Feminismus, Corona und Arbeitswelt: Harter Boden
Deutschland geht in den zweiten Lockdown, diesmal light. Das wird die Wirtschaftskrise nochmal verschärfen. Aber für wen eigentlich?
S eit Montag ist Deutschland wieder im Lockdown, diesmal light. Er schützt uns und ist trotzdem ermüdend, nervig, beängstigend. Auch der Wirtschaft wird er wieder schaden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kommt auf 19,3 Milliarden Euro, die das kosten wird, und 100.000 Arbeitsplätze, die wegfallen könnten. Aber die Krise trifft uns nicht gleichermaßen. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat gezeigt: Einkommen verlieren in der Coronakrise jene, die sowieso eher wenig verdienen. Darunter vor allem: Menschen mit Migrationshintergrund und Eltern.
Im April traf es eher Männer, für die anderen Monate ließen sich keine Geschlechterunterschiede feststellen. Man könnte also für diese Kolumne – eine feministische – sagen: Kein Thema. Aber was wäre das für ein Verständnis von Feminismus?
Dass Corona soziale Ungleichheiten verstärkt, sieht man nicht nur beim Einkommen. Unternehmen sollen ihre Beschäftigten ins Homeoffice schicken, ist auch diesmal die Ansage. Im Homeoffice aber können viele gar nicht arbeiten. Am Küchentisch lässt sich keine Treppe bauen, und die Pflanzen im Gewächshaus verdorren auch dann, wenn man statt ihnen die im eigenen Wohnzimmer gießt. Ihren Job von zu Hause aus erledigen können vor allem Menschen mit hoher Bildung und hohem Einkommen. Jene, die mit Laptop und Handy arbeiten. Die Mehrheit mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen muss weiterhin zur Arbeit gehen – und setzt sich damit dem Risiko aus, sich zu infizieren.
Faire Verteilung
Meint man Feminismus in der Arbeitswelt in diesen Zeiten ernst, kann es nicht nur darum gehen, wie viele Frauen wo in Führungspositionen sind. Der Schwerpunkt kann nicht auf dem Durchstoßen der gläsernen Decke liegen, wie Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser in „Feminismus für die 99 %“ schreiben. Sie fordern einen Feminismus, der die Sache aller vertritt, die ausgebeutet werden. Der also auch die in den Blick nimmt, die auf dem harten Boden stehen. Einen Feminismus und eine Solidarität, die es gerade in Zeiten wie diesen braucht. Denn wer in der Krise schon Einkommen verloren hat, zeigt die Studie, macht sich nun nachvollziehbar häufiger Sorgen.
Der Mindestlohn wird erhöht, das war eine gute Nachricht. Aber was braucht es noch, damit die ökonomischen Kosten und auch das gesundheitliche Risiko fairer verteilt werden? Der Armutsforscher Christoph Butterwegge schlägt zum Beispiel vor, den Solidaritätszuschlag für eine Coronasolidarität zu nutzen oder eine Vermögensabgabe zu erheben.
„Krisen sind für uns nicht einfach eine Leidenszeit“, schreiben Arruzza, Bhattacharya und Fraser. Sie seien auch eine Gelegenheit zum gesellschaftlichen Wandel. Der Lockdown fängt erst an. Noch bleibt Zeit, daran zu arbeiten, dass es nicht weiterhin für viele schlechter wird, während andere davon gar nichts spüren.
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