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Fernbahntunnel in FrankfurtBahn steuert neues Großprojekt an

Eine Studie soll zeigen, ob ein Fernbahntunnel unter dem Frankfurter Hauptbahnhof machbar und sinnvoll ist. Erinnerungen an Stuttgart21 kommen auf.

Noch ist hier das Ende: Regionalzug im Frankfurter Kopfbahnhof Foto: picture alliance

Berlin taz | Die Pläne muten an, als würde die Deutsche Bahn nach dem Desaster um Stuttgart 21 das nächste Milliardengrab schaufeln lassen: Unter dem Frankfurter Hauptbahnhof sollen ein Tiefbahnhof und ein Tunnel für den Fernverkehr entstehen. Durch den Bau mit Kosten in Milliardenhöhe könnten vermutlich wenige Minuten Fahrzeit eingespart werden. Ob das wirklich sinnvoll ist, lassen das Bundesverkehrsministerium und die Deutsche Bahn mit einer Machbarkeitsstudie prüfen, für die sie am Montag den Startschuss gegeben haben.

Der Frankfurter Hauptbahnhof ist einer der wichtigsten Eisenbahnknoten Deutschlands. Das Problem: Er ist ein Kopfbahnhof, Züge können also nicht in die gleiche Richtung weiterfahren. Sie verlieren Zeit. Durch einen neuen Tunnel für den Fernverkehr könnten Züge Schätzungen zufolge bis zu acht Minuten gewinnen.

Die derzeitigen Pläne sehen einen Tunnel mit zwei Gleisen vor, die von Osten und Westen auf den Bahnhof zulaufen. Dort soll ein neuer Tiefbahnhof mit vier Gleisen entstehen, der bisherige Hauptbahnhof soll bestehen bleiben. Hier fährt dann der Regionalverkehr. Der Tunnel müsste unter das Bankenviertel und den Main gebohrt werden.

Ob und wie das technisch machbar ist, erforscht ab jetzt die Bahn-Tochterfirma DB Netz in einer Studie. „In diesem Zusammenhang sollen insbesondere Grundsatzfragen vertieft untersucht, die Kostenschätzung überprüft und der Planungsprozess strukturiert werden“, teilt die Deutsche Bahn mit. Die Ergebnisse sollen bis zum Frühjahr 2021 vorliegen.

Die schwarz-grüne Landesregierung unterstützt das Bauvorhaben ebenso wie die Stadt Frankfurt. Im vergangenen November hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Tunnelbau im aktuellen Bundesverkehrswegeplan in die Kategorie „vordringlicher Bedarf“ eingestuft. Der Bund sieht Ausgaben von mehr als 3,5 Milliarden Euro vor.

Die Frage ist, ob das Geld wirklich sinnvoll angelegt ist

Bernhard Knierim, Bahn für Alle

Diese Größenordnung erinnert an das völlig aus dem Ruder gelaufene Projekt Stuttgart 21. Doch der geplante Frankfurter Tunnelbau ist damit nicht direkt vergleichbar, sagt Bernhard Knierim vom Bündnis „Bahn für Alle“. In Frankfurt soll anders als in Stuttgart der Bahnhof erhalten bleiben, mit dem Tunnel sollen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.

Ob das sinnvoll ist oder nicht, müsse ergebnisoffen geprüft werden, sagt Knierim. Allerdings ist er skeptisch. „Möglicherweise werden mit dem Tunnelprojekt ein paar Minuten Fahrzeit eingespart“, sagt er. „Die Frage ist, ob das Geld wirklich sinnvoll angelegt ist.“ Statt eines Großprojekts würden viele kleine Maßnahmen erfahrungsgemäß für eine größere Verbesserung des Schienenverkehrs sorgen.

Großprojekte werden mitunter viel teurer als geplant. Stuttgart 21 sollte ursprünglich 2,8 Milliarden Euro kosten, mittlerweile haben sich die Ausgaben mehr als verdreifacht – und ein Ende ist nicht absehbar. Wenn am Mittwoch der Bahn-Aufsichtsrat tagt, werden VertreterInnen des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 vor dem Bahntower in Berlin demonstrieren.

