Film „Niemals allein, immer zusammen“: Da geht noch was
Der Dokumentarfilm „Niemals allein, immer zusammen“ zeigt das Engagement junger Menschen für eine gerechtere Welt. Es ist ein Film, der Mut macht.
Einer wachsenden politischen Lethargie will Regisseurin Joana Georgi mit ihrem neuen Film etwas entgegensetzen: Während viele angesichts von Krisen, Rechtsruck und Kriegen eine tiefe Ohnmacht empfinden, stiftet ihre Dokumentation „Niemals allein, immer zusammen“ ein Gefühl von Gemeinschaft, Hoffnung und Zusammenhalt. Sie erzählt von Menschen, die für eine gerechtere Welt kämpfen. Eine gerechtere Welt für alle.
Während der einjährigen Dreharbeiten begleite die politische Filmemacherin dafür den Alltag von fünf Berliner Aktivist*innen: Quang, Simin, Patricia, Feline und Zaza sind Beispiele für eine neue Generation, die in sozialen Bewegungen organisiert ist und sich für eine bessere Welt stark macht. Eine Generation, die sich aus den Zwängen struktureller Unterdrückung befreien möchte und Utopien für eine befreite Gesellschaft entwirft.
Nachdem die Pandemie soziale und politische Krisen verschärft und politische Prozesse gelähmt hatte, erlosch in weiten Teilen der Gesellschaft die Hoffnung, dass sich die Zustände jemals verbessern würden. Die Lebensrealität vieler Menschen hatte sich radikal verändert – aber eben nicht zum Guten: Die Pandemie hinterließ ihre Spuren, viele verloren ihre Jobs und Wohnungen. Auch Georgi fühlte diese Ohnmacht.
„Der Film war eine Trotzreaktion auf die Filmbranche und die politische Lethargie während der Pandemie“, sagt sie. Viele politische Filme würden zwar auf die vielfältigen Problemlagen des Kapitalismus hinweisen, nicht aber den systemischen Zusammenhang erklären, was die politische Ohnmacht weiter verstärke.
Joana Georgi, Regisseurin
Doch auch in hoffnungslosen Zeiten gibt es Lichtblicke. Das zeigen die fünf Protagonist*innen. Sie sind laut, organisiert und engagiert. Resignation ist für sie keine Alternative – auch nicht nach der Pandemie. In der Gemeinschaft finden sie die Kraft, sich für soziale Gerechtigkeit, Antirassismus, Feminismus und Klimagerechtigkeit stark zu machen. Dadurch sind sie niemals allein, sondern immer zusammen.
In kurzen Episoden von jeweils 8 bis 15 Minuten führt Georgi ihre Hauptpersonen ein: Quang engagiert sich bei „Fridays for Future“, Patricia bei „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, Zaza kämpft für bessere Care-Arbeit in der Krankenhausbewegung, Feline und Simin für die Aufarbeitung rassistisch motivierter Gewalt.
Ihre Themen sind vielfältig. Aber sie zeigen, wie sich unterschiedliche Bewegungen im echten Leben und auf Social Media vernetzen und stärken können. Denn sie alle verbindet eine gemeinsame Erfahrung: „In den persönlichen Geschichten zeigt sich, dass wir in einem System leben, das mit strukturellen Unterdrückungsmechanismen arbeitet“, erklärt die Regisseurin, die weiß, was es bedeutet, von struktureller Gewalt betroffen zu sein.
Protagonistin Feline ist alleinerziehende Mutter. Sie backt Kuchen für Menschen, die sich keinen leisten können. Während sie eine Torte mit den Gesichtern der Opfer des Hanau-Anschlags und dem Schriftzug „Kämpfen und Erinnern“ beklebt, spricht sie mit ihrer Tochter über rassistisch motivierte Gewalt, Gedenken und die Arbeiterklasse. Aus dem Off hört man Feline sagen: „Mutterschaft hat mich politisiert, Alleinerziehend zu sein, radikalisiert.“
Quang spaziert durch Berlin, macht Fotos für seine anstehende Podiumsdiskussion und spricht mit einer Freundin über ostdeutsche Identität, die in seinen Augen neue Vorbilder braucht. Als Kind von Gastarbeitern aus Vietnam möchte er rechtsextremistische Gewalt aufarbeiten und positive Gegenbilder schaffen. Er kämpft für radikale Veränderungen – auch bei „Fridays for Future“.
Die isolierten Gespräche, durch die der Film die Motive der Protagonist*innen fokussiert, werden immer wieder von gemeinsamen Erlebnissen unterbrochen. Mal sitzen die fünf Tee trinkend am Küchentisch und sprechen über ihren aktivistischen Alltag, mal auf einer Picknickdecke am See. Sie singen feministische Klassiker wie „Brot und Rosen“ oder basteln Plakate für eine Demo.
„Niemals allein, immer zusammen“. Regie: Joana Georgi. Mit Quang, Simin, Patricia, Feline und Zaza. Deutschland 2024, 90 Min.
Vorstellungstermine: 13. 6. in Bremen, City 46, 20 Uhr; Hamburg, 3001, 18 Uhr; Hamburg, Abaton, 17.30 Uhr; Hannover, Kino am Raschplatz, 18.30 Uhr; Oldenburg, Cine K, 20 Uhr, sowie Osnabrück, Cinema Arthouse, 16.45 Uhr
Diese kleinen, alltäglichen Momente rücken die Freundschaft, das Gemeinschaftsgefühl und den Halt, den sie sich in ihrer aktivistischen Arbeit geben, in den Fokus. Insbesondere in kapitalistischen Gesellschaften leben Menschen vereinzelt, anonym und individualisiert. „Wenn du dich aber organisierst“, sagt Georgi, „erwartet dich eine Bewegung, in der du deinen Frust teilen, dich gemeinsam stützen und halten kannst.“
Den Frust, den die fünf in sich tragen, macht vor allem die Kommunistin und Politikwissenschaftlerin Simin spürbar. In ihren Reden auf politischen Veranstaltungen lässt sie ihren Gefühlen freien Lauf. Sie ist wütend, traurig und angestrengt von einer Politik, die von struktureller Gewalt profitiert. Denn egal, wie man es dreht und wendet: „Es sind die wenigen, die unter den Massen leiden“, sagt sie aus dem Off. Es ist der Kapitalismus, der die Arbeiter*innenklasse ausbeutet und diskriminiert.
Das Engagement der Aktivist*innen ist inspirierend, erfrischend und hoffnungsvoll. Ihr Zusammenhalt macht Mut. Gemeinsam schaffen sie Utopien einer Welt, in der alle Menschen frei leben können – ohne dabei naiv zu wirken. Georgi, selbst in sozialen Bewegungen organisiert, wirft einen authentischen Blick darauf, was es bedeutet, für eine gerechtere Welt zu kämpfen. Dafür brauche es kollektiven Zusammenhalt, sagt sie. Deshalb lautet ihr Appell: „Organisiert euch an eurem Arbeitsplatz, in der Schule, im Studium, im Betrieb.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge