piwik no script img

Fehlende Vielfalt im BVG-SpotAlles Weiße? Is‘ nich‘ egal

Im Spot der Berliner Verkehrsbetriebe gibt es nur weiße Passagiere. Man muss sich schon anstrengen, um in Berlin eine solch homogene U-Bahn zu finden.

Der einzige Türke in der Bahn: Kazim Akboga mit Nebendarstellern Screenshot: BVG

Berlin taz | U-Bahn-Fahren in Berlin ist immer ein Happening. Kaum eine Fahrt vergeht, ohne dass es eine Anekdote zu erzählen gibt. Der Typ, der Döner isst, das Kind, das erst nicht ein- und dann nicht aussteigen will, die neuen Möbel auf dem Weg in die WG, die Beziehung, die in einem lauten Telefonat ihr Ende findet, das Pony im Fahrradabteil, knutschende Jungs, die fast ihre Haltestelle verpassen, Passagiere ohne Hose oder aufwändig kostümiert. All das ist ein ganz normaler Tag bei der BVG.

Und das hat eine Werbefirma nun erfolgreich in Reklame verwandelt. Der Musiker Kazim Akboga tanzt als Kontrolleur verkleidet durch Bus und Bahn und singt eine umgedichtete Version seines Youtube-Hits „Is Mir Egal“. Er trifft Punks mit Jahreskarte, einen als Automaten verkleideten Schwarzfahrer, einen Mann mit Sofa, einen mit Pferd, zwei aufeinander sitzende Männer in Lederjacken, eine Zwiebeln schneidende Frau, feiernde Hertha-Fans, eine Frau mit BVG-Sitzmuster-Anzug. „Is‘ mir egal“, wiederholt Akboga immer und immer wieder. Hier sitzt Berlin in seiner ganzen vielfalt.

Nicht ganz.

Denn im Clip kommen nur weiße Berliner vor. Punks mit Jahreskarte? Weiße. Hund mit Hai? Gehört einer Weißen. Mann auf Pferd? Weiß. Mann auf Mann? Beides Weiße. Zwiebel schneiden? Weiße Frau. Kind mit Bommel? Weiß. Mann macht Spagat? Weiß. Für zwei Minuten, so scheint es, ist Kazim Akboga der einzige Türke in Berlin. Die einzigen People of Color im Clip sind die Mexikaner in riesigen Sombreros, die – wie auch Akboga – Musik machen.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„Die Botschaft ist: Es ist egal, wie Du aussiehst, wo Du herkommst“, sagte eine BVG-Sprecherin zu Spiegel Online. Nur scheint beides nicht wirklich egal zu sein. Die gezeigten Abteile sind so segregiert wie ein Bus in den USA der 1950er Jahre. Keine Schwarzen in der U-Bahn, keine Türken oder Araber, keine Asiaten, keine Frauen mit Kopftuch. Niemand, dessen Haut dunkler ist als eine geschälte Kartoffel. Man muss sich schon sehr anstrengen, um eine solch homogene U-Bahn in Berlin zu finden.

Bevölkerungsteile einfach vergessen?

Der Spot grenzt auch auf andere Weisen aus. Minderheiten wie Homosexuelle und Transpersonen kommen nur in besonders auffälligen Klischees vor und Arme sind ganz bewusst nicht willkommen. Alles ist egal, nur nicht, kein Geld zu haben. Kein Motz-Verkäufer ist egalerweise im Video, kein Obdachloser sucht egalerweise Schutz vor der Kälte. Schon das ist bemerkenswert, handelt das Originallied von Akboga doch vom Leben in Armut.

„Im Spot werden viele verschiedene Minderheiten sichtbar. Da eine Aussage gegen andere Minderheiten rauszulesen, ist falsch“, twittert die BVG auf die Frage nach der fehlenden ethnischen Vielfalt. Doch auch was nicht gesagt wird, ist relevant. Alles was im Werbeclip in der U-Bahn gemacht wird, wird auch von nicht-weißen Menschen gemacht. Dass sie vergessen wurden, obwohl sie in Berlin nicht selten sind, ist rassistisch – wenn auch wahrscheinlich unabsichtlich so.