Sie fordern unter anderem, dass Kopfbahnhofgleise erhalten werden, um die ausufernden Kosten einzudämmen. Danach ziehen sie zum Sitz des Berliner Justizsenators Dirk Behrendt (Grüne). Denn der lehnt es ab, die von den AktivistInnen geforderten Ermittlungen wegen Untreue gegen Stuttgart-21-Verantwortliche einzuleiten.

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15 Kommentare

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  • Noch eine Anmerkung zu den prognostizierten Kosten des Tunnels und der gegenwärtigen Diskussion um eine Bepreisung von CO2. Sollte diese kommen, in welcher Höhe auch immer, kann die erste schriftliche Vorlage der Kostenberechnung zu "Makulatur" recycelt werden, um als Tapetengrundierung im Wolkenkuckucksheim verwendet zu werden.

  • Vielleicht sollte man mal nach Leipzig schauen, wo als wichtigstes Argument für den Bau des mehrere Hundert Millionen Euro teuren Tunnels auch die Reduzierung der Fahrtzeiten im Fernverkehr angeführt wurde. Wenn mich nicht alles täuscht, wußte die Bahn bereits von Beginn an, daß keine Fernzüge durch diesen Tunnel verkehren können. So wurde also bewußt gelogen, um den Bau des Tunnels durchzudrücken. Nicht viel anders dürfte es hier sein.

  • Und mit den Segnungen aus der CO2 Steuer ist die Bahn bis Baubeginn auch wieder flüssig.



    Gut das der Pofalla das regelt, dann bleibt für die Freunde und Gönner aus der Immobilienwirtschaft genügend übrig.

  • Was das Projekt bewirken wird:



    "17 500 zusätzliche Reisende am Tag würden auf die Schiene gebracht, 516 000 Pkw-Kilometer am Tag würden vermieden, die Reisezeit verkürze sich um 3000 Stunden am Tag, 90 Tonnen CO2 würden pro Tag eingespart."

    www.fr.de/frankfur...n-zr-13009578.html

    Wie üblich findet sich kein Konjunktiv; aber das nur am Rande. Es geht um Milliarden, da müssen Zweifel von vorne herein ausgeschlossen werden.



    Und, hey! Alle sind doch schließlich für die Bahn und Hochgeschwindigkeit! Gerade jetzt, wo es doch um Rettung des Weltklimas geht, oder?

    Es geht um 8 Minuten (in Worten: acht) Fahrzeitverkürzung, Wenigstens keine Millisekunden Beschleunigung wie bei 5G in der Datenübertragung.

    Unverzichtbar in Zeiten der Diskussion um den Klimawandel der Hinweis auf die eingesparten 90 t CO2 am Tag. Ab 2036, wenn der erste Zug feierlich durch die Rohre fährt. 14 Jahre vor 2050!



    Was bis dahin allein durch den Bau an CO2 für die nächsten 120 Jahre zusätzlich freigesetzt wird, ignorieren wir doch lieber. Allein der produzierte Zement für den Beton wird ein vielfaches der "Einsparmenge" an CO2 freisetzen.

    8 Minuten schneller in die Klimakatastrophe, allein durch dieses Projekt!

    Auch aus der FR:

    "Darum ist die Zement-Produktion so klimaschädlich



    "... Bei der Produktion des wichtigen Baustoffs Zement entstehen gewaltige Mengen des Klimagases Kohlendioxid. Jüngsten Schätzungen zufolge verursacht die Zementherstellung acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Das ist keine Kleinigkeit. Zum Vergleich: Deutschland hat einen Anteil von 2,2 Prozent am globalen CO2-Ausstoß, die USA sind für 16 Prozent verantwortlich..."

    www.fr.de/wissen/d...lich-11018039.html

  • Nun, Zeitsparen könnte man in Frankfurt auch indem man die Fernzüge nicht als Flughafenzubringer mißbraucht. Durch den Umweg über den Flughafenbahnhof verlängert sich z.B. die Reisezeit zwischen Stuttgart und Hamburg um über 30 Minuten!

    • @Peter Goretzki, Dr.:

      Herr Doktor, wenn mehr Menschen auf die Schiene gebracht werden sollen - also weg von Flugzeug und Auto -, dann ist die Anbindung des größten deutschen Flughafens an die Fernbahn durchaus sinnvoll. So können nämlich innerdeutsche Flüge entfallen. Und die Autobahnen, die um Frankfurt/Main herum bekanntlich ziemlich voll sind, können entlastet werden. Das bringt durchaus eine Einsparung von Treibhausgasen, Reifenabrieb (Mikroplastik) und Ressourcen.

