Film über Mumin-Erfinderin: Vifsla und Tofsla und die Liebe

Zaida Bergroths Biopic „Tove“ über die finnlandschwedische Künstlerin Tove Jansson ist eine Feier des Lebens, der Liebe und der Kunst.

Eine blonde Frau sitzt auf em Boden in ihrem Atelier und malt

Tove Jansson (gespielt von Alma Pöysti) arbeitet in ihrem Atelier Foto: Salzgeber

Tove Jansson und die von ihr kreierte Welt der Mumin­trolle sind in Finnland und Schweden Teil des Kulturerbes. Jedes Kind wächst damit auf; die multitalentierte Künstlerin Tove Jansson (1914–2001) ist dort ebenso berühmt wie Astrid Lindgren.

Ganz anders in Deutschland. Obwohl der Großteil von Janssons Werk, teils in verschiedenen Versionen, in deutschen Übersetzungen erschienen ist, gehören weder Mumin und seine Freunde zum selbstverständlichen Bestand jedes gutsortierten Bücherregals noch ist ihre Erfinderin vielen Menschen namentlich bekannt.

Wer Tove Jansson war und dass sie viel mehr war als „nur“ eine Kinderbuchautorin, zeigt nun ein Film der finnischen Regisseurin Zaida Bergroth. Bergroth stellt ihre Protagonistin in den Mittelpunkt einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte und beleuchtet damit einen Teil von Janssons Leben, der sie über ihr künstlerisches Wirken hinaus auch zu einem inspirierenden role model machte.

In Finnland spielte Tove Jansson auch als Person des öffentlichen Lebens eine prominente Rolle. Für Aufsehen sorgte sie zum Beispiel, wie die Schauspielerin Alma Pöysti bei der Preview des Biopics „Tove“ in Berlin erzählt, als sie in den frühen neunziger Jahren zu einem großen offiziellen Empfang ganz selbstverständlich mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä erschien und damit gesellschaftliche Maßstäbe setzte.

Gelebt, wie sie es wollte

Aber auch viel früher schon, als Homosexualität in Finnland noch strafbar war (bis 1971), habe Tove ganz offen mit Tuulikki zusammengelebt, so Pöysti weiter. Sie habe ganz einfach immer so gelebt, wie sie es wollte. Ihre eigene Großmutter, erwähnt die Schauspielerin nebenbei auch, sei mit Tove Jansson befreundet gewesen. Man darf also annehmen, dass es sich bei ihren Anmerkungen um gesichertes Insiderwissen handelt.

Alma Pöysti spielt in Zaida Bergroths Film die Künstlerin während einer Phase in den späten vierziger Jahren, die insofern besondere Bedeutung für Tove Janssons Leben hatte, als sie sich zum ersten Mal in eine Frau verliebte. Kurz nacheinander, so scheint es zumindest im Film zu geschehen, treten ein Mann und eine Frau in ihr Leben, mit denen sie jeweils eine Liebesbeziehung eingeht.

„Tove“. Regie: Zaida Bergroth. Mit Alma Pöysti, Krista Kosonen u. a. Finnland/Schweden 2020, 100 Min.

Sie beginnt eine Affäre mit dem Publizisten und sozialistischen Reichstagsabgeordneten Atos Wirtanen (Shanti Roney), der eigentlich noch verheiratet ist, aber in vielerlei Hinsicht flexibel. Das schließt auch die freundschaftliche Toleranz ein, mit der er reagiert, als Tove ihm gesteht, dass sie mit einer Frau geschlafen hat.

Dass aus dieser „außergewöhnlichen Erfahrung“, für die Atos das Erlebnis zunächst nur hält, mehr werden wird, ist in diesem Moment noch nicht ganz klar. Doch Tove ist sehr anhaltend fasziniert von der Theaterregisseurin Vivica Bandler (Krista Kosonen), die ihr stürmisch den Hof gemacht hat, sich dann aber in weitere Affären stürzt und auf Liebesbekenntnisse grundsätzlich ausweichend reagiert.

Mumins und die Kunst

Andererseits ist es Vivica, die das Besondere in den Mumingeschichten erkennt und Tove drängt, sie auf die Bühne zu bringen. Auch im wirklichen Leben blieben Jansson und Bandler nach dem Ende ihrer Liebesaffäre zeitlebens befreundet.

Tove selbst schätzt den Mumin­teil ihrer Arbeit eher gering, ist es doch ihr größter Wunsch, als „ernsthafte“ bildende Künstlerin Anerkennung zu finden – nicht zuletzt von ihrem Vater, Viktor Jansson, der ein bekannter Bildhauer war und im Film als in künstlerischer Hinsicht recht konservativer Patriarch dargestellt wird.

