Feiertagsdebatte Berlin: Da wäre noch der 9. November
Die Liste der möglichen Daten für Berlins zusätzlichen Feiertag wird immer länger, jetzt kommt der Tag des Mauerfalls dazu.
In der seit Frühjahr geführten Debatte über einen zusätzlichen Feiertag für Berlin gibt es einen neuen Vorschlag. Der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur meldete sich am Wochenende zu Wort und brachte – wohl inspiriert vom Blick in den Kalender – den 9. November ins Spiel. Der Tag, an dem sich sowohl der Mauerfall 1989 als auch die Reichspogromnacht 1938 jähren, könnte laut Sello Feiern und Gedenken zugleich möglich machen.
Lange Zeit war Berlin mit Bremen und Hamburg in Sachen Feiertagsarmut in bester Gesellschaft. Doch seitdem sich in den beiden anderen Stadtstaaten nun auch der Reformationstag ausgebreitet hat, ist Berlin mit schmalen 9 Feiertagen einsames Schlusslicht im Feiertagskalender. Das schien auch den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) umzutreiben, als er zunächst in einem Interview und dann beim Landesparteitag im Juni die Einführung eines zusätzlichen Feiertags auf die politische Agenda setzte. Seitdem gedeiht ein Sammelsurium an Vorschlägen – eine Einigung innerhalb der Koalition, Voraussetzung für eine Beschlussvorlage, die das Abgeordnetenhaus durchwinken müsste, rückt damit nicht unbedingt näher.
Die Parteien und politischen AkteurInnen jedenfalls verfolgen ganz unterschiedliche Ideen: Die Linke hat sich auf einem Parteitag bereits auf den 8. Mai, Tag der Befreiung von der Nazi-Diktatur, verständigt. Regierungschef Müller favorisiert nach eigenem Bekunden und in Gedenken an die Märzrevolution 1848 den 18. März. Andere SPD-KollegInnen haben dagegen den etwas aktueller und internationaler daherkommenden Weltfrauentag am 8. März im Blick. Die SPD-Abgeordnete Iris Spranger hat in einer Online-Petition bereits 28.000 Unterschriften gesammelt und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen ASF hat für den Landesparteitag der SPD Mitte November einen entsprechenden Antrag angekündigt.
Grüne sind noch uneins
Auch die Grünen hätten anlässlich ihres Parteitags am 24. November Gelegenheit, sich auf ein Wunschdatum zu einigen. Neben dem Internationalen Frauentag und der Idee, einen der Europatage zu zelebrieren, kursiert bei den Grünen auch noch die Möglichkeit, die BerlinerInnen selbst zu befragen – vielleicht parallel zur Europawahl im Mai 2019. Ein Vorschlag, der sich angesichts großer Skepsis bei den Koalitionspartnern kaum verwirklichen lassen wird.
8. März 1910 beschloss die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz die Einführung eines Weltfrauentags, ab 1921 begangen am 8. März.
18. März Der Berliner Barrikadenkampf war 1848 ein Höhepunkt der deutschen Revolution 1848/1849.
5. und 9. Mai Die beiden Tage erinnern an die Gründung des Europarats und der Europäischen Union.
8. Mai Der Zweite Weltkrieg endete 1945 mit der Ratifizierung der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht in Karlshorst.
9. November Auf den Tag fielen unter anderem die gegen JüdInnen gerichtete Reichspogromnacht 1938 und der Mauerfall 1989.
In der Opposition tut man sich gänzlich schwer mit der Idee eines zusätzlichen Feiertags. Bei der CDU mag das daran liegen, dass die SPD bei ihrem Vorstoß einen religiösen Anlass von Anfang an ausgeschlossen hat. Die FDP warnt wenig überraschend vor den Kosten für die Wirtschaft.
Mit dem 9. November bringt der Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED- Diktatur nun einen weiteren Vorschlag ins Spiel, der es in die engere Wahl schaffen könnte. „Wir können an dem Tag ein freudiges Ereignis feiern und zugleich innehalten und gedenken – ich sehe da keinen Widerspruch“, so Sello gegenüber der Deutschen Presseagentur. Zudem sei der Mauerfall auch für die jüngere Generation ein Symbol der Freiheit.
In Thüringen hat man sich übrigens jüngst auf den Internationalen Kindertag am 20. September als neuen Feiertag geeinigt – und zwar schon für das kommende Jahr. Hierzulande scheinen die EntscheidungsträgerInnen inzwischen eher das Jahr 2020 für die Einführung des zehnten Berliner Feiertags zu avisieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“