Fehlender Haushalt für 2025: Bundesregierung finanziert keine Sprachkurse über B2-Niveau mehr
Wie sollen Fachkräfte Deutsch lernen, wenn es keine Sprachkurse mehr gibt? Nach dem Ampel-Aus fehlt Finanzierung an allen Ecken. Das trifft auch die politische Bildung und den Digitalpakt.
Das Thema ist komplex: Nötig ist die vorläufige Haushaltsführung immer dann, wenn es kein Haushaltsgesetz gibt. Wegen des Ampel-Bruchs ist das 2025 zunächst der Fall. Dann kann der Bund all das weiterfinanzieren, was bereits gesetzlich beschlossen wurde, neue Ausgaben sind jedoch nur ausnahmsweise möglich.
Offen war bis Montag noch, was die Grundlage der Haushaltsführung wird. Eine Option wäre es gewesen, einfach das Haushaltsgesetz für das laufende Jahr als Vorlage zu nutzen. Doch im Finanzministerium hat man sich stattdessen für den Entwurf für ein Haushaltsgesetz 2025 entschieden, den die Ampel im Sommer noch vorgelegt, aber dann nicht mehr beschlossen hatte. In einem Rundschreiben an die Ministerien, das der taz vorliegt, empfiehlt Finanzminister Jörg Kukies (SPD) einen „sparsamen Umgang“ mit dem Geld. Vorläufig stehen nur 45 Prozent der Jahresmittel zur Verfügung.
Folgen hat all das etwa bei der Finanzierung der Integrationskurse. Die sollen Geflüchteten und anderen Zuwander*innen Deutsch beibringen und gesellschaftliche Grundkenntnisse vermitteln. Im Haushaltsentwurf 2025 ist mit rund 500 Millionen Euro aber nur halb so viel Geld dafür vorgesehen wie noch im laufenden Jahr. Und dabei bleibt es nun.
Radikale Kürzung bei Sprachkursen
Zwar hatte das Bundesinnenministerium (BMI) unter Nancy Faeser (SPD) Ende November zugesagt, die Kurse zu finanzieren. Gleichzeitig hatte das Ministerium angekündigt, dass es von nun an ein „kompakteres Kursangebot“ geben soll und Möglichkeiten, Kurse zu wiederholen, eingeschränkt werden. So sollen offenbar Kosten gespart werden. Konkrete Zahlen dazu, wie viel Geld für die Kurse bereitsteht, nennt das BMI auf taz-Nachfrage nicht.
Jeannette Langner vom Berufsverband Integrations- und Berufssprachkurse berichtet der taz, dass die Zusicherung des BMI zwar für eine gewisse Entspannung bei den Trägern der Integrationskurse geführt habe. Trotzdem: „Wir brauchen endlich belastbare Zahlen.“ Wirklich dramatisch sei, dass die Berufssprachkurse zusammengestrichen werden sollen, deren Finanzierung über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) läuft, so Langner. Den Trägern der Sprachkurse wurde mitgeteilt, dass nur noch die berufsbegleitenden Kurse sowie 90 Prozent der Kurse mit dem Sprachniveau B2 weiterfinanziert werden. Alle anderen Kurse werden künftig entfallen – sowohl die für niedrigere als auch für höhere Niveaus. Langner dazu: „Das macht überhaupt keinen Sinn, wir haben doch Fachkräftemangel.“ Die Kurse seien für viele Einwander*innen dringend nötig, um eine Arbeit aufzunehmen oder eine Ausbildung anzufangen.
Noch dramatischer ist die Lage bei Asylverfahrensberatungen. Dieses Projekt hängt an Zahlungen des BMI. Hier ist noch unklar, ob die Projekte für Geflüchtete vollständig gestoppt werden, weil womöglich gar kein Geld mehr kommt. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die die Beratung anbietet, spricht von einer „Zumutung“ für Träger und Beschäftigte, „drei Tage vor Weihnachten immer noch keine Zusicherung zu haben“.
Ganz anders wirkt die Entscheidung auf das wankende Aufnahmeprogramm für afghanische Menschenrechtler*innen und andere von den Taliban Verfolgte. Denn in die Haushaltsführung fließt nun ein Kompromiss, auf den sich Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP wenige Stunden vor dem Bruch der Ampel geeinigt hatten. Erst sollten die Mittel für das Programm gestrichen werden, doch jetzt gibt es rund 50 Millionen Euro aus Bundesmitteln und einem EU-Fonds.
Unsicherheit bei Bildungseinrichtungen
Allerdings will das BMI das Geld dafür gar nicht haben, ist das Haus von Ministerin Faeser doch dabei, das Programm still und leise abzuwickeln. Schon lange verzögert das Ministerium die Umsetzung: Statt der geplanten 1.000 Afghan*innen monatlich wurden in rund zwei Jahren nur 1.020 Personen evakuiert. Insgesamt.
Dass das Geld für weitere Evakuierungen nun gesichert ist, liefert all denen ein Argument, die vom BMI fordern, wenigstens noch die bereits begonnenen Fälle abzuarbeiten. Die Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer sagt der taz: „Die Zusagen für das Bundesaufnahmeprogramm zu stoppen, widerspricht dem Beschluss des Parlaments.“ Schäfer findet, wenn das BMI ein Interesse an Glaubwürdigkeit habe, müsse es die Verfahren zur Einreise „unverzüglich“ wieder aufnehmen. Das BMI sagt dazu auf Nachfrage der taz nichts.
Auch Träger der politischen Bildung haben mit den Folgen der vorläufigen Haushaltsführung zu kämpfen. Das Programm „Respekt Coaches“ beispielsweise, über das Sozialarbeiter:innen an Schulen Workshops zu Themen wie Diskriminierung oder Vielfalt geben. Das Programm wird vom Bundesfamilienministerium gefördert und erhält nun zunächst nur 45 Prozent der für 2025 vorgesehenen Mittel. Damit haben die Träger dieser Projekte, zu denen unter anderem die AWO zählt, zwar vorerst Gewissheit, wie es weitergeht. Aber sollte der neue gewählte Bundestag den Haushalt erst in der zweiten Jahreshälfte beschließen, müssten sie in Vorleistung gehen. Es gebe „somit weiterhin Planungsunsicherheit“, teilt der AWO Bundesverband mit.
Auch beim Anne Frank Zentrum in Berlin kommen vorerst nur 45 Prozent der geplanten Gelder an, mit denen dort Bildungsarbeit gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus finanziert wird. Direktorin Veronika Nahm sagt: „Das verkürzt unseren Planungshorizont deutlich.“ Deshalb seien die Arbeitszeiten des Personals gekürzt worden und eine Stelle habe nicht verlängert werden können.
Digitale Ausrüstung der Schulen in Gefahr?
Nach Informationen der taz warten viele andere Demokratieprojekte noch auf einen bindenden Förderbescheid. So haben diverse Träger, die ab Januar über die das Bundesprogramms „Demokratie leben!“ finanziert werden, bisher lediglich einen „vorzeitigen Maßnahmenbeginn“ beschieden bekommen. Ihnen wurde also angekündigt, dass Geld für Projekte überwiesen wird. Wann dies geschehen wird, blieb aber offen, und die Zusage kann theoretisch später noch zurückgenommen werden.
Die Organisationen stelle diese Situation vor große Herausforderungen, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. „Die Träger haben ja kein eigenes Geld. Sie müssen Kredite aufnehmen, um ihre Projekte vorfinanzieren zu können. Und das tun sie auf eigenes Risiko.“ Andere Projekte der Stiftung wie der Demokratiebus – ein mobiles Bildungsangebot gegen rechts – stünden sogar gänzlich auf der Kippe, so Reinfrank.
Was die Situation nicht einfacher macht: Auch mehrere Bundesländer, in denen dieses Jahr gewählt wurde, haben noch keinen Haushalt für 2025 verabschiedet. In Thüringen etwa muss deshalb die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) aller Voraussicht nach ab Januar vorerst die Arbeit einstellen – obwohl der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung die Förderung explizit vorsieht.
Und dann ist da noch der Digitalpakt 2.0., den Interims-Bildungsminister Cem Özdemir (Grüne) nach monatelanger Blockade unter Bettina Stark-Watzinger (FDP) mit den Ländern vereinbart hat. Er sollte im Januar 2025 starten. Doch der nun maßgebliche Haushaltsentwurf erwähnt den Digitalpakt 2.0 mit keinem Wort.
Die dafür zugesagten 2,5 Milliarden vom Bund über die kommenden sechs Jahre muss dann der neue gewählte Bundestag freigeben – sofern die neue Bundesregierung die Vereinbarung überhaupt in der Form übernimmt. Auch für die Kommunen, die als Schulträger für die Ausstattung von Schulen zuständig sind, beginnt das neue Jahr deshalb mit größtmöglicher Planungsunsicherheit.
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