piwik no script img

Filibuster und Wahlrecht in den USABiden ringt um Demokratie

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Der US-Präsident will die Regeln im Senat demokratischer machen. Unterdessen machen republikanische Bundesstaaten das Wahlrecht undemokratischer.

Biden spricht über die Filibuster-Regeln Foto: Patrick Semansky/ap

E s war höchste Zeit, dass US-Präsident Joe Biden klar Position gegen das Filibustern im Senat bezieht. Die Methode ist veraltet. Sie ist undemokratisch. Und sie gibt der Minderheit im Senat die Möglichkeit, praktisch jede Reform zu verhindern. Ohne das Filibustern könnte in der Kammer Politik nach dem Willen der Mehrheit gestaltet werden.

Biden ließ wertvolle Zeit verstreichen, bevor er sich zu diesem Schritt entschied. Er lavierte hinter den Kulissen und versuchte, die RepublikanerInnen zur Zusammenarbeit zu bewegen. Unterdessen verschärften in seiner Amtszeit bereits 19 republikanisch regierte Bundesstaaten als Reaktion auf Donald Trumps Wahlniederlage ihr Wahlrecht. Künftige Wahlsiege der DemokratInnen sollten erschwert werden.

Jetzt bedroht das Filibustern ein weiteres Reformgesetz: die nationale Wahlreform. Die sieht unter anderem einheitliche nationale Regeln für Wahlen vor. Zudem würde der Einfluss von Konzernen auf die Politik zurückgedrängt und einzelne Bundesstaaten könnten nicht immer neue Tricks und Schikanen einführen, um die Stimmabgabe für WählerInnen der Demokratischen Partei zu erschweren.

Nicht zufällig wählte Biden Georgia für seine Ankündigung. Der Bundesstaat war jahrzehntelang republikanisch. Dann verhalf er Biden ins Weiße Haus und zwei Demokraten – einem Mann aus einer jüdischen Familie und einem schwarzen Prediger – in den Senat. Die afroamerikanischen WählerInnen gaben den Ausschlag.

Desillusionierte Basis

Als wütende Gegenreaktion führten die in Georgia weiterhin regierenden RepublikanerInnen Wahlrechtsverschärfungen ein. Sie beschränkten das Briefwahlrecht, verkürzten die Öffnungszeiten der Wahllokale und untersagten das Austeilen von Wasser an wartende WählerInnen.

Biden steht nicht nur unter dem Druck von Parteilinken und von afroamerikanischen DemokratInnen. Es ist unsicher, ob er im gegenwärtigen Senat eine Mehrheit gegen das Filibustern bekommt. Aber wenn er seiner desillusionierten Basis Motive liefern will, um bei den Halbzeitwahlen im November an die Urne zu gehen, dann muss er offensiv für faire Wahlen eintreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • "die Stimmabgabe für WählerInnen der Demokratischen Partei zu erschweren"

    Und was genau wollen die Republikaner machen?

    • @h3h3y0:

      - Wahlbezirke geografisch absurd zuschneiden



      - Wahlezeiten so ansetzen, dass die arbeitende Bevölkerung die nur mit Zustimmung der Arbeitgebers wahrnehmen kann



      - Wahllokale so anordnen, dass sie schlecht für bestimmte Gruppen zu erreichen sind



      - Briefwahl beschränken



      - Leute nur in Wählerverzeichnisse eintragen, die sich rechtzeitig drum kümmern



      - Infos dazu schlecht zugänglich machen



      etc.

      Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.



      Alles, was die Wahl erschwert nützt den Reps, weil die ärmere, bildungsfernere Bevölkerung schlicht mit dem Kampf ums Überleben so ausgelastet ist, dass sie weniger Zeit fürs Wählen hat.



      Das ist aber die eher demokratische Klientel.

      Bei uns ist das zum Glück viel schwieriger, weil die Milieus heterogener wählen.

  • Klingt alles logisch. Aber die Änderung der Regeln im Senat würde auch bedeuten, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit schlechter gebremst werden kann...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Trump regierte per Dekret.



      Da braucht es keine Gesetze.



      Er legte ja keinen Wert auf langfristige Struktur ...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wenn man notwendige Reformen damit wegargumentiert, dass dann irgendwann ein Döddel vorbeikommt, der sie eventuell missbraucht, kann man das mit dem Regieren auch gleich sein lassen. Das US-Amerikanische Wahlrecht und die gesamte Wahl der Häuser und des Präsidenten sind marode, veraltet, und dringend reform-bedürftig.



      Aber das Problem haben ja viele Länder. Auch Deutschland hat Altlasten wie irgendwelche 5%-Hürden.

      • @Shasu:

        Da kommt nicht irgendwann irgend ein Dödel. Wenn kein Wunder geschieht, verlieren die Demokraten die nächsten beiden Wahlen. Und zwar auch ohne die Tricks der Republikaner.

        "Das US-Amerikanische Wahlrecht und die gesamte Wahl der Häuser und des Präsidenten sind marode, veraltet, und dringend reform-bedürftig."

        Stimmt. Aber dazu brachte es eine grundlegende Reform. Zu der sind auch die Demokraten nicht bereit.

  • Leider ist dieser Kommentar bisschen eng und kurzsichtig..

    Die Demokratie Regeln von USA hat eine lange Geschichte.



    Sogar länger als viele Europäische Staaten - schwer zu glauben aber als eine "vom Volk gewählten" Senat hatten sie schon früher etwas.

    Egal es geht um Biden, Trump, Obama oder XYZ.



    Ein Senat ist da, mit gewählter Senatoren.



    Die Senatoren sind da, deren Wählern und dessen Meinungen im Senat zu representieren.



    Natürlich im Praxis werden Unterschiede bzw. Probleme geben.



    Wie im unseren Demokratie onder anderen Länder.



    Aber die Stimme von einem Senator zu verhindern, ist direkter Angriff zu den Wahl eines Staates.

    Vielleicht klingt Biden's neue Gesetz gut jetzt.



    Aber in der Zukunft wird es sehr problematisch. Sehr.



    Und es ist ein großer Stein auf dem Weg zu einem mehr totaliteren Präsident und Staat.





    -

    • @Robert Boyland:

      Mal abgesehen von den ganzen Problemen mit den Wahlmodalitäten in den USA, wie das Erschweren zu Wählen für gewisse Bevölkerungsgruppen oder Gerrymendering, so ist ein 2-Parteien System mit einer Idee von the-winner-takes-it-all stark veraltet, und wird über kurz oder lang dazu führen, dass die USA handlungsunfähig werden. Hinzukommen dann auch noch veraltete Verteilungsmethoden der Sitze im Senat, wo kleine Staaten dann mehr Sitze als große Staaten haben, etc .pp.



      Nicht ohne Grund werden viele gesellschaftliche Probleme in letzter Zeit vorm Supreme Court ausgetragen, und nicht politisch geklärt, wie man es eigentlich machen sollte.

    • @Robert Boyland:

      Falls dies ein Plädoyer für Filibuster war, welchen Sinn sehen Sie denn in diesem Konzept?

      Steht dahinter die Auffassung "lieber gar keine Entscheidung als eine, gegen den Widerstand einer Minderheit"? Wie bleibt das Parlament dann handlungsfähig? Oder ist das gar nicht die Absicht? Soll tatsächlich jeder Bundesstaat, jeder Senator Vetorecht haben? Mit welcher Begründung?