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Famillienrechtsreformen der AmpelEndlich die Realität anerkannt

Anne Fromm
Kommentar von Anne Fromm

Die Ampel will das Familienrecht für verschiedene Familienentwürfe öffnen. Der Vorschlag zeigt, was die Koalition bei allen Differenzen verbindet.

Die Reformen werden das Leben vieler Familien in Deutschland erheblich verbessern Foto: Westend61/ullstein

D ass die Ampelkoalition sich selbst zu Beginn den Titel „Fortschrittskoalition“ gegeben hat, konnte man in den vergangenen Monaten leicht vergessen. Egal ob beim Streit um das Heizungsgesetz oder um den Haushalt – von Fortschritt war zuletzt nicht viel zu spüren.

Aber jetzt, endlich, ist da wieder ein Vorhaben, das deutlich macht, wo sich SPD, Grüne und FDP eben doch auf eine progressive Politik einigen können: in der Gesellschaftspolitik. Die Eckpunkte zum Umgangs- und Sorgerecht und zum Abstammungsrecht, über die die taz exklusiv berichtet, zeigen, was dieses Bündnis bei aller Verschiedenheit doch eint. Diese Reformen werden das Leben vieler Familien in Deutschland erheblich verbessern. Trennungs-, Patchwork- und Regenbogenfamilien sind längst keine Ausnahmen mehr, rechtlich stehen sie in vielen Punkten dennoch bis heute hinten an.

Da ist das lesbische Ehepaar, das ein Kind bekommt und künftig mit der Geburt zu Mutter und Mutter wird – ohne dass die, die nicht das Kind ausgetragen hat, das Kind dafür adoptieren muss. Da ist der private Samenspender, der zwar rechtlich kein Vater sein muss, dafür aber künftig über alltägliche Dinge mitentscheiden kann. Und da ist das Elternpaar, das sich getrennt hat und einigermaßen unbürokratisch festlegen können soll, wie es sich die Sorge für die gemeinsamen Kinder aufteilt.

Nur in einem wagen die Reformpakete zu wenig: in der Frage, wie viele rechtliche Eltern ein Kind haben kann. Bisher sind es zwei, und zwei sollen es bleiben. Das benachteiligt zum Beispiel schwule Paare, die ein Kind mit einer Frau oder einem lesbischen Paar bekommen. Mit einer Elternschaftsvereinbarung kann künftig einer der Männer der rechtliche Vater werden, der andere nicht. Aber was hätte das Kind zu verlieren, wenn es statt zwei drei oder vier Eltern hätte, die sich gleichberechtigt und liebevoll kümmern?

Dennoch bleibt es vielen Familien in Deutschland zu wünschen, dass die Ampelkoalition noch eine ganze Weile durchhält, damit aus den Eckpunktepapieren auch tatsächlich Gesetze werden.

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Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Aber was hätte das Kind zu verlieren, wenn es statt zwei drei oder vier Eltern hätte, die sich gleichberechtigt und liebevoll kümmern?"

    Das Modell hört sich so wunderbar romantisch an - so lange sich alle verstehen.

    Wenn man Kinder bekommt, merkt man, dass die Abstimmung zum Umgang mit dem Kind schon in einer bestehenden Partnerschaft nicht immer leicht ist.

    Der Umgang mit dem Kind ist geprägt von der eigenen Kindheit, eigenen Erfahrungen, den eigenen Werten und damit auch der eigenen Identität.

    Trennen sich zwei Eltern, wird die Entscheidungsfindung nicht leichter.

    Jeder kennt Beispiele, wo die gemeinsame Erziehung nach der Trennung nicht mehr bzw. noch weniger funktionierte.

    Bei drei oder vier Beteiligten wird die Entscheidungsfindung nicht leichter.

    Es liegt einfach in der Natur der Sache, dass mit zunehmender Zahl der Beteiligten auch das Konfliktpotenzial steigt.

    Nun stelle man sich vor, die Beziehungen sind beendet, die Eltern neu verpartnert.

    Die neuen Partner spielen dann auch eine Rolle.

    Es liegt im Interesse des Kindes, dass sich bis zu acht Leute um Entscheidungen streiten.

    Häufig haben Scheidungskinder ab einem gewissen Alter keine Lust mehr, jedes zweite Wochenende beim anderen Elternteil zu verbringen.

    Dass ein Kind keine Lust haben wird, in einem Monat jedes Wochenende bei anderen Personen zu verbringen, ist leicht zu prognostizieren.

    Wie soll das eigentlich nach Meinung der Autorin bei drei der mehr gleichberechtigten Eltern laufen?

    Gibt es gegebenenfalls ein Mehrheitsprinzip, dem sich die leibliche Mutter fügen muss?

    Kann das so weit gehen, dass die beiden anderen bestimmen könnten, dass das Kind jetzt mal bei einem anderen Elternteil leben muss?

    Dass der Gesetzgeber keine Lust hatte, da ranzugehen, kann ich verstehen.

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Das ist mal wieder typisch für die TAZ, Photo mit 2 Frauen als Eltern. Wie soll das geregelt werden wenn 2 Männer Eltern werden wollen?

  • Es reicht völlig wenn der Staat den Beteiligten nicht im Weg steht.

    • @Wes:

      Macht es aber? Gleiches Recht für Alle.

      Ich meine was ist wenn jemand stirbt und das nicht leibliche Elternteil plötzlich alle Rechte verliert?

      Schutz vor solchen Szenarien ist schon nötig.

  • "Aber was hätte das Kind zu verlieren, wenn es statt zwei drei oder vier Eltern hätte, die sich gleichberechtigt und liebevoll kümmern?"

    Nichts. Wenn der letzte Nebensatz stimmt.

    Aber, wie bei Heteropaaren oft herausgestellt wird, kann es daran hapern. Dann werden Probleme mit der Gleichstellung, mit dem Kümmern, mit den Ansprüchen zwischen noch mehr Parteien ausgefochten. Was es mit Sicherheit nicht einfacher macht.

  • Was ein Hohn - Die Ampel will die "Realität" anerkannt haben?



    Soweit weg von der realen Lebenswirklichkeit der Bevölkerung war noch keine Regierung zuvor.

    • @Andere Meinung:

      Ich hoffe, dass dieser Gesellschaft irgendwann wieder möglich sein wird, sachlich über konkrete Regelungen zu debattieren, anstatt Politiker zu diffamieren, deren Positionen man nicht teilt.

  • Drei mögliche Elternteile entsprächen noch mehr der aktuellen Realität. Bei einem schwulen Paar zB Vater, Vater und Mutter.

    Und natürlich sollte dem biologischen Vater nicht so einfach sein Kind entzogen werden können, wie das in der Vergangenheit der Fall war.

    • @realnessuno:

      Aus Perspektive des Kindes ist es wünschenswert, eine Familie als festen Lebensmittelpunkt zu haben. Darauf zielten sämtliche Reformen des Abstammungsrechts seit 1969.



      "Biologischer Vater" und "Kind entziehen" stammt demgegenüber aus der Erzeugerperspektive, sprich "Meine Gene, meine Rechte".

    • @realnessuno:

      Der biologische Vater kann jetzt laut Artikel auf "privater Samenspender" reduziert werden.

      Es sieht nicht so aus, als ob das Gesetz in die von Ihnen gewünschte Richtung geht.

      • @rero:

        Umgekehrt warum sollte ein Betrunkener ONS der sonnst null Kontrakt zu seinem Kind hat irgendwas zu sagen haben?



        Wenn ein Vater tatsächlich auch ein Vater ist, dann sind seine Rechte schon gesichert.

        • @Jessica Blucher:

          Von welchem betrunkenen 0NS sprechen Sie?

          Davon las ich nichts im Artikel.

          Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass davon was im Gesetz steht.

          Umgekehrt von was?

  • Das ist eine willkommene Reform. Gleichzeitig aber kein Thema, das auf der Prioritätenliste der meisten Menschen weit oben steht und irgendwas an den (Un-)Beliebtheitswerten der Regierung ändern wird.