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Fehlende Leh­re­r*in­nen an SchulenLehrverbände gegen Vollzeitpflicht

In Deutschland fehlen tausende Lehrer*innen. Dennoch warnen Verbände davor, Teilzeitarbeit an Schulen zu beschränken. Frauen drohten sonst deutliche Nachteile.

Überall fehlen Lehrer*innen: Verbände sind trotzdem dagegen, Teilzeitarbeit einzuschränken Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin dpa | Trotz des Lehrkräftemangels in Deutschland raten Verbände davon ab, Leh­re­r*in­nen das Arbeiten in Teilzeit zu beschränken oder zu verbieten. „Eine Politik, die diesen Weg zu gehen versucht, verschlimmert die Lage“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Donnerstag). Lin-Klitzing und der Chef des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, befürchten dem Medienbericht zufolge deutliche Nachteile für Frauen, falls die Möglichkeit zur Teilzeit beschränkt wird.

40,6 Prozent der rund 709.000 Leh­re­r*in­nen arbeiteten im Schuljahr 2021/2022 in Teilzeit, wie das Statistische Bundesamt Mitte Februar mitteilte. Das war die höchste Teilzeitquote der vergangenen zehn Jahre. Besonders Frauen reduzieren häufig ihre Arbeitszeit: Die Teilzeitquote war bei Lehrerinnen mit 48,2 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei Lehrern, von denen 20,1 Prozent in Teilzeit arbeiteten.

Gut ein Viertel (25,7 Prozent) der Leh­re­r*in­nen war den Angaben zufolge zwischen 50 und 59 Jahre alt, 10,9 Prozent waren 60 Jahre und älter. Der Anteil der jüngeren Berufseinsteigerinnen und -einsteiger fällt geringer aus: Die unter 35-Jährigen machten 21,1 Prozent der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen aus.

Beschränkung könnte Job unattraktiver machen

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission, ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz, schlug im Januar vor, die Möglichkeiten dafür zu begrenzen. „Hier liegt die größte Beschäftigungsreserve“, hatte das Gremium festgestellt. Bereits eine maßvolle Aufstockung der Arbeitszeit aller teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte hätte erhebliche Effekte, betonen die Experten.

Meidinger entgegnete: „Das Problem ist, dass man mit der Einschränkung von Teilzeitmöglichkeiten zwar kurzfristig Mehrkapazitäten schafft, aber den Beruf ausgerechnet bei denjenigen unattraktiver macht, die ihn derzeit noch am meisten anwählen: bei den jungen Frauen.“ Man könne zwar eine Debatte darüber führen, die Teilzeitmöglichkeiten moderat einzuschränken, sagte er. Es sollten aber nicht von heute auf morgen Änderungen in Kraft gesetzt werden, weil dies tief in die Lebensplanung vieler Menschen eingreife.

Lin-Klitzing sagte: „Letztlich geht es um Menschen, die mit ihrer Teilzeit der Verantwortung für die eigene Familie und der Verantwortung für die Kinder allgemein gerecht werden wollen.“ Alle Emanzipationsbemühungen müssten darauf gerichtet sein, dass der Einsatz für die eigene Familie von beiden Geschlechtern gleichermaßen getragen werde, forderte sie.

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11 Kommentare

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  • Was man bei der Statistik bezüglich Teilzeitbeschäftigung übrigens mal in den Blick nehmen sollte:

    Ja, 40% der Lehrkräfte waren im Schuljahr 2021/22 in Teilzeit. Bei den Lohnabhängigen waren es im gleichen Zeitraum etwa 30%. Das ist schon mal ein nicht so dramatischer Unterschied, aber gut... es ist etwas mehr.

    Wenn man aber etwas genauer, nämlich geschlechtsspezifisch hinschaut, dann sieht man, dass 70% aller Lehrkräfte in Deutschland Frauen sind, bei den abhängig Beschäftigten sind es nur 47%.

    Vergleicht man nur die Teilzeitquote von Frauen, so sieht man: Lehrerinnen 48%, weibliche Angestellte 49%. Bei den abhängig Beschäftigten arbeiten also minimal mehr Frauen in Teilzeit. Es ist also egal, ob Lehrerin oder Angestellte: Jede zweite Frau in diesen Arbeitsverhältnissen arbeitet in Teilzeit. Und warum das so ist, muss man hier hoffentlich niemandem erklären.

    Dass also Lehrer in Deutschland aufgrund ihres "üppigen Einkommens" (@Klempner Karl) easy peasy eine ruhige Kugel schieben können und diese Statistik ein Beleg dafür sei, ist eines dieser Märchen, das nie aussterben wird. Da der Anteil an Frauen im Lehrberuf eben deutlich höher ist, fällt auch die Teilzeitquote insgesamt gesehen höher aus.

    Wer aber immer noch meint, Lehrer seien eine überprivilegierte Gruppe in der deutschen Berufswelt, der hat heute so gute Chancen wie nie zu vor, diesen Traumberuf als Quereinsteiger zu ergreifen - wenn man denn die nötige Qualifikation und Resilienz mitbringt... Lehrkräfte werden überall händeringend gesucht.

  • Also ich bin für voll Wahlfreiheit für alle (Männer und Frauen), was Teilzeit angeht. Der Vorschlag ist Unsinn und brächte allenfalls kurzfristig etwas Entlastung.

    Trotzdem verstehe ich folgende Reaktion nicht: "... befürchten dem Medienbericht zufolge deutliche Nachteile für Frauen, falls die Möglichkeit zur Teilzeit beschränkt wird." - Warum gäbe es Nachteile (nur) für Frauen? Eine solche Regelung wäre doch sicher nicht geschlechtsspezifisch! Wir leben in einem Land, wo Frauen und Männer vollkommen gleiche Rechte haben. Das wird vom Grundgesetz einklagbar garantiert. Männer wären genauso betroffen.

  • Ich habe den Eindruck dass der Mangel an Lehrkräften nur mit Massnahmen begegnet wird, die die Interessen der Lehrkräfte berücksichtigt. Laut Statistik arbeiten rund 40% der Lehrkräfte in Teilzeit. Klappt ja auch ganz gut. Lehrer Ehepaar beide mit 25 Stunden haben trotzdem ein üppiges Einkommen , ausreichend Urlaub und eine überdurchschnittliche Altersversorgung. Einmalig in unserer Gesellschaft. Keine andere Sparte unserer Wirtschaft kann sich so eine Veschwendung von teuer ausgebildten Arbeitnehmern leisten.

    • @Klempner Karl:

      "Lehrer Ehepaar beide mit 25 Stunden haben trotzdem ein üppiges Einkommen..."



      Von welchen Lehrern reden Sie hier? Die, die sich zu Ende jeden Schuljahres arbeitslos melden dürfen, um erst im folgenden Schuljahr großzügig wieder arbeiten zu dürfen?



      Ausreichend Urlaub, in der Tat.

    • @Klempner Karl:

      Na, denn, jetzt ist die Chance da, diesen "hochattraktiven Job - 25h bei üppigem Gehalt und reichlich Freizeit/Urlaub" - zu bekommen, auch als Quereinsteiger. Nur zu, Karl, Sie werden gebraucht. Das bisschen akademische Qualifikation von ca. 5 Jahren plus 1,5 - 2 Jahre praktischer Ausbildung darf man ja auch nicht überbewerten.

      Der Lehrberuf, das letzte Paradies in der Berufswelt... time for a reality check!

    • @Klempner Karl:

      Schule ist eine Wirtschaftssparte?

      • @Andreas J:

        Ohne ausreichende Bildung und Ausbildung keine funktionierende Wirtschaft. Es hängt alles zusammen .

    • @Klempner Karl:

      Und gerade diese Teilzeit, nach einer langen Ausbildungszeit, führt auch zu den Mangelproblemen. Dasselbe Problem gibt es auch bei Ärzten und Ärztinnen. Wie heißt es sonst so schön? "Check your privileges".

  • Gibt es eigendlich fundierte Untersuchungen, wie man den Lehrerberuf und die Lehrerausbildung akktraktiver machen kann ?



    Denn im Grunde ist Lehren doch eine attraktive Tätigkeit.

    Gibt es zumindest eine fundierte Umfrage was Menschen davon abhält Lehrer zu werden oder sich dorthin weiter zu qualifizieren ?

    Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es nicht am potentiellen Lehrernachwuchs liegt sondern an den abschreckenden Strukturen des Bildungssystems.

    • @Bolzkopf:

      Abschreckend ist nicht nur das Bildungssystem, sondern auch die Kinder und - was noch viel mehr wiegt - die Einstellung vieler Eltern von Schulkindern. Lehrer fühlen sich von Eltern, die ihre Arbeit null unterstützen oder sogar aktiv ihre Autorität untergraben, im Stich gelassen. Ich habe genügend Lehrer im Bekanntenkreis, die mir immer wieder Geschichten erzählen, wie unwichtig manchen Eltern die Erziehung und Bildung ihrer Kinder ist. Es ist einfach nur furchtbar.

      • @Winnetaz:

        Wer weiß wer weiß.



        Vllt liegt das auch an dem Ductus der Lehrer.



        Lehrer sind keine Götter.



        Lehrer sind keine Idole (die meisten)



        Lehrer sind auch nicht schlauer.

        Lehrer sind Bildungscoaches.

        Und Coaching bedeutet begeistern, anspornen und fördern.

        Geschieht das ? (außer in Ausnahmen)

        Seh'n se ...