Die außerordentliche und gleichsam gegen ihre eigene erklärte Absicht geschehende Karriere von Tove Jansson als Autorin und Zeichnerin läuft eher im Hintergrund mit; schließlich darf sie in Grundzügen beim einheimischen finnischen Publikum als bekannt vorausgesetzt werden. Beiläufig, aber sehr regelmäßig fängt die Kamera ab und zu ein Figürchen ein, das Tove aufs Papier zeichnet.

Ganz nebenbei kommt ein Muminbuch ins Bild, „Komet im Mumintal“, als Vivica es nach einem Date aus Toves Wohnung stibitzt. Eine Anti-Hitler-Karikatur findet Erwähnung und ist kurz zu sehen.

Die Mumins auf der Bühne

Etwas ausführlicher (in genau zwei Szenen) wird erzählt, wie Tove Jansson den Auftrag einer fortlaufenden Comic-Strip-Serie der englischen Evening News annimmt, was sich als sehr lukrativ erweist, aber in so viel Arbeit ausartet, dass sie ihren Bruder als Co-Zeichner engagieren muss.

Am ausführlichsten, was das Muminthema betrifft, fallen die Szenen aus, die im Schwedischen Theater von Helsinki spielen, wo Vivica Bandler „Komet im Mumintal“ als Bühnenstück inszeniert. Diese Szenen sind in den Haupterzählstrang des Films eingebunden: die Liebesgeschichte zwischen Tove Jansson und Vivica Bandler. Als „Vifsla“ und „Tofsla“, zwei einander innig verbundene, gleichartige Wesen, die sich in ihrer eigenen skurrilen Sprache unterhalten, hat Jansson sich und Bandler in den Mumingeschichten verewigt.

Im Film lassen Alma Pöysti und Krista Kosonen (die derzeit auch in der norwegischen Serie „Beforeigners“, ARD-Mediathek, als zeitgereiste Wikingerin zu sehen ist) sowohl die Erotik zwischen den beiden Frauen als auch ihre große emotionale und mentale Verbundenheit absolut natürlich und spielerisch entstehen.

Toves langjährige Beziehung zu Atos Wirtanen fällt im Vergleich zu dieser großen Liebe in der Darstellung eher kameradschaftlich aus. All ihre Beziehungen aber, auch Toves nicht spannungsfreies Verhältnis zum Vater, scheinen im Film gleichsam durchleuchtet von menschlicher Wärme.

Eigenarten und andere Besonderheiten

Und ganz ähnlich wie in den Muminbüchern, in denen alle Wesen ihre sehr persönlichen Eigenarten haben, sich aber gegenseitig genügend Raum lassen, diese auszuleben, existieren auch in „Tove“ sehr eigene Menschen neben- und miteinander, die erst durch die Besonderheit der anderen in der eigenen Besonderheit so richtig aufblühen.

All das wird scheinbar völlig anstrengungslos gezeigt, vieles nur angerissen, angedeutet, unvermittelt nebeneinandergesetzt. „Wir wollten es nicht zu schön machen“, erklärt Alma Pöysti bei ihrem Berliner Auftritt, auf keinen Fall habe irgendetwas „niedlich“ werden dürfen. Allerdings lässt Bergroths Film auf der anderen Seite auch allzu schmerzhafte, dunkle Töne aus; dass Tove Jansson zu Depressionen neigte, wird zwar angedeutet, kommt aber ansonsten nicht richtig vor.

„Tove“ ist eine Feier des Lebens, der Liebe und der Kunst; und es ist, nicht zuletzt, was die Ausstattung betrifft, ein genau richtig schöner Film geworden, wenngleich bestimmt noch ein klein wenig schöner und geschmackvoller, als die Wirklichkeit je gewesen sein kann.

Klar ist Alma Pöysti sehr viel hübscher, als die echte Tove Jansson es war (dasselbe trifft natürlich auf die anderen HauptdarstellerInnen zu), und vielleicht sah Janssons Atelier mitunter auch auf weniger ästhetische Weise unaufgeräumt aus, vor allem wenn, was im Film ständig passiert, Leute unangemeldet vorbeikamen. Aber wer weiß.

Ein großer Authentizitätsbonus in puncto Ästhetik kommt dem Film auf jeden Fall dadurch zu, dass unter anderem offenbar in Tove Janssons bis heute bestehender Atelierwohnung gedreht wurde. Durch die fantastisch hohen Turmfenster der Ul­lan­lin­nan­katu 1 sind ab und zu auch Ausschnitte der historischen Skyline von Helsinki zu sehen.

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