      Wenn Leute erst vom Fern- in den Regionalverkehr umsteigen müssen, lassen wahrscheinlich viele das Bahnfahren zum Flughafen. Und der Frankfurter Flughafen ist durchaus ein Bahnhof, in dem viele Leute ein- und aussteigen. Das ist schon sinnvoll so. Ein Missbrauch liegt nicht vor.

      Die Frage ist, ob so viele Menschen auf der Strecke zwischen Stuttgart und Hamburg reisen, dass es ohne Verlust für die Bahn möglich wäre, zusätzliche Züge zwischen den beiden Städten fahren zu lassen, die nicht über Frankfurt/Main-Flughafen fahren.

      Der Münchner Flughafen ist nicht per DB-Fernverkehr erreichbar, nur per Regionalverkehr. Ihn per Bahn zu erreichen, ist für Auswärtige recht umständlich und zeitraubend. Bis vor Kurzem gab es Zubringerflüge zwischen MUC und NUE (ca. 180 km). Die sind jetzt abgeschafft. Also wird mehr Auto gefahren. Ist das sinnvoll?

      Falls der Flugverkehr insgesamt, d. h. auch ins Ausland, deutlich abgenommen haben wird, sieht die Sache natürlich anders aus. Bis dahin ist eine Fernbahnanbindung für stärker frequentierte Flughäfen sehr sinnvoll.

  • Kann die Bahn - Unternehmen des Bundes - mal bitte in der Fläche Geld investieren und so auch das Zugfahren a) außerhalb von Großstädten attraktiver und angenehmer gestalten und b) so auch grundsätzlich mal von der Fokussierung auf Städte runter kommen? Am besten soll kaum noch Pkw gefahren werden, aber Geld wird in Milliarden in Großbauprojekte investiert. Auch die, die durch Knotenpunkte reisen, kommen oft aus ländlicheren Gebieten.

    Von einspurigen Strecken, was für Fernverkehrs- und Regionalzüge gleichermaßen zeitfressend ist, mal ganz zu schweigen.

    Das Argument Zeitsparen zieht in Frankfurt zumindest nicht, zumal es ja auch schon ein paar Kilometer weiter einen Fernbahnhof gibt (direkt unter/am Flughafen).

    • @Hanne:

      Wenn die Bahn das Geld in "die Fläche" stecken würde, so dass der Bürger etwas davon hätte, dann bliebe ja kein Geld für nutzlose Prestigeprojekte.

      Sie haben es ja Gesagt, die Bahn ist eine Unternehmen des Bundes, deshalb ist ihre einzige Aufgabe, Verkehrs- und Wirtschaftspolitikern eine kulisse für schöne Pressefotos zu liefern ...



      Wenn Sie denken, die Bahn sei für die Menschen da, dann haben Sie die Rechnung aber ohne CDU/CSU, FDP, SPD und AfD gemacht.

      Neoliberalismus Überwinden!!

  • Ob ich die Zeit wirklich einspare, zweifle ich doch sehr an.

    Wenn ich aus der Tiefe zum Regionalbahnhof hoch muss bzw. umgekehrt vom Zubringer runter, dauert erfahrungsgemäß recht lange (siehe Berlin Hbf und Frankfurt Fernbahnhof). Die ICE können vielleicht 5 Minuten eher weiter fahren, aber haben dann im Gegenzug auch keinen Puffer mehr.

    Auch ist es bei Kopfbahnhöfen so, dass man recht komfortabel ein- und aussteigen kann, da die Züge eben auch mal 5 Minuten stehen. Ansonsten müssen Massen von Reisenden in sehr kurzer Zeit ein- und aussteigen.

    Komplexe Bahnhöfe mit mehreren Etagen sind für "nur" Umsteigende auch oft eher verwirrend.

  • Ich finde, man muss das jetzt noch nicht schlecht reden.

