe und Ausreisen waren „zeitweilig ausgesetzt“. Für die 14.000 Betroffenen lief das auf das Gleiche hinaus. Seit seinem Start im Oktober 2022 war bis dahin sowieso noch kein*e Afghan*in über das Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland gelangt.
Niemandem war klar, ob und wann es weitergehen würde. 1.480 zur Visaerteilung in Nachbarländer bestellte Afghan*innen (einschließlich Familienangehöriger) wurden dort immerhin auf Staatskosten geparkt. Schlimmer war es für jene 12.600 Menschen, die in Afghanistan ausharren mussten, weil sie „noch nicht dran“ waren – obwohl sie bereits Aufnahmezusagen hatten, also sicherheitsüberprüft waren. Ihnen drohen jetzt weitere Monate unter den Taliban, denn zuerst wird der „Rückstau“ in Pakistan und Iran abgearbeitet, wobei für die zusätzlichen Sicherheitsinterviews noch gar nicht ausreichend Personal vor Ort ist. Ohnehin sollen höchstens 1.000 Menschen im Monat ausgeflogen werden.
Auch bei älteren Programmen wurden keine neuen Visa mehr vergeben. Unter den Wartenden sind also auch frühere Ortskräfte, Projektpartner*innen deutscher NGOs von der Menschenrechtsliste und eine Reihe bekannter Aktivist*innen. Alle haben sich bewusst für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt; die meisten wurden über 20 Jahre von Bundesregierungen finanziert. Für sie ist die zusätzliche Gewissensprüfung eine Zumutung. Ein Skandal ist, dass sich die Ampel durch eine rechte mediale Treibjagd dazu drängen ließ.
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Schwerpunkt Afghanistan
Kommentar von
Thomas Ruttig
Autor:in
Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.
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