Klar, es ist eine andere Liga als gewalttätige Neonazis oder biologistische AfDler. Aber Ausgrenzung fängt nicht bei einer Tracht Prügel an. Nur wenn nicht-weiße Deutsche erst unsichtbar gemacht werden, können sie auch zunächst als Fremde wahrgenommen und dann als Eindringlinge angefeindet werden.

Das is‘ nich‘ egal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

31 Kommentare

 / 
  • Das komplette Video dauert gerade einmal 130 Sekunden, trotzdem versuchen die Macher „Minderheiten“ mit abzubilden. Es sind vier eindeutig nicht „Deutschstämmige“ Personen in dem Video entgalten, darunter der einzige Protagonist. Zudem tauchen auch Transsexuelle und Homosexuelle auf. Das nicht jede „Minderheit“ abgebildet werden kann, die da draußen so existiert, sollte eigentlich jedem ersichtlich sein, der nur einen Moment darüber nachdenkt. Es handelt sich bei diesem Video um eine Art von Kunst. Die Macher wollen (neben der Werbung) unterhalten und nicht eine exakte Kopie der Wirklichkeit abbilden. So etwas ist in 130 Sekunden einfach nicht machbar. Wenn jetzt jemand Intoleranz oder („wahrscheinlich unabsichtlichen“) Rassismus darein deuten will, fällt mir echt nur noch die Kinnlade runter.

     

    Dank solch eines absoluten Blödsinns wird der Begriff „Rassismus“ zu inflationär genutzt und verliert seine negative Bedeutung – ähnlich wie der Vorwurf „Sexismus“ heute durch die Verurteilung von jeglicher Form von Sexualität in Kultur & Kunst in weiten Teilen der Gesellschaft nicht mehr ernst genommen wird.

     

    Herr Sander, ich finde diesen Kommentar einfach nur haltlos und unter aller Sau!

  • Fehlende Vielfalt im Video angesichts der Berliner Realtitäten?

     

    Das konnte das Musical "Linie 1" schon vor nun bald 30 Jahren besser. Und der Song war besser getanzt und gesungen. ;-)

     

    Intro-Song aus der Verfilmung bei Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=XQilFDh-oLU

     

    Erschreckend, wie aktuell der Song in einigen Punkten immer noch ist - es hat sich nicht viel verändert in Berlin.

  • Da sind offenbar mal wieder zwei zusammengekommen, die zusammen gepasst haben.

     

    DIE BVG hat Mist gebaut – und eine namentlich nicht genannte Werbefirma, die vermutlich per Vertrag alle Rechte an ihrer kreativen Idee abgetreten hat an die eitlen Verkehrsbetriebe, nicht rechtzeitig gestoppt. Nun hat sie den Salat, die BVB: Sie wird dafür bestraft, dass sie nicht rechtzeitig gerafft haben, wem sie alles auf die schon ziemlich breit gelatschten Zehen treten wird mit der gespielten Missachtung, die sie erworben hat für fremder Leute Geld.

     

    Die kreativen Werbe-Fuzzies sind fein raus. Man hofft, sie sind beim nächsten Mal etwas gescheiter. Oder sensible, wenn das wer lieber liest. Die Chance dafür stehen gar nicht schlecht. Weiß ja keiner, dass sie mal ziemlich dumm gewesen sind, die Filmemacher. Mag also sein, sie kriegen eine zweite Chance.

    • @mowgli:

      Die Werbefirma ist Jung von Matt. Und man kann davon ausgehen, dass sie es gar nicht so schlimm finden, wenn sich ein paar Minderheiten über die Zehen gefahren fühlen. Empörung sorgt für mehr und mehr Klicks. Und viele Klicks sind gut. An deren Stelle würde ich genauso weiter machen.

  • Als wären in einem durchschnittlichem Werbespot irgendwelche anderen Ethnien vorhanden.

     

    Sorry: Aber als ich in der Glotze das letzte Mal Werbespots sah dann waren da meistens alles makellose, weiße, glücklich lächelnde Menschen in schönen Umgebungen vorhanden. Außer wenn es um Tourismus, Spendenaktionen oder ausländische Spezialitäten geht.

    Keine Ahnung warum, aber die Werbefritzen werden sich dabei schon was denken. Wahrscheinlich gehen sie davon aus dass die Leute dann eher an "die heile Welt" denken und eher bereit sind was zu kaufen

  • Sind ja auch weder Prügel-Opfah oder lederbejackte Aggro-Vandalen drin...

  • ich war gerne in Berlin-immer wieder weg wenn ich alles so lese, was die TAz so über Berlin bringt, bin ich froh auf meinem Dorf zu wohnen !bei c 60% türkisch kurdisch Einwohneranteil!

  • Ich finde es ärgerlich, daß in diesem Spot wieder mal kein Kurt-Horst Dloch vorkommt.

  • ;)

    Hi folks in Balin -

    Alles bvg oder was¿

    Der Beitrag is was baxig - ja - wie der clip - vielleicht a weng - & das wird in den Komms bunt & dufte reingerieben.

    kurz - Allet ziemlich knorke - wa;!¡)

    • @Lowandorder:

      & nochens

       

      Dieses ganze -> Ausgewogenheitsgehampel ~>

      Als Schere im Kopp permanent ->

      War mal DER GaarpButton - genau

      Der Fdot Ddot Pdot - & ->

       

      Über diesen SchwachmatenPunk

      Der Mölleschwelles - wer¿ ~>

      Redet doch nu och niemand mehr;!¡)

      (Na bitte - geht doch dot;)

  • "Keine Schwarzen in der U-Bahn, keine Türken oder Araber, keine Asiaten, keine Frauen mit Kopftuch.

    Niemand, dessen Haut dunkler ist als eine geschälte Kartoffel."

     

    Wow!!! Rassismus pur, Herr Sander

  • 9G
    913 (Profil gelöscht)

    Die Moderation: Kommentar entfernt.

  • Problematisch ist doch sowieso schon die Message: Egal wer, egal woher, solange du Kohle für nen Fahrschein hast...

    • @Bernhard Grünekamp:

      Genau richtig! Wär gescheiter mal die ständig steigenden Fahrpreise zu thematisieren in diesem Zusammenhang!

  • "Minderheiten wie Homosexuelle und Transpersonen kommen nur in besonders auffälligen Klischees vor"? Stimmt nicht. Die Zwiebel schälende Frau ist lebisch, der/die Punker*in ist Transgender. Wer etwas anderes behauptet, nur weil die Darsteller*innen optisch nicht den heteronormativen Rollenzuschreibungen entsprechen, denkt in sexistischen Klischees!

    • @AlexA:

      Like!

       

      Bleibt also "bloß" die Farbe?

    • @AlexA:

      Vollkommen richtig! Sehr sehr richtig sogar, wow! Daumen hoch!

    • @AlexA:

      Top!

  • Die Vielfalt ist genau so.

    Es isst rein statistisch möglich, nur sogenannte Weiße, einen Türken und Mexikaner in Berlin im Blickfeld zu haben.

    Rassistisch scheint mir der Wunsch, es möge alles Mögliche abgebildet werden, sonst sei es rassistisch.

    Ist die Hautfarbe so wichtig?

     

    Angeblich gibt es bei Gesichtsbuch 60 Möglichkeiten, ein Geschlecht anzugeben und selbst das ist vielen noch zu wenig, weil jemand exkludiert wird.

     

    Wenn es in Parodie abgleitet, ist keinem geholfen.

  • Na ja, wenn man alle (und das sind vermutlich ein paar hundert) in Berlin vertretenen Ethnien gecastet hätte, und die dann alle noch in ihren jeweiligen verschiedensten sexuellen Orientierungen, dann hätte das Casting zwei Jahre gedauert und das Video wäre nicht nur die mit der öden Leierkastenmucke ohnehin schon viel zu langen 2:10 Minuten lang, sondern abendfüllend. Das kann sich echt keiner wünschen.

     

    Man kann auch aus einer Mücke einen Elefanten machen... aber wenn schon, denn schon: die zweitgrößte Volksgruppe Berlins nach den Türken ist in dem Video nicht erkennbar vertreten: die Schwaben. Das geht gar nicht!

  • Leude! Das ist immer noch Werbung!

    Und Werbung hat mit der Realität nichts zu tun. Werbung ist nicht die Lindenstraße. Werbung ist keine Dokumentation. Werbung hat keinen anderen Auftrag, als etwas zu verkaufen. Und wenn kritische Themen in der Werbung vorkommen – siehe Benetton – fliegt es dem werbenden gleich um die Ohren. Denn dann werden marginalisierte Gruppen, diskriminierte Gruppen und Minderheiten dem Kommerz geopfert.

     

    Natürlich kann man es in die eine Richtung besser machen. Oder in die andere Richtung. Sind schwarze Menschen in dem Spot zu sehen, fehlen die Rolltuhlfahrer. Was ist mit Trans*? Was ist mit Inter*? warum waren es in dem Spot Hertha Fans un keine von der Union?

     

    Wenn man es allen Recht machen will, darf man gar nichts mehr machen.

     

    Dann hilft nur noch ein Bilderverbot.

  • Je nachdem wo man fährt, ist die Verteilung unterschiedlich. Sicherlich hätte es noch ein wenig repräsentativer sein können. Wenn im Werbeclip kein dunkelhäutiger Mensch zu sehen ist, ist dies noch lange keine Ausgrenzung und erst recht nichts, was sich in der Nähe von Rassismus oder rassistischer Gewalt bewegen würde.

    In den USA können wir sehen, zu was es führt, wenn politische Korrektness über alles gestellt wird und bei jeder Gelegenheit ein Rassismus oder Sexismus-Vorwurf konstruiert wird. Die davon betroffenen Leute sind auch Menschen und haben es nicht verdient, mit solchen absurden Vorwürfen denunziert zu werden. Dann kommt ein Donald Trump und findet massenweise Anhänger. Anhänger, die nie Rassisten waren, die es aber leid sind, immer wieder als Rassisten bezeichnet zu werden und die dadurch erst für die rassistischen Parolen eines Donald Trump empfänglich werden.

  • Wird hier gerade nicht rassistisch mit repräsentativ verwechselt? Immerhin erinnert die Musik an den Orient und Mexikaner sind auch im Bild. Außerdem erhebt das Video bei diesem künstlerischen Niveau wohl kaum den Anspruch, die Wirklichkeit 1:1 abzubilden. Vielleicht sollte man da schon zu differenzieren wissen. Also sprecht doch nicht gleich wieder von Rassismus.

  • Stimmt schon, die echte Vielfalt isses nich in dem Clip. Aber so herrlich blöd, dass das leicht vergessen werden kann. Positiv betrachtet könnte auch gesagt werden, dass Schwarze und verschleierte Frauen schon sehr sehr ein selbstverständlicher Teil des Berliner Alltags sind, dass Sie gar nicht mehr erwähnt werden müssen. - Und die Rassisten finden trotzdem noch einen Grund zum Motzen, weil der Dichter kein Deutscher war!

  • Nun, es könnte auch so interpretiert werden, dass das Video nicht zum Stein des Anstoßes für Rassisten werden sollte. Was die nicht hindert, sich trotzdem entsprechend auszulassen:

     

    (auf GMX) "wer diese Widerwärtigkeit toll findet reiht sich in die Sinnlosigkeit der Gutmenschen ein.

    hoffentlich haben wir da nicht wieder einen Beitrag aus Steuergeldern geleistet ."

     

    Na, was wär da wohl los, wenn es nun sogar Frauen mit Kopftuch und echte Afrikaner zu sehen gäbe? Die BVG wär wahrscheinlich vor fremdenfeindlichen Anschlägen nicht mehr sicher.

    • @mwanamke:

      Dann fangen wir also lieber an, in vorauseilendem Gehorsam uns den RassistInnen anzudienen? Was für ein Blödsinn!!

       

      Frauen mit Kopftuch, "echte" AfrikanerInnen (was sind denn unechte?) sind Teil der Gesellschaft. Punkt.

      • @Lesebrille:

        das war irgendwie ironisch gemeint...

      • 9G
        913 (Profil gelöscht)
        @Lesebrille:

        "Echte" sind schwarz.

        • @913 (Profil gelöscht):

          Genauso, wie "echte" deutsche weiss sind???

          • @Plan B:

            Haben Sie etwa etwas gegen echte weiße Deutsche?