    So weit ich sehen kann, ist das Frankfurter Bahnhofsprojekt das erste seit Jahrzehnten, das Sinn ergibt. Hier geht es nämlich tatsächlich um eine Kapazitätserweiterung - mit dem Nebeneffekt Durchfahrtsgleise zu bekommen. (Deren Effekt gerne überschätzt wird: In Knoten wie Stuttgart, Frankfurt und München wird viel Ein- und Ausgestiegen – da muss ohnehin lang gehalten werden.)

    Mit den restlichen Desaster- und Verbrechensprojekten der Bahn ist das daher m.E. nicht zu vergleichen.

    Stuttgart 21 und Hamburg Diebsteich sind reine Immobilienprojekte, die eine letztlich verkleinerte Infrastruktur zementieren. Da können Scheuer und Lutz lange von Halbstundentakten im Fernverkehr fabulieren – die Bahnhöfe werden das nicht hergeben.

    2. Stammstrecke in München ist auch ein reines Projekt für die Bauwirtschaft, da nichts neu erschlossen wird, das Netz keine neuen Verknüpfungspunkte bekommt und auch keine wirkliche Kapazitätssteigerung erreicht wird. Alles was man erreicht ist bestenfalls halbgare Redundanz für die bestehende Stammstrecke.

  • Es gibt ja nicht nur Stuttgart 21, M21 wurde seinerzeit abgelehnt, kam aber durch die Hintertür als 2. S-Bahn-Stammstrecke wieder herein. Kaum hatte man 20 Jahre lang diskutiert und es war bekannt, dass der Südring auf einer bestehenden Trasse nur ein Drittel kosten würde und zusätzlich neue Bahnhöfe anfahren und neue Umsteigebeziehungen zur Entlastung der Innenstadt schaffen könne, schon begann man den ersten Spatenstich für den Tunnel, für den Umsteigeknoten am Hauptbahnhof wird gerade die Schalterhalle abgerissen, aber die Pläe für unten drunter mussten geändert werden und müssen (wenns mit Recht und Verstand zugeht) neu genehmigt werden - derweil können wir sicher sein, dass wir die nächsten 10 - x Jahre keine Schalterhalle mehr haben.



    Die S-Bahn-Außenstrecken sind erbärmlich, oft eingleisig und selbst ein so wichtiger Bahnsteig wie in Giesing ist für Rollstuhlfahrer nicht zu bewältigen, man muss eine Stufe von geschätzt 20 cm überwinden, ich hab es letzthin mit einem Karren kaum geschafft.

    • @Zeit und Raum:

      Und nicht zu vergessen: Den Südring hätte man etappenweise ausbauen und in Betrieb nehmen können.

      Aber: Es sind eben die "Alles-oder-Nichts"-Projekte, die gewinnen. Da kommt's auf Sinnhaftigkeit meist nicht an.

  • Auf vielen Hauptverkehrsader der Bahn ruckelt der Zug langsam dahin statt auf mindestens 200km/h zu fahren. In der Streckenerneuerung und Erweiterung sowie in mehr Personal für die Instandhaltung und Bahnhof würden mehr Minuten Einsparung bringen.

    • @Doktor No:

      Genau. Die Strecke Dortmund-Lünen-Münster z.B. ist im Wesentlichen eingleisig, was zu erheblichen Verspätungen im Nahverkehr führt, da die ICEs Vorrang haben. In dieser Region leben deutlich über 1 Mio. Menschen. Ein zweigleisiger Ausbau ist ´n absolutes Muss.



      www.hwk-muenster.d...anzer-strecke-1185



      Aber die Bahn rühmt sich lieber mit irgendwelchen Leuchtturmprojekten. :-(

      • @Christian_72:

        Ich glaube, es geht da nicht vorrangig um Leuchttürme. Auch wenn Prestige, Großmannssucht und Eitelkeiten sicher auch eine Rolle spielen.

        Je größer das Projekt, desto mehr Akteure verdienen. Und ein Projekt, das man (angeblich) nicht mehr abbrechen kann, wenn es aus dem Ruder läuft, ist für alle Beteiligten der Jackpot: Das Geld hört ja nicht mehr auf zu fließen.

        Und man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu sehen, dass wo viel Geld zu machen ist, auch Druck gemacht wird und alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt werden.

        Mit sinnvollem Kleinklein wäre zwar uns allen geholfen (und das System Bahn weit voranzubringen), aber damit wird niemand reich.