Film und Serie „Watchmen“: Fernsehen toppt Hollywood
Sat 1 zeigt den Superhelden-Film „Watchmen“. Doch der schafft die Komplexität des Comics nicht rüberzubringen – im Gegensatz zur HBO-Serie.

Zu den unklügsten Sätzen, die in journalistischem Zusammenhang in die Öffentlichkeit fanden, gehört: „Das Fernsehen ist das neue Kino“. Denn welches Kino ist gemeint? Chaplin oder Fellini? Doris Wishman oder Penny Marshall? Zhang Yimou oder Ringo Lam?
Das Fernsehen hat eigene Erzählformen und Talente hervorgebracht, Anleihen beim Kino sind also gar nicht nötig. Wo das geschieht, beispielsweise in Serien wie „Babylon Berlin“ und jüngst „8 Tage“, wird zwar der Bildschirm bunt und üppig ausgefüllt, doch Belang und Bewandtnis bleiben rar.
Aktuell kann zur Beweisführung der Hollywoodfilm „Watchmen“ herangezogen werden. Als Vorlage diente eine Comic-Reihe von Alan Moore (Text) und Dave Gibbons (Zeichnungen), die in ihren Werken die Ambivalenz von Helden- und Superheldentum diskutieren. Regisseur Zack Snyder gelang es trotz einer Filmlänge von 160 Minuten nicht, diese Komplexität auf die Leinwand zu bringen. Die Erzählung bleibt Stückwerk; Snyder versuchte, das Publikum mit Gewaltexzessen zu fassen. Gangsterleiber baumeln zerfetzt an der Decke, Schädel werden gespalten, Arme abgeflext, eine Schwangere wird erschossen.
Zehn Jahre später nahm sich „das Fernsehen“ in Gestalt von HBO der Vorlage an. Der Auftrag ging an Damon Lindelof. Der Drehbuchautor und Produzent griff Motive und Figuren des Comics auf und formte eine eigene gegenwärtige Geschichte. In Anlehnung an das reale Tulsa-Massaker von 1921, als ein weißer Mob mordend und brandschatzend durch ein von Schwarzen Menschen bewohntes Viertel zog, gibt es in der Serie eine rassistische Terrororganisation im Stil des Ku-Klux-Klan, die so mächtig ist, dass Polizeiangehörige Masken tragen müssen, um sich vor Racheaktionen zu schützen.
„Watchmen“, Sa., 18.7., 0.05 Uhr, Sat.1
Hooded Justice (Louis Gossett jr.), Vorbild aller maskierten Heldenfiguren nach ihm, ist in dieser Version Schwarz. Er entkam dem Pogrom von 1921, wurde Polizist, beinahe gelyncht und trug seither die Schlinge als Markenzeichen. Seine Enkelin Angela Abar (Regina King) wurde ebenfalls Polizistin. Anführer der Rassisten ist ein Senator, der die Präsidentschaft anstrebt.
Bei allem Aktionsreichtum bleiben die philosophischen und dystopischen Inhalte des Comics erhalten. So kommen Fans auf ihre Kosten und entdecken neue Sichtweisen. Für Neulinge ist die Serie, anders als der Kinofilm, „selbsterklärend“. Die neun Teile können bei Maxdome, Amazon und anderen Anbietern abgerufen